Hauptgrund für Zahnverlust

Zahnärztin warnt vor dieser "stillen Zahnerkrankung"

Es ist nicht der Karies, sondern Parodontitis, die weltweit der häufigste Grund für Zahnverlust ist. "Heute" sprach mit einer Parodontitis-Expertin.
Heute Life
22.05.2025, 19:36
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Man mag glauben, dass Karies der häufigste Grund ist, weshalb wir Zähne verlieren – Irrtum. Tatsächlich ist Parodontitis der häufigste Grund für Zahnverlust weltweit. "Heute" sprach mit Zahnärztin Dr. Corinna Bruckmann von Universitätszahnklinik in Wien. Sie hat sich auf Parodontologie spezialisiert.

Parodontitis (im Volksmund auch Parodontose genannt) ist eine Erkrankung der Strukturen, die den Zahn im Knochen halten. Gemeint ist das Weichgewebe um den Zahn herum. Durch ein Konglomerat an Bakterien, Pilzen und Viren entwickelt sich eine Entzündung am Zahnhalteapparat. Infolgedessen bilden sich tiefe Zahnfleischtaschen, das Zahnfleisch und auch der Knochen bilden zurück – so lange, bis der Zahn den Halt verliert und ausfällt.

Wer hat die besseren Zähne – Männer oder Frauen?

Männer haben oft weniger Wille, zum Zahnarzt und zur Vorsorge zu gehen. Sie pflegen ihre Autos mitunter besser als ihren eignen Körper. Frauen sind in dieser Hinsicht vorbildlicher. Auch in Bezug auf die Parodontitis zeigt sich, dass Männer weltweit die schwereren Fälle aufweisen. Warum? Weil sie erst zum Zahnarzt gehen, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist und weil sie in der Regel ungesünder leben, Stichwort Rauchen.

Welche Risikofaktoren gibt es für Parodontitis?

30 % des Parodontitis-Risikos werden genetisch vererbt, der Rest ist abhängig von der Lebensführung. Z. b. Rauchen, Ernährung, Zahnpflege. Auch wenn man die genetische Disposition hat, kann man sie mit gutem Lebensstil überlisten.

Auch ein Diabetes bzw. ein schlecht eingestellter Diabetes stellt ein Risiko dar. Die Überzuckerung des Körpers beeinflusst die Durchblutung negativ – auch im Bereich des Zahnfleisches. Dadurch kann sich eine chronische Entzündung hochschaukeln. Diabetiker sind in der Regel auch schwerer von Parodontitis betroffen.

Und was viele nicht wissen: Parodontitis ist keine "Alte-Leute-Krankheit". Parodontitis wird oft als Krankheit höheren Alters wahrgenommen, weil man sie da oft schon in einem weit fortgeschrittenem Stadium sieht. Das stimmt aber nicht. Tatsächlich beginnt Parodontitis bereits in jungen Jahren. Im schlimmsten Fall bereits bei Kindern.

„Parodontitis ist keine 'alte-Leute-Krankheit'“
Dr. Corinna BruckmannParodontitis-Expertin

Wie viele Betroffene gibt es in Österreich?

Für Österreich gibt es leider keine gute Statistik. Deshalb orientieren wird uns an Deutschland. Dort hat die Hälfte der Bevölkerung Parodontitis.

Wie bemerke ich, dass ich Parodontitis habe?

Parodontitis ist eine sogenannte "stille Erkrankung", denn sie verursacht keine Schmerzen. Die Taschenbildung ist für Patienten nicht sichtbar, weil sie nach innen gewandt ist. Auch mit der Zunge sind sie nicht spürbar. Wiederkehrendes Zahnfleischbluten kann ein Frühsymptom sein – das ist es aber auch schon. Im Röntgen ist Parodontitis erst sichtbar, wenn sich bereits ein beträchtlicher Teil des Knochens abgebaut hat. Das ist besonders für Schwangere problematisch.

Wieso?

Aus amerikanischen Studien in den 90er Jahren weiß man, dass schwangere Frauen, die Parodontitis haben, ein höheres Risiko für Frühchen haben. In heutiger Zeit, wo Frauen später Kinder bekommen, ist es anzuraten – sofern sie sich schon länger mit einem Kinderwunsch tragen – im Vorfeld die Zahngesundheit abklären lassen.

Was kann der Zahnarzt tun?

Es gibt eine spezielle Untersuchung beim Zahnarzt, die parodontale Grunduntersuchung. Die gibt es in vielen Ländern der Welt im Pflichtkatalog der Krankenkasse und wird bezahlt – in Österreich jedoch nicht. Hinzu kommt, dass diese Untersuchung nicht von allen Zahnärzten von sich aus angeboten wird. Der Patient muss darauf bestehen und die Untersuchung privat zahlen (Richttarif Österreichische Zahnärztekammer: etwa 45 Euro). Die sollte jedes Jahr oder jedes zweite Jahr gemacht werden. Dabei wird der Mundraum mit einer Sonde abgecheckt, ob das Zahnfleisch intakt ist, ob es irgendwo Entzündungsanzeichen gibt oder ob sich schon Taschen gebildet haben.

Wenn ich es nicht behandle, wie lange dauert es bis der Zahn ausfällt?

Das hängt vom Verlauf ab. Es kommt also darauf an, wann ich erkranke und wie der Verlauf ist. Rauchen und ein schlecht eingestellter Diabetes sind die zwei größten Risikofaktoren.
In 95 % der Fälle ist Parodontitis sehr gut behandelbar. 4 bis 5 % haben trotz aller Therapiemaßnahmen und Pflegemaßnahmen einen schicksalhaften Verlauf. Da schlägt dann die Genetik voll durch.

Wie wird behandelt?

Zunächst ist es wichtig, zu erfassen, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Dazu sollte der Allgemeinzustand erhoben werden (mittels Blutbild) und es ist wichtig, die häusliche Mundhygiene zu optimieren. Einmal in 24 Stunden Zähneputzen muss sein. Ziel der Therapie ist die Taschen-Freiheit. Dazu werden die tiefen Zahnfleischtaschen vom Zahnarzt manuell geöffnet und ausgereinigt. In etwa dauert eine solche Therapie 12 Wochen.
Jedoch ist Parodontitis eine chronische Erkrankung und dadurch eine Art "Achillesferse" der Patienten. Das bedeutet, dass sie bei Stress oder seelischer Belastung wieder aufflammen kann.

{title && {title} } red, {title && {title} } 22.05.2025, 19:36
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