Er sitzt in seinem Büro im obersten Stockwerk des FPÖ-Klubs, Österreich-Flagge am Revers, und zeichnet ein düsteres Bild fürs Land. "Wir schaffen uns ab", warnt FPÖ-Obmann Herbert Kickl im großen "Heute"-Interview. Er will bei Asyl statt Pensionen sparen und lieber Kanzler als Kärntner Landeschef werden. Bei Grundnahrungsmitteln tritt er für eine Streichung der Mehrwertsteuer ein.
"Heute": Herr Klubobmann, am Freitag jährt sich die Ankunft - vorwiegend syrischer und afghanischer - Flüchtlinge am Westbahnhof zum zehnten Mal. Seither wurden in Österreich rund 450.000 Asylanträge gestellt, die Hälfte davon von Männern. In Anlehnung an Angela Merkels Sager: Wie gut haben wir es geschafft?
Herbert Kickl: Gar nicht gut. Der wahre Kern des Merkel-Satzes ist: Wir schaffen uns ab. Alle anderen Parteien haben es damals zugelassen und unterstützt, dass unser Land regelrecht überrannt wurde. Sie haben die eigene Bevölkerung im Stich gelassen statt geschützt. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Das ist ein sehr drastischer Befund. Die Lebensqualität in Österreich ist im weltweiten Vergleich extrem hoch.
Schauen Sie doch in die Schulen, speziell in Wien, lesen Sie die Kriminalstatistik, gehen Sie in eine Ambulanz oder ein Spital im Ballungsraum, schauen Sie, wer den Großteil der Mindestsicherung kassiert oder wie die islamistische Bedrohung immer größer wird: Überall sehen sie die negativen Folgen. Und das Traurige ist, dass diese Völkerwanderung weiter nur verwaltet und nicht gestoppt wird. Ein Paradebeispiel für Politik gegen den Willen der eigenen Bevölkerung.
„Asyl bedeutet Schutz auf Zeit.“Herbert KicklKlubobmann (FPÖ)
Nach zehn Jahren ist grundsätzlich der Antrag auf eine österreichische Staatsbürgerschaft möglich. Warum wollten Sie das verhindern?
Asyl bedeutet Schutz auf Zeit. Ein positiver Asylbescheid ist daher keine Eintrittskarte für die Staatsbürgerschaft. Zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung darf es keine Vermischung geben. Die Staatsbürgerschaft ist kein Ramschartikel. Und wer die Staatsbürgerschaft schon erhalten hat aber sich an unserer Bevölkerung vergreift, die Demokratie und unsere Werte angreift, von Integration nichts wissen will, dem soll sie wieder aberkannt werden können.
In Wiener Pflichtschulen sind Muslime mittlerweile in der Mehrheit. Sollen das Kreuz in Klassenzimmern und der römisch-katholische Religionsunterricht beibehalten werden?
Österreich ist ein christlich-abendländisches Land und soll es auch bleiben. Diese Tradition gilt es zu verteidigen. Ich erwarte von Menschen, die in unser Land kommen, dass sie diesen Umstand auch akzeptieren. Daher ein doppeltes 'Ja': Ja zu Kreuzen in Klassenzimmern, ja zum römisch-katholischen Religionsunterricht.
„Jeder Euro, den wir für Völkerwanderer zahlen, fehlt, um die Armut im eigenen Land zu bekämpfen.“
Der Kanzler hat die Neuregelung der Sozialhilfe noch für September angekündigt. Er will sich bei den Beträgen "eher nach unten" orientieren - das richtige Signal?
Ich bin gespannt auf den Vorschlag. Aber ich bin mir sicher, dass es wieder was sein wird, wo der Mut dazu fehlt zu sagen: Die Sozialleistungen sind für unsere eigenen Staatsbürger da, die Hilfe brauchen. Sie haben unsere Unterstützung verdient.
Sie bleiben also dabei, Sozialleistungen an die Staatsbürgerschaft koppeln zu wollen?
Jeder Euro, den wir für Völkerwanderer zahlen, fehlt, um die Armut im eigenen Land zu bekämpfen. Das ist nicht gerecht. Wir sind für den Schutz der "Familie Österreich" zuständig.
Dafür stehen die Spitze nder Parlamentsparteien
Darauf wird sich die Regierung mit SPÖ-Sozialministerin Schumann nicht verständigen können. Müssen die Beiträge für Großfamilien - es werden bekanntlich bis zu 9.000 Euro netto ausbezahlt - gedeckelt werden?
Wenn man keine Zuwanderung ins Sozialsystem will, dann muss man Völkerwanderern den Zugang dazu kappen. Dann gibt es solche Fälle nicht mehr. Jeder Asylberechtigte darf bei uns einer Arbeit nachgehen. Die Mindestsicherung kann kein Ersatzeinkommen dafür sein.
Die Teuerung hat in Österreich auf 4,1 Prozent zugelegt und belastet die Bevölkerung massiv. Glauben Sie, lässt sich die Inflation mit dem von der Regierung nun beschlossenen 20-Punkte-Paket 2026 halbieren?
Nein, das reicht niemals aus. Erstens werden weiter nur Symptome behandelt und nirgends die Wurzel des Problems der Teuerung bekämpft und das ist vor allem der Klimakommunismus. Zweitens sind die Impulse für die Wirtschaft viel zu gering, um Wachstum zu erzeugen. Drittens weiß nicht einmal die Regierung, wie sich diese Milliarde zusammensetzt. Und viertens: Selbst wenn es - was nicht so sein wird - eine Halbierung der aktuellen Inflation gäbe, würde der Kanzler sein eigenes Ziel von zwei Prozent auch nicht erreichen.
„Wenn Herr Stocker den Sparstift ansetzen will, dann empfehle ich ihm, dies im Asylbereich zu tun.“
Sind Sie eigentlich für Preis-Eingriffe in den Lebensmittel-Markt?
Als Notmaßnahme und zeitlich begrenzt ja - wir haben das auch in der Zeit der Rekordinflation für Lebensmittel des täglichen Bedarfs gefordert. Es geht aber weniger um einen Deckel, besser ist eine Senkung oder Streichung der Mehrwertsteuer. Warum soll der Finanzminister auch noch von der Not der Menschen profitieren?
Wenn ich ihre Aussendungen richtig verstanden habe, ist Ihre Wirtschafts-Expertin Barbara Kolm hier anderer Meinung …
Ich habe ihre Aussendungen richtig verstanden und sehe hier keinen Widerspruch. Langfristige staatliche Eingriffe in die Wirtschaft lehnen wir beide ab.
Warum eigentlich?
Planwirtschaftlichen Modelle sind im Kommunismus spektakulär gescheitert.
Die Pensionen sollen heuer unter der Inflation erhöht werden. Sie Sie auch der Meinung, dass angesichts klammer Staatskassen alle Ihren Beitrag leisten müssen?
Die Senioren haben unser Land und den Wohlstand aufgebaut, den die Systemparteien gerade zerstören. Und die Zerstörer betrafen jetzt die Pensionisten mit Pensionskürzungen. Das ist schäbig und das Gegenteil von verantwortungsbewusst. Senioren leiden unter der Inflation mehr als andere, sie wurden bereits mit der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und der beinahe Verdoppelung der E-Card-Gebühr zur Kasse gebeten. Sie sind offenbar die Sündenböcke der Regierung.
Das Milliarden-Loch im Budget werden aber auch Sie nicht leugnen können, Herr Kickl. Es muss gespart werden.
Wenn Herr Stocker den Sparstift ansetzen will, dann empfehle ich ihm, dies im Asylbereich und bei den unfassbar hohen Zahlungen an NGOs zu tun. Auch die Milliardenzahlungen zur weiteren Befeuerung des Ukraine-Konflikts über die EU sowie Geldgeschenke an dutzende Länder müssen dringend abgestellt werden. Dann bräuchte man nicht unseren Senioren ihre Pensionen kürzen.
„Ich weiß gar nicht mehr, wann die ÖVP zuletzt die Wahrheit gesagt hat.“
Machen Sie es sich speziell beim Pensionsthema nicht sehr einfach? Die ÖVP beschwört, dass Sie selbst der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge dabei waren …
Die ÖVP lügt. Wir haben das bereits mehrfach dargelegt. Wir wollten das im Gesamtpaket enthaltene Sparziel über Beiträge bei Völkerwanderern generieren, die keinen Beitrag leisten, aber alle Ansprüche haben. Die ÖVP hatte von Anfang an die Pensionisten im Visier.
Herr Kickl, die ÖVP die ja mit Ihnen verhandelt hat, behauptet vehement das Gegenteil und verweist auf Ihre Unterschrift.
Es erstaunt mich immer wieder, wie oft die Unwahrheiten der ÖVP immer noch in den Medien auftauchen. Ich weiß gar nicht mehr, wann die ÖVP zuletzt die Wahrheit gesagt hat. Denken Sie an die Aussagen über das "gesunde Budget" vor der Wahl, in Wahrheit war es ein Riesenloch oder denken Sie an notwendige Verhinderung des Defizitverfahrens, jetzt haben wir eines.
Die Ampel-Koalition kritisiert, dass Sie mit Hunderten Anfragen die Verwaltung lahmlegen würden, etwa zur Corona-Pandemie und NGOs. Übertreiben Sie?
Einmal sind wir faul, dann machen wir zu viel Wind. Die ÖVP muss sich dann einmal entscheiden, was wir jetzt sind. Faktum ist: Das Anfragerecht gibt uns die Gelegenheit Antworten auf Fragen zu bekommen, die von Regierungsseite bisher verweigert wurden. Die Menschen haben kein Verständnis dafür, dass hier obskure NGOs mit Steuergeld durchgefüttert werden, während bei ihnen am Ende des Geldes immer mehr Monat übrigbleibt. Und bei Corona haben wir es seit Jahren mit einem einzigen Mauern der Ministerien zu tun. In diesem Bereich ist großes Unrecht geschehen, das aufgearbeitet werden muss. Das sind wir all den Opfern der falschen Coronapolitik schuldig.
Sie haben es angesprochen: ÖVP und SPÖ nennen die FPÖ "faulste Partei Österreichs". Wie lange waren Sie heuer auf Urlaub?
Wie Sie wissen, ist mein Vater im Sommer nach einer langen schweren Krankheitsphase verstorben. Es war mir wichtig, in dieser Zeit möglichst oft bei ihm sein zu können und auch für meine Mutter da zu sein. Deshalb war ich im Juli öfters in Kärnten und dabei trotzdem immer in engem Kontakt und in Abstimmung mit meinem Team. Ansonsten war ich in der Ferienzeit vierzehn Tage am Berg unterwegs. Zum Vergleich: Der Klubobmann der Regierungspartei ÖVP wird im Herbst, also in der heißen politischen Zeit, zwei Wochen als Angeklagter vor Gericht sitzen. Was ist problematischer?
Niemand will Politikern den Urlaub streichen. Aus Interesse: Sind Sie in Österreich geblieben?
Ich war mit Freunden in den Karnischen Alpen und in den Dolomiten unterwegs - sowohl auf österreichischer als auch auf italienischer Seite.
Die Außenministerin weilte fünf Tage lang beim Europaforum Alpbach. Sie posierte dort in ukrainischer Tracht und erntete Kritik von Ihnen. Können Sie diese öffentliche Unterstützung für das von Russland überfallene Land wirklich in keinster Weise nachvollziehen?
Nein, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Sie ist nicht die Außenministerin der Ukraine, sondern jene des neutralen Österreichs. Dieser Auftritt war ein weiterer Angriff auf unsere Neutralität. Meinl-Reisinger hat sich zu einem echten Sicherheitsrisiko entwickelt.
Worum soll die Außenministerin ein Sicherheitsrisiko darstellen?
Sie jettet durch die Welt - und in ihrem Haus spielen sich derweil Dinge ab, die unglaublich sind. Stichwort "Sadomaso-Botschafter" und Hackerangriffe.
Während Kanzler Stocker Wien als Verhandlungsort für Friedensgespräche ins Spiel bringt, teilte Beate Meinl-Reisinger Fotos mit Ukraine-Flagge. Glauben Sie, würde Putin nach Österreich kommen?
Die Tradition Österreichs als Ort für Friedensgespräche wurde durch den Dilettantismus der Außenministerin, der gesamten Regierung und der Vorgängerkoalition nachhaltig beschädigt. Wer sich zuerst als Ankläger und Richter aufspielt und dann plötzlich neutraler Vermittler sein will, ist nicht ernst zu nehmen.
„Mir geht es nicht darum, irgendwie Kanzler zu sein, sondern die Politik am Willen der eigenen Bevölkerung auszurichten“
In einer aktuellen Umfrage liegen die Freiheitlichen schon bei 35 Prozent. Ihre Stärke oder die Schwäche der anderen?
Die Menschen sehen, dass es nicht besser, sondern immer schlechter wird. Sie wissen, dass es für eine gute Zukunft grundlegende Änderungen braucht bei den großen Fragen: Im Bereich Energie, Asyl, eine echte Neutralitätspolitik, ein Herauslösen aus der EU-Hörigkeit, zuerst auf unsere eigenen Staatsbürger schauen usw. Und für all das steht nur die FPÖ. Deshalb werden wir stärker.
„Mein Ziel bleibt, eine Bundesregierung mit einer ganz starken freiheitlichen Mannschaft anzuführen.“
Sie kritisieren die Ampel beinahe jeden Tag, sind in der Wortwahl nicht gerade zimperlich. Bereuen Sie, dass Sie nicht bereit waren, Kompromisse einzugehen und das Land gestalten zu können?
Ich war und bin durchaus kompromissbereit. Aber wenn das Verhandlungs-Gegenüber grundsätzlich nicht verstehen will, dass der Wählerauftrag Veränderung geheißen hat und nicht "Weiter wie bisher", dann kann man keine ausreichende Gemeinsamkeit herstellen. Ich bedaure, dass es so ist. Mir geht es jedenfalls nicht darum, irgendwie Bundeskanzler zu sein, sondern die Politik am Willen der eigenen Bevölkerung auszurichten. Das ist es, was es braucht. Und wenn das nicht möglich ist mit der ÖVP, dann ist der Kanzlerposten nichts wert. Ich bleibe meinen Grundsätzen und Versprechen treu und den Wählern im Wort.
Wie lange geben Sie der Regierung?
Für das Land ist es das Beste, wenn es heute schon vorbei wäre mit der Verliererampel. Aber Stocker, Babler und Co fürchten Neuwahlen wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb gibt es diese Regierung ja überhaupt, wegen dieser Angst. Ich denke, dass die wirtschaftliche Talfahrt und die Masse an Problemen die Spannungen in der Regierung erhöhen wird.
Also rechnen Sie nicht mit vollen fünf Jahren?
Spätestens, wenn die Abrechnung der Wähler mit diesem falschen Kurs bei den ersten Landtagswahlen in den Bundesländern kommt, kann es die Regierung jederzeit zerreißen.
Im Sommer kursierte das Gerücht, Sie könnten nach Kärnten gehen. Wollen Sie jetzt "Volks-Landeshauptmann" werden?
Mein Ziel bleibt, eine Bundesregierung mit einer ganz starken freiheitlichen Mannschaft als Kanzler anzuführen. Als Regierungschef kann ich dann auch für Kärnten viel Gutes tun. Wir werden aber auch in Kärnten alles daransetzen, die stärkste Kraft zu werden.
Glauben Sie, dass Sie jemals Bundeskanzler der Republik Österreich werden?
Ich kann den Österreichern nur das Angebot machen, zur Verfügung zu stehen, um alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit sie und ihre Kinder gute Jahre statt schlechte vor sich haben. Dafür müssen wir noch stärker werden. Die Entscheidung haben die Wähler in der Hand. Ich habe vollstes Vertrauen zu ihnen.