Alle Jahre wieder - ausgenommen in den beiden Jahren der Corona-Lockdowns - sorgt die Grippewelle für Todesfälle, massive Folgen bei Betroffenen und eine enorme Belastung im Gesundheitssystem. Dennoch werden die Influenzaviren immer noch auf die leichte Schulter genommen - und das Impfangebot zu wenig in Anspruch genommen.
Ein Fehler, wie zahlreiche schwere Fälle zeigen. "Jedes Jahr sind zwischen fünf und zehn Prozent der Erwachsenen und um die zehn bis 20 Prozent der Kinder von einer Influenza-Infektion betroffen", erklärte Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien am Montag bei einem Medienworkshop. Das führe wiederum zu rund 5.000 bis 6.000 Hospitalisierungen pro Jahr in Österreich. Eine Zahl, die sich durch die Impfung reduzieren könne.
"Richtig los geht es in Österreich in der Regel ab Mitte Dezember. Erst Mitte März flaut die Grippewelle wieder ab, wenn es langsam wärmer wird. In diesem Zeitraum ist die Station komplett ausgelastet. Wir haben dann wirklich nur Influenza-Patienten", betonte Internist und Infektiologe Matthias Vossen von der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin I.
„Gerade ältere Menschen werden durch die Influenza mitten aus dem Leben gerissen.“
Gefürchtet ist vor allem die Kombination von höherem Alter, Vorerkrankungen, wie COPD oder Asthma und einem schweren Verlauf. Setzt sich dann auf die Influenza-bedingte Lungenentzündung noch eine bakterielle Erkrankung, werde es besonders schwierig. So sei beispielsweise eine Kollegin mit Asthma aufgrund einer Influenzainfektion über Monate auf der Intensivstation gelegen. Meistens treffe dies jedoch die Gruppe 70-plus. "Ältere Menschen hängen oft über Monate an der Extrakorporale Membranoxygenierung – eine Art künstliche Lunge –, weil ihre Lunge nicht ausreichend leistungsfähig ist", so Vossen. Durch die enorme Belastung des Gesamtsystems käme es zudem zu einer Verschlechterung der Grunderkrankungen. Viele Ältere können ihr gewohntes Leben danach nicht mehr aufnehmen und müssen direkt in ein Pflegeheim überstellt werden. "Gerade ältere Menschen werden durch die Influenza mitten aus dem Leben gerissen."
Das sei auch eine "enorme Belastung des Gesamtsystems", sagte Vossen. Zu den zahlreichen schweren Verläufen kommen am Höhepunkt der Welle bekanntlich viele Krankenstände – auch unter dem ärztlichen und Pflegepersonal. Vossen: "Menschen mit schweren Verläufen sind hochansteckend und das Risiko ist dadurch für das gesamte Personal extrem hoch." Führe man sich all das vor Augen, könne man sagen: "Wir wären sehr dankbar, wenn Sie sich impfen lassen", betonte der Mediziner.
Empfohlen wird die Grippe-Impfung für alle Menschen ab einem Alter von sechs Monaten, insbesondere aber für Risikogruppen wie etwa Personen ab 60 Jahren, Schwangere und Menschen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko.
Zwar sei auf Totenscheinen "Influenza" als Todesursache selten zu finden, im Schnitt würden am Ende jedoch rund 1.300 Personen im Land infolge einer Influenza sterben, betonte Redlberger-Fritz zudem. Der Einfluss der Erkrankung, die laut internationalen Analysen die "höchste Krankheitslast für die Bevölkerung" unter allen wiederkehrenden Infektionen mit sich bringt, ist in den Statistiken deutlich sichtbar.
Zuletzt am stärksten spürbar war dies in der Saison 2022/2023. Nachdem in den Wintern davor die Covid-19-Maßnahmen die Influenza-Verbreitung nahezu zum Erliegen gebracht hatten, gab es damals rund 700.000 Erkrankungen und ungefähr 4.000 sogenannte Influenza-assoziierte Todesfälle. Ein Muster, das man aus der Medizingeschichte bereits kenne: "Die Influenza schlägt nach Pausen immer doppelt so hart zurück", so Redlberger-Fritz.
Die Krux bei den Influenzaviren ist ihre Tendenz, sich genetisch recht rasch zu verändern, erklärte Vakzinologen Florian Krammer, der an der Icahn School of Medicine in New York sowie an der MedUni Wien tätig ist. Eine Eigenschaft, die laut ihm früher oder später zur nächsten Pandemie führen wird.
„Die Influenza schlägt nach Pausen immer doppelt so hart zurück.“
Ein "Stille-Post-Spiel der Natur", führte Redlberger-Fritz weiter aus. Die immer etwas veränderte Erbgut-Kopie "von einer Kopie und ihrer Kopie und wiederum deren Kopie" sieht einfach irgendwann derart anders aus, dass sie unser Immunsystem nicht mehr ausreichend erkennt. Daher brauche es auch jedes Jahr eine neue Impfung.
Doch auch das könnte sich in den kommenden Jahren ändern, wie Krammer verriet: "Wir sind in früher klinischer Entwicklung, das heißt, wir sind am Anfang der Erprobung im Menschen. Wir haben zeigen können, dass das im Prinzip funktioniert, aber es ist noch ein weiter Weg, bis es wirklich zu einer Zulassung kommen kann." Dennoch betont der Experte, dass nicht erwartet werden darf, dass die jetzige oder künftige Impfungen die jede Erkrankung verhindern. "Die Erwartungshaltung ist, dass diese Impfstoffe schwere Erkrankungen verhindert und die Leute nicht ins Spital müssen."