Oberst Markus Reisner

"Viele haben noch nicht verstanden, was da passiert"

Der Horror in der Ukraine nimmt kein Ende. Oberst Markus Reisner mahnt: Kriegstreiber Putin hat kein Interesse an einer diplomatischen Lösung.
Roman Palman
22.05.2025, 19:01
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Wladimir Putin hat kein Interesse an einem diplomatischen Ende seines Kriegs gegen die Ukraine, noch nicht. Für Militäranalyst Franz-Stefan Gady war das jüngste Treffen zwischen einer russischen und ukrainischen Delegation in Istanbul nur eine Scheinverhandlung. Auch Oberst Markus Reisner ist dieser Auffassung.

"Wir betrachten die Dinge immer aus unserer Sozialisierung und aus unserer westlichen Prägung heraus. Wir hoffen auf das Gute, vertrauen auf Ehrlichkeit und denken, Verhandlungen seien der erste Schritt zum Frieden", sagt der Bundesheer-Offizier auf ntv und schärft nach: "Die Gegenseite hat aber ihre eigene Prägung. Wir übersehen völlig, dass die russische Seite diese Verhandlungen als Teil einer Strategie ihrer Kriegsführung nutzt."

Putin täusche nur Verhandlungsbereitschaft vor, um politisch vom Weißen Haus nicht fallengelassen zu werden. Dennoch ordne er klar Diplomatie weiter den eigenen militärischen Zielen – die Inbesitznahme und Zerstörung der Ukraine – unter.

Die wichtigste Erkenntnis aus den Gesprächen in Istanbul ist für Reisner aber eine bittere: "Der Kreml hat keine Angst vor weiteren Sanktionen oder Druck aus Europa. Er lässt sich nicht einschüchtern." Und Putin habe derzeit auch keinerlei Grund zur Eile. Dahin deuten auch Berichte, wonach er erst im Oktober und somit nach einer Sommeroffensive weiterverhandeln wolle.

Parallel zu den Verhandlungen hat das russische Militär an vielen Orten Kräfte für einen größeren Angriff bereitgestellt. "Wir sehen eine merkliche Zunahme der Aktivitäten", sagt Reisner. Die Russen würden immer weitere Fortschritte machen, bereits die vierte Verteidigungslinie der Ukrainer erreichen.

"Die Ukrainer verzweifeln derweil, weil sie keine Waffen mehr bekommen. In den vergangenen Monaten blieb es bei Ankündigungen, es wurde nichts geliefert. Die Linien sind ausgedünnt und nur der derzeitige Einsatz von Angriffsdrohen auf taktischer Ebene ist noch erfolgreich."

"Lässt sich kaum in Worte fassen"

Dieser sei inzwischen "existenziell" und Drohnenaufklärung wirklich allgegenwärtig. "Diese lückenlose Überwachung macht das Kampfgeschehen so elend", sagt Reisner. Große Manöver mit Panzern und Truppen wie im Zweiten Weltkrieg oder den Golfkriegen, die gibt es in der Ukraine nicht einmal mehr ansatzweise und jeder Versuch im Keim erstickt.

Wage sich doch eine Truppe mit Fahrzeugen vor, würden diese sofort von Drohnen ins Ziel genommen, gestoppt und jedes einzeln zerstört – das macht es für beide Seiten praktisch unmöglich, so vorzurücken. "Das Kräfteverhältnis ist nahezu paritätisch. Die Russen schicken jedoch ihre Truppen täglich in ähnlichen Angriffen in den Tod. Als würden sie aus einem endlosen Reservoir an Soldaten schöpfen."

Die derzeitige Taktik auf dem Schlachtfeld: Kleine Stoßtrupps versuchen, unter gegnerischem Feuer und auf Gelände voller Landminen und Stacheldraht, punktuell Räume zu gewinnen. "Es ist praktisch wieder wie im Ersten Weltkrieg", beschreibt Reisner die grausame Lage.

"Mich als Militär lässt das wirklich betroffen zurück. Und viele haben, glaube ich, noch nicht wirklich verstanden, was da gerade passiert. Vor uns spielt sich ein stetes grausames Abschlachten statt, welches sich kaum in Worte fassen lässt."

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 22.05.2025, 19:04, 22.05.2025, 19:01
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