Finanzieller Ruin im Neubau

"Zahle ich nicht mehr!" Mieter-Kampf gegen Wohnkosten

In ihrer Wohnanlage in Wr. Neustadt haben sich die Wohnkosten nach fünf Jahren verdoppelt, sagt Verena F. Sie und ihre Nachbaren wehren sich jetzt.
Aram Ghadimi
03.09.2025, 05:15
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Verena F. (Name geändert) ist verzweifelt. Im sechsten Jahr in ihrer Wohnung in der Gymelsdorfergasse 50 in Wr. Neustadt, sagt sie, "haben sich die Kosten für Wohnen fast verdoppelt." Die 52-Jährige und ihr 45-jähriger Partner sind dort 2019 mit Vorfreude eingezogen – heute erwägen sie per Anwalt zu klagen.

Sie und ihr Mann würden beide in Vollzeit-Jobs arbeiten, erzählt F., doch angesichts der massiven Teuerungen in ihrem Neubau bleibt davon weniger über, sagt die Niederösterreicherin: "Als wir eingezogen sind, betrug die Kaltmiete etwa 950 Euro und die Heizkosten 109 Euro pro Monat. Heute fressen die Wohnkosten unsere beiden Gehälter auf."

Verena F. war auch schon bei der Arbeiterkammer, um sich beraten zu lassen – vorerst mit dem Ergebnis, dass sie sich ihre Abrechnung noch einmal genau ansehen soll. "Rund 2.000 Euro mussten wir nachzahlen, nachdem die Energiepreise so gestiegen waren. Damals hatten wir keinen Rechtsschutz."

"So etwas zahle ich nicht mehr!"

Zusammen mit ihrem Partner entschied sie sich den Betrag zu zahlen, obwohl für beide nicht klar war, wie er zustande gekommen war. "Die nächste Abrechnungsperiode ist im Frühjahr. So etwas zahle ich nicht mehr!", sagt F. mit hörbarer Aufregung in der Stimme.

1.800 Euro für fast 90 Quadratmeter

"Heute zahlen wir 1.318 Euro Kaltmiete und monatlich 321 Euro Heizkosten. Auch alles andere ist teurer geworden. An den Stromlieferanten Kelag gehen weitere 80 Euro", sagt F., die in Wr. Neustadt im Handel arbeitet. Insgesamt kostet das Wohnen Verena F. und ihren Partner heute rund 1.800 Euro für fast 90 Quadratmeter im Süden von Wr. Neustadt.

"Wir sind ursprünglich hier eingezogen, weil die Wohnung günstig angepriesen wurde. Sie liegt auf der Sonnenseite und muss eigentlich kaum geheizt werden. Trotzdem zahlen wir jetzt so viel", sagt F. und fügt an, dass sie und ihr Mann nicht die einzigen in der Anlage seien, die ihre Nachzahlungen und die neuen Vorschreibungen durch das Ablese-Unternehmen ista Österreich GmbH nicht verstehen können.

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Nirgendwo etwas erreicht

Verena F. ist jetzt wütend. "Ich habe es öfter bei der Hausverwaltung, der HMI Immobilien GmbH versucht, doch dort geht niemand ans Telefon. Beim Ablese-Unternehmen ista sowieso nicht." Letztes Jahr habe es im ganzen Haus für zwei Monate kein Warmwasser gegeben. Nach Protest durch die Mieter, habe es von der Hausverwaltung geheißen, dass man keine Entschädigung vorsehe.

"Mittlerweile haben wir hier 70 Unterschriften gesammelt", erzählt F. über den Vorstoß ihres Nachbarn, der in seiner 40-Quadratmeter-Wohnung schon über 1.000 Euro Wohnkosten zu stemmen hätte.

Kein Einzelfall

Schon mehrfach erreichten "Heute" Fälle wie der von Verena F. und ihren Nachbarn. Im niederösterreichischen Leopoldsdorf etwa, wo ebenfalls die ista Österreich GmbH für Ablesungen zuständig war und horrende Nachzahlungen von bis zu 3.500 Euro verlangte. "Heute" hat daher das Unternehmen mit den aktuellen Vorwürfen konfrontiert.

"Die Energiepreise haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges deutlich erhöht und liegen weiterhin über dem Vorkrisenniveau", entgegnet die ista in ihrer Antwort und bezieht sich auch auf den Fall aus Leopoldsdorf: "Wie auch die Artikel im März und April zeigen, sind die Preise im Vorjahr um bis zu 36 Prozent gestiegen – ein deutlicher Hinweis auf die anhaltende Belastung."

ista sieht "deutlichen Mehrverbrauch"

Dann die Überraschung: "Wir wissen und bedauern sehr, dass dies für viele Mieterinnen und Mieter eine erhebliche finanzielle Herausforderung darstellt. Gleichzeitig beobachten wir in einzelnen Liegenschaften – wie etwa in der Gymelsdorfergasse 50 in Wiener Neustadt – auch einen deutlichen Mehrverbrauch, der zusätzlich zu den gestiegenen Energiepreisen zu höheren Kosten führt."

Als Abrechnungsdienstleister habe man keinen Einfluss auf die Preisgestaltung: "Wir geben die Kosten unserer Vertragspartner vollständig und transparent an die Nutzer weiter – ohne Aufschläge." Grundlage seien dabei die Rechnungen der Energieversorger:

"Für die Gymelsdorfergasse 50 belief sich der Preis für Wärme laut EVN-Rechnungen 2023 auf rund 14 Cent/kWh, 2024 auf rund 12 Cent/kW, davor lag der Preis bei ca. 6,5 Cent/kWh. Im konkreten Fall der beschriebenen 88 m²-Wohnung ist zudem ein deutlich erhöhter Heizungsverbrauch sowie eine Nachverrechnung der EVN für 2024 ursächlich für die hohen Kosten."

Stadt zeigt sich hilfsbereit

"Heute" fragte auch auch beim Pressesprecher von Bürgermeister Klaus Schneeberger, Thomas Iwanschitz, nach. Aus der Stabsstelle Bürgermeisterbüros heißt es, dass der konkrete Fall nicht bekannt sei: "Bisher sind keine Meldungen bei unserem Bürgeranliegen-Management oder auch direkt beim Bürgermeister eingelangt."

Iwanschitz betont aber: "Die Betroffenen können sich aber sehr gerne unter [email protected] melden, damit wir uns ansehen, ob wir Hilfestellungen geben können." Denn: "Uns sind solche Probleme mit den Ableseunternehmen auch von den stadteigenen Gemeindewohnungen zum Teil bekannt."

"Dies war auch der Grund, warum die Stadt Wiener Neustadt einen Ablesevertrag mit der Firma Techem für ein großes Objekt gekündigt hat und die Verrechnung nun direkt über die Hausverwaltung erfolgt", erklärt der Iwanschitz: "Die Mieterinnen und Mieter hatten das Vertrauen in Techem verloren, weswegen wir als Stadt gehandelt haben." Da es sich beim genannten Wohnbau nicht um ein Objekt der Stadt Wiener Neustadt handle, verfüge man hier auch nicht über konkrete Informationen.

Das Kämpfen geht weiter

"Heute" hat auch der Hausverwaltung HMI Immobilien GmbH eine Anfrage geschickt – diese blieb jedoch bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Verena F. wundert das nicht. Sie hat jetzt seit kurzem einen Rechtsschutz. "Wir werden uns das nicht gefallen lassen", sagt sie: "Viele von uns haben es einfach satt, so behandelt zu werden!"

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 03.09.2025, 11:44, 03.09.2025, 05:15
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