Ein Urteil des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen (LGZ) sorgt für Diskussionen in Österreich. Auslöser: Zwei muslimische Männer hatten für den Fall von vertraglichen Streitigkeiten vereinbart, diese von einem Schiedsgericht nach islamischem Recht – also der Scharia – entscheiden zu lassen.
Nach einem solchen Streit hatten sich die Männer an eben dieses Schiedsgericht gewandt. Es "verurteilte" einen der beiden zu einer Strafe in der Höhe von 320.000 Euro. Das wiederum akzeptierte der Betroffene nicht, wandte sich ans LGZ. Dieses hat aber jetzt entschieden, dass der auf Grundlage der Scharia erlassene Schiedsspruch rechtliche Wirksamkeit in Österreich hat.
Seitdem gehen die Wellen hoch. Mit strikter Ablehnung reagierte der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ). Er warnt vor einer Aushöhlung des Rechtsstaates. "Die Scharia ist mit unseren Grundwerten unvereinbar." Der Fall sei "ein weiteres Beispiel dafür, dass unser Rechtssystem und unser Rechtsstaat der schleichenden Vereinnahmung des Islams nichts entgegenzusetzen hat".
„Die Scharia ist mit unseren Grundwerten unvereinbar.“Manfred HaimbuchnerLandeshauptmann-Stellvertreter Oberösterreich (FPÖ)
Dass ein Vertrag auf Basis der Scharia nicht als sittenwidrig gewertet werde, gebe zu denken, so der FPÖ-Grande weiter. "Es ist unbestritten, dass die Scharia auch die Steinigung als gerechte Strafe kennt oder das Schlagen von Frauen toleriert oder gar vorschreibt." Insofern sei die Scharia "nicht mit dem österreichischen Verständnis von Recht zu vereinbaren".
Ähnlich scharf reagierte auch Andreas Bors, Sicherheitssprecher der Freiheitlichen in Niederösterreich: "Es ist ein absoluter Wahnsinn, dass ein österreichisches Gericht nun entschieden hat, dass die Scharia auch in unserem Land Gültigkeit haben soll." Österreich sei ein christlich-abendländisch geprägter Rechtsstaat. "Genau dieser Rechtsstaat darf niemals durch Paralleljustiz oder durch religiöse Rechtssysteme wie die Scharia untergraben werden."
Indes meldete sich auch die Türkische Kulturgemeinde (TKG) per Aussendung zu dem Fall. Durch die Zulassung des islamischen Rechts durch das Landesgericht Wien würden insgesamt 96 Artikel in Verträgen der Europäischen Union verletzt. Immerhin habe der Europäische Menschenrechtsgerichtshof schon 2003 bestätigt, dass das Scharia-System und die daraus resultierende Diskriminierung sowie die Einführung zweier verschiedener Rechtssysteme in Europa verboten sind.
Aus österreichischer Sicht könne die Entscheidung daher "keinesfalls gutgeheißen werden, da sie einen starken Eingriff in die heute säkulare Wirtschaft, morgen dann in die Erzeugungs-, Bedienungs-, Verkaufs- und Servicevorschriften darstellt", so die TKG weiter.
Und die Türken stellen die Frage: "Wieso zieht man bei einer so hohen Summe von 320.000 Euro keinen Anwalt oder Notar hinzu?" Im Vorgehen der beiden Männer sehen die deshalb auch eine Umgehung des Finanzministeriums und einen Steuerbetrug.