Abrechnung mit Meinl-Reisinger

ORF-Wehrschütz gnadenlos: "Wir sind nicht neutral"

Die Regierung will sich als neutraler Ort für Ukraine-Gespräche ins Spiel bringen. "Das ist ein Mythos", sagt Christian Wehrschütz im "Heute"-Talk.
Nicolas Kubrak
26.10.2025, 08:00
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Für die einen ein Segen, für die anderen längst überholt: die Neutralität. Seit ihrer Beschlussfassung am 26. Oktober 1955 ist sie fixer Bestandteil unserer Identität – und Grund dafür, dass Österreich Jahr für Jahr seinen Nationalfeiertag begeht.

Doch auch rund 70 Jahre nach ihrer Ausrufung sorgt die Neutralität im politischen Alltag weiter für Debatten. Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird sie bei außenpolitischen Fragen immer wieder ins Zentrum gerückt. Jüngstes Beispiel: Österreich hat sich offen gezeigt, bei möglichen Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg eine vermittelnde Rolle zu übernehmen.

"Warum glauben so viele, dass wir neutral sind?"

"Heute" sprach mit dem langjährigen ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz, der über 25 Jahre von den Frontlinien Europas (Balkan, Ukraine) aus berichtete. In der Neutralitäts-Debatte verweist er auf den Fall der Ukraine, die in ihrer Verfassung einen blockfreien Status gehabt habe – und trotzdem wurde sie angegriffen. "Das zeigt: Neutralität ist kein Schutzfaktor", so Wehrschütz. Österreich sei allerdings auch in einer anderen geopolitischen Lage als die Ukraine.

"Realistisch gesehen sind wir also nicht neutral", sagt Christian Wehrschütz zu "Heute".
zVg

"Aber warum glauben so viele, dass Österreich heute überhaupt noch neutral ist?", fragt sich der Korrespondent. Denn in der Praxis sei Österreich nie wirklich neutral gewesen. "Schon während des Kalten Krieges war die Verteidigungsdoktrin darauf ausgelegt, den Vormarsch der Sowjets so lange aufzuhalten, bis die Amerikaner kommen."

Auch heute habe man ein Abkommen mit der NSA – "und ich kann mich nicht erinnern, dass wir im Ukraine-Krieg Überflüge oder Transporte westlicher Truppen verhindert hätten. Realistisch gesehen sind wir also nicht neutral", sagt Wehrschütz.

"Sind kein neutraler Verhandlungsort mehr"

Der ORF-Korrespondent weiter: "Man sollte die Neutralität auf das reduzieren, was sie tatsächlich bedeutet und all das beseitigen, was sie zu einem bürokratischen Hindernis macht. Österreich muss sich entscheiden, wo es in Europa stehen will."

Dass Österreich aufgrund der Neutralität ein guter Ort für Friedensgespräche sein könne, glaubt Wehrschütz nicht. "Das ist ein Mythos. Wir sind kein neutraler Verhandlungsort mehr, weil unsere Ukraine-Politik eindeutig ist."

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in einer Wyschywanka – und mit blau-gelber Ukraine-Flagge.
Instagram

Der Experte nennt dabei explizit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger: "Wenn die österreichische Außenministerin am ukrainischen Nationalfeiertag ukrainische Trachten trägt und Österreich dann als neutral bezeichnet, passt das einfach nicht zusammen. Es geht nicht darum, wie wir uns selbst sehen, sondern wie uns andere wahrnehmen. Und international werden wir höchstens noch als halbherziger Partner wahrgenommen."

"Österreich hätte NATO beitreten können"

Als Fehler bezeichnet der ORF-Star, dass Österreich im Jahr 1991 nicht versucht habe, der NATO beizutreten. "Damals hätten wir realistische Chancen gehabt, die Staaten Ostmitteleuropas an das Bündnis heranzuführen und so eine wichtige Rolle in Mitteleuropa zu spielen", so Wehrschütz.

{title && {title} } nico, {title && {title} } Akt. 26.10.2025, 14:01, 26.10.2025, 08:00
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