Mit dem heutigen Nationalfeiertag lässt unsere Alpenrepublik sein Neutralitätsgesetz hochleben. Vor genau 70 Jahren erklärte Österreich "aus freien Stücken" und "zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes" die "immerwährende Neutralität".
Das Verfassungsgesetz umfasst nur wenige Zeilen, hat aber eine enorme Tragweite:
Nicht mehr und nicht weniger steht darin.
Für Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) bedeutet das auch eine "selbstbewusste" und aus dem eigenen Land heraus gestützte "ausreichende Bewaffnung" des Bundesheeres. In einem Interview mit der APA wünschte er sich kürzlich den Aufbau einer starken Rüstungsindustrie.
"Warum soll man das Geschäft auch anderen Ländern überlassen. Ich glaube, man sollte auch ein Geschäft damit machen, wenn wir uns selbst aufrüsten", so der Freiheitliche. Damit, so glaubt er, könnten ordentlich Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Rechnung ist aber eine schwierige. In der Rüstungssparte gibt es hierzulande mit derzeit rund 7000 Jobs vergleichsweise wenige Stellen. Alleine bei den zivilen Autozulieferern sind es eine knapp 30 Mal so viele (ca. 200.000).
Und: Viele Waffensysteme wie Panzer, Raketen oder Kampfjets sind viel zu komplex und teuer, um sie in Österreich herzustellen. Jede Neuentwicklung verschlingt Unsummen, weshalb sie sich auch für die US-amerikanischen Rüstungsgiganten erst rechnet, wenn sie diese auch an andere Länder exportieren können.
Die heimische Waffen-Industrie möchte beim europäischen Kuchen der Aufrüstung jedenfalls kräftig mitschneiden und wünscht sich deswegen Export-Erleichterungen. Doch Kritiker sehen da ein Problem mit der österreichischen Neutralität. Sie könnte dadurch ausgehöhlt werden, so die Befürchtungen.
Für Michael Zinkanell-Süß wird die Neutralität durch Waffen-Exporte "per se nicht" ausgehöhlt. Aber: "Es gibt durchaus mehr Vorgaben. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich etwas komplex." Auch sind mehrere Ministerien darin involviert.
Jegliche Bestimmungen müssten sicherstellen, dass Menschenrechte und die Sicherheitsinteressen Österreichs und der Europäischen Union nicht durch solche Waffenexporte gefährdet werden, hält der Direktor des Austria Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES) Sonntagnacht im ZIB2-Studio fest.
Aber: "Wenn wir heute in ein Land exportieren, können wir nicht davon ausgehen, dass es morgen , in fünf Jahren, in zehn Jahren ebenso stabil ist."
Für Zinkanell-Süß ist Neutralität "das, was man daraus macht". Doch wie schaut es damit aus, wo das Bundesheer Teil von SkyShield werden will? Wenn NATO-Staaten Panzer durch Österreich transportieren und wir die Sanktionen gegen Russland mittragen?
All diese Beispiele seien mit dem Neutralitätsgesetzes vereinbar, stellt der Experte im ORF klar. Mit dem EU-Beitritt vor 30 Jahren sei die Verfassung auch dahingehend abgeändert worden, dass EU-Recht bei Fragen der europäischen Sicherheit und Verteidigung die österreichische Neutralität "de facto aushebelt".
"Das heißt: Wir sind noch neutral. Wir sind definitiv militärisch neutral, aber gleichzeitig Teil der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur und müssen hier Verantwortung leisten."
Das Neutralitätsgesetz beinhalte klare Grundprinzipien, die politische Interpretation der Neutralität sehe jedoch anders aus und ermögliche derzeit "de facto weniger, als wir rechtlich könnten", so Zinkanell-Süß: "Es ist eine Frage des politischen Willens, wie stark man die Neutralität auslegt."
Er wünscht sich auch Klarheit in Bezug auf die österreichische Beistandspflicht im Rahmen der Europäischen Union (Artikel 42/7). Österreich könne den EU-Partnern so zeigen, was es militärisch bereit wäre, im Verteidigungsfalle eines anderen EU-Landes zu leisten.
Österreich könne als neutraler Staat innerhalb dieser Klausel seinen Beistand selbst definieren und auch leisten. "Das ist mit der Neutralität rechtlich vereinbar, aber politisch nicht geklärt. Die Karten müssen auf den Tisch", konstatiert Zinkanell-Süß. Würde Österreich einem anderen EU-Land nicht beistehen, wäre der diplomatische Schaden katastrophal.
Den Weg vorwärts für unsere Alpenrepublik sieht er als Teil der Europäischen Union, "aber auch als Staat, der für seine eigene Sicherheit und militärische Verteidigung sorgen kann." Freiheit müsse geschützt und verteidigt werden. "Nur so können wir als souveräner Staat nach außen und nach innen agieren."