Den Auftakt bei den ORF-"Sommergesprächen" mit Premieren-Gastgeber Klaus Webhofer machte am 11. August 2025 Grünen-Parteisprecherin und Ex-Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, am 18. August 2025 folgte NEOS-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Von der scharfzüngigen Oppositionspolitikerin zur diplomatischen Ministerin sei es ein Lernprozess und "eine Umstellung, auch für die Familie" gewesen, so die NEOS-Chefin. Regieren, "das können wir, sehr ordentlich, wir liefern auch bei den Reformen, da geht noch mehr", so Meinl-Reisinger, die sich bemühe, trotzdem "gute Zeit" mit der Familie zu verbringen.
"Es steht sehr viel auf dem Spiel" so Meinl-Reisinger zur Außenpolitik, deshalb bemühe sie sich, Österreich möglichst aktiv zu repräsentieren. "Es ist alles aus den Fugen geraten" und es gelte, "unsere Interessen zu vertreten", hieß es. Es brauche Veränderungen und Reformen in Österreich, aber auch Österreich müsse sich an die Veränderungen in der Weltpolitik anpassen. "Nein, überhaupt nicht" fehle es ihr an sozialer Wärme, so die Politikerin dazu, dass ihre Arbeit zwar gut bewertet werde, ihre Bürgernähe aber ausbaufähig sei. Es gebe "von Anfang an" ein Ziel, das laute, Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Österreich zu ermöglichen, hieß es.
"Keine andere Partei setzt sich so sehr ein, dass wirklich jedem Kind in Österreich die Flügel gehoben werden im Bildungssystem", so Meinl-Reisinger. "Das ist eine soziale Errungenschaft." Wenn man an die Integration denke, sei das eine "Schicksalsfrage" für das Land, es brauche eine "Aufholjagd" in der Bildung, so Meinl-Reisinger. Sie kündigte deswegen auch gleich eine "verpflichtende Sommerschule" beziehungsweise "verpflichtende Deutschkurse im Sommer" ab dem kommenden Jahr an. "Für alle Kinder, wir haben viel zu viele außerordentliche Schüler", so Meinl-Reisinger, mit Freiwilligkeit alleine komme man nicht überall "weit genug".
Themenwechsel zum Ukraine-Krieg, wo "sehr viel" bei den aktuell laufenden Gesprächen der USA mit EU und Ukraine auf dem Spiel stehe. "Das geht es nicht nur um die Sicherheit und die territoriale Integrität der Ukraine, es geht auch um unsere eigenen Sicherheitsinteressen in Europa." Der Aggressionskrieg dürfe nicht den Erfolg haben, dass man Grenzen wieder mit Gewalt verschiebe, so die Außenministerin. Russland führe außerdem Krieg mit Energie, "aber auch mit Migrationsströmen". "Völlig außer Frage" stehe, dass nur die Ukraine über Gebiets-Abtretungen diskutieren könne, wichtig sei auch "dass das Töten ein Ende haben muss".
Meinl-Reisinger sprach sich deshalb anders als kurz zuvor US-Präsident Donald Trump für einen Waffenstillstand aus. Sie erinnerte zudem daran, dass es Sicherheitsgarantien und Abkommen bereits gegeben habe, die von Russlands Präsident Wladimir Putin "vom Tisch gewischt" worden seien. Sollten Sicherheitsgarantien eine europäische Truppenentsendung bedeuten, hätte Österreich "eine lange Tradition", an Friedensmissionen teilnehme, so die NEOS-Chefin. "Der Beitrag, den Österreich leistet, wird sehr geschätzt", so Meinl-Reisinger zu den Erfahrungen im Kosovo oder Zypern. Organisationen wie die OSZE können eine Basis sein.
Mit der Frage danach, ob die EU nicht aufhören sollte, abzuwarten, was Trump mache, fühlte sich Meinl-Reisinger bestätigt, denn die NEOS fordern "seit Jahren" eine starke Europäische Union, hieß es. Eine EU, "die nicht nur Spielball ist in diesem geopolitischen Spiel der Mächtigen". In einer Welt, wo nur noch Machtblöcke ihre Interessen durchsetzen würden, "das ist nicht eine Welt, in der ich leben will und in der meine Kinder aufwachsen sollen", so Meinl-Reisinger. Scharfe Kritik setzte es gegen "die FPÖ, die seit Jahren alles dafür tut, dass Europa schwach bleibt", nun aber "in eine Art Jammerei verfallen, dass wir nicht an einem Tisch sitzen".
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Europa sei "nicht machtlos", es sei der größte Wirtschaftsraum und Unterstützer der Ukraine, so die Außenministerin. "Wir können in Europa nicht unsere gesamte Sicherheit nach Washington auslagern, unsere gesamte Energieversorgung nach Moskau und unsere Lieferketten nach Peking", habe sie bereits vor langer Zeit gewarnt. Nach einer "kalten Dusche" müsse man jetzt "die Lehren daraus ziehen". Und es brauche militärische Aufrüstung, hieß es: "Nicht im Sinne, dass wir Kriege führen wollen. Aber Aufrüstung in dem Sinne, dass wir so stark werden, dass es niemand wagt, uns anzugreifen." Europa müsse selbst Sicherheit gewährleisten können.
Weiter zur Zollpolitik des US-Präsidenten: Sei das Abkommen mit der EU fair? "In meinen Augen ist es schlecht, Zölle sind schlecht", so Meinl-Reisinger, es sei eine "Lose-Lose-Situation", in Wahrheit "verlieren beide". Sie sei mit dem Deal nicht glücklich, es sei aber eine gute Erfahrung gewesen, dass die EU mit einer Stimme sprechen könne: "Es ist den USA nicht gelungen, uns zu spalten." Die EU habe "instrumente in der Hinterhand", erklärte die Ministerin, auf der "Haben-Seite" hätten heimische Unternehmen jetzt aber auch "eine gewisse Klarheit". "Unser Wohlstand ist gesichert, wenn wir in der Lage sind, Handel zu betreiben", so die Außenministerin.
Handelsabkommen mit anderen Ländern müssen "fair sein", seien aber sinnvoll, hieß es, vor allem in Zeiten, in denen verlässliche Partner wegbrechen würden. Und der Sparkurs in Österreich? "Wir haben eine schwierige Situation vorgefunden", so die Ministerin, "dafür können wir nichts, aber wir räumen jetzt zamm". Mit Steuergeld ausgeben und Staatsschulden werde man die Krise nicht meistern können, hieß es, sie lasse sich den guten Pfad der Regierung aber nicht kleinreden, so Meinl-Reisinger. Was stimme: man brauche eine "noch stärkere Ambition". Eine Taskforce würde alle Förderungen durchleuchten, um noch Milliarden einzusparen und die Pensionen wolle man sichern, erhöhen, aber die Schulden am "Davongaloppieren" hindern.
"Unser Pensionssystem ist ein gutes System, aber es ist selber schon in der Pension", so Meinl-Reisinger. Eine Möglichkeit sei die Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters: "Ich bin ehrlich, ich spreche auch die unbequemen Wahrheiten an." Inflation, Energiepreise, Lebensmittelpreise – sie sei gegen Preiseingriffe, aber man habe Maßnahmen gesetzt, die "man jetzt noch nicht sieht". Schließlich ging es auch um die Affäre um einen obszönen Blog eines Spitzenbeamten im Außenministerium und um Datenlecks. "Das Ministerium muss über jeden Verdacht erhaben sein", so Meinl-Reisinger, "Feuer am Dach" sei aber nicht der Fall. Abschluss Israel: Österreich stehe an der Seite Israels, sie schaue bei der humanitären Lage im Gazastreifen nicht weg.