Aufgrund des übermäßigen Budgetdefizits beschließen die EU-Finanzminister am Dienstag auf Vorschlag der Europäischen Kommission ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich. Was einige vielleicht nicht wissen: Es ist nicht das erste Mal, dass sich Österreich mit einem solchen konfrontiert sieht.
Das erste Verfahren gegen Österreich begann nach der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 und lief bis 2014 für sechs Jahre. Rechnet man also 2025 mit ein, befindet sich Österreich das siebte Jahr in einem Defizitverfahren.
Defizitverfahren sind keine Seltenheit. Lediglich drei der 27 EU-Länder (Estland, Schweden und Luxemburg) kamen bisher ohne aus. Nur wenige Jahre im Verfahren verweilten Bulgarien (drei Jahre) und Finnland (vier Jahre). Die meisten Jahre im Defizitverfahren verbrachten hingegen Frankreich, Polen und Portugal mit je 14, gefolgt von Malta und Griechenland mit 13 Jahren.
Demnach liefen die Verfahren wegen übermäßigem Defizit in neun Ländern kürzer als in Österreich, in siebzehn allerdings länger. Das durchschnittliche EU-Land verbrachte 8,1 Jahre in Budgetdefizit-Verfahren. Die gesetzliche Möglichkeit für solche Verfahren besteht seit 1997. Im Jahr 2004 wurden die ersten Defizitverfahren gegen EU-Länder ausgesprochen.
Bei Wirtschaftskrisen steigt die Zahl der Länder, die sich in Defizitverfahren befinden. Gut zu beobachten ist dies etwa an der Zeitspanne von 2010 bis 2012. Kurz nach dem enormen Wirtschaftseinbruch durch die Finanzkrise und der darauffolgenden Rezession sowie Stagnation befanden sich 24 von 27 EU-Ländern in einem solchen Verfahren. Erst ab 2013 entspannte sich die Lage.
Von 2017 bis 2019 erlebte Europa einen Wirtschaftsaufschwung. Erstmals nach der Finanzkrise konnte alle EU-Länder im Jahr 2019 ein Wirtschaftswachstum verzeichnen. Dies führte dazu, dass außer Spanien kein EU-Mitgliedsland im Defizitverfahren blieb.
"Wächst die Wirtschaft und steigen die Steuereinnahmen, hat kaum ein Land ein Defizitverfahren am Hals. Strauchelt die private Wirtschaft, hagelt es Verfahren am laufenden Band", fasst etwa der Chefökonom am Momentum Institut, Oliver Picek, die Lage zusammen. Da Österreichs Wirtschaft schlechter da stehe als die anderer Länder, sei es für ihn "kein Wunder", dass man sich jetzt in einem Defizitverfahren wiederfinde.
Picek kritisiert, dass die EU-Finanzminister Österreich mitten im dritten Jahr der Rezession bzw. Stagnation ein Defizitverfahren aufzwingen. Ihm zufolge wäre eigentlich das Gegenteil notwendig. "Ein kranker Patient, wie eine schwächelnde Wirtschaft, braucht Infusionen", betont der Ökonom. Aus Sicht des Momentum Instituts brauche es im Fall einer Wachstumsschwäche Ausnahmen von der EU-Fiskalregeln. Die Regierung müsse mehr Spielraum bekommen, um die Wirtschaft zu beleben. Als Beispiel führt man seitens des Instituts etwa klimafreundliche Infrastrukturinvestitionen an.
Auch die Sparpakete sieht Picek kritisch. Die heimische Wirtschaft habe dadurch mit einem voraussichtlichen Verlust von 0,9 bis 1,2 Prozentpunkten zu rechnen. "Schnüren nun auch unsere Nachbarländer im Rahmen der Fiskalregeln Sparpakete, kostet das Österreich und Europa noch mehr Wachstum. Denn Österreichs Exporte hängen an Europa. Die Arbeitslosigkeit wird dann weiter steigen, der Wirtschaftsaufschwung länger auf sich warten lassen", so die düstere Prognose des Ökonomen.