Im Alltag vergisst jeder mal etwas, aber erinnert sich später wieder daran. Bei einer beginnenden Demenz (etwa Alzheimer) geht es nicht nur ums Vergessen, sondern um ein tieferes Problem des Erinnerns und Denkens.
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Wenn Erinnerungen verblassen und vertraute Gesichter fremd werden, steckt oft Demenz dahinter. Die Krankheit verändert nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das ihrer Angehörigen. Frühe Anzeichen zu erkennen, kann entscheidend sein. Denn frühzeitige Diagnose und Betreuung können den Verlauf verlangsamen und die Lebensqualität verbessern.
Die bekannteste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Sie führt dazu, dass Nervenzellen im Gehirn nach und nach absterben – insbesondere in den Bereichen, die für Gedächtnis, Sprache, Orientierung und Denken zuständig sind. Typische Anzeichen sind zunehmende Vergesslichkeit, Schwierigkeiten bei Alltagsaufgaben, Orientierungslosigkeit und Veränderungen im Verhalten oder in der Persönlichkeit. Im späteren Verlauf verlieren Betroffene oft die Fähigkeit, selbstständig zu leben. Ursächlich sind Eiweißablagerungen im Gehirn (sogenannte Beta-Amyloide und Tau-Proteine), die die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stören und diese schließlich zerstören. Eine Heilung gibt es bislang nicht, jedoch können Medikamente, Bewegung, geistige Aktivität und soziale Kontakte den Krankheitsverlauf verlangsamen und die Lebensqualität verbessern.
Der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Demenz, insbesondere einer Alzheimer-Demenz, ist das Alter. Überwiegend sind Menschen über 65 Jahre davon betroffen. Mit jedem weiteren Lebensjahr steigt das Risiko an. Hierbei zu berücksichtigen ist, dass Alzheimer zwar überwiegend Personen über 65 Jahre betrifft, es jedoch auch Betroffene unter 65 Jahre (präsenile Demenz) gibt. Für diese Altersklasse fehlen verlässliche Daten.
Dr. Peter Rabins, führender Demenzexperte und Professor an der John Hopkins University, beschäftigt sich seit 40 Jahren mit der Krankheit. Er hat zehn Fragen veröffentlicht, die man sich stellen sollte, wenn man glaubt, an Alzheimer erkrankt zu sein. Denn es gebe Möglichkeiten, zwischen Demenz und Gedächtnisverlust zu unterscheiden.
Vergesslich oder dement?
Normale Vergesslichkeit: Man weiß, dass man etwas vergessen hat – und es fällt einem meist wieder ein.
Demenz: Man merkt oft nicht einmal, dass man etwas vergessen hat – und Erinnerungen kehren auch mit Hinweisen nicht zurück.
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Haben Sie Schwierigkeiten, sich an die Namen enger Freunde oder Familienmitglieder zu erinnern?
Wenn es Ihnen schwerfällt, sich an Wörter oder Namen zu erinnern, kann dies laut Dr. Rabins gegenüber der britischen Zeitung "Telegraph" ein normaler Bestandteil des Alterungsprozesses sein. Genauso wenig bedeutet es unbedingt, dass man an Alzheimer leidet, wenn man im Alter von 30 oder 40 Jahren seine Brille oder seine Schlüssel verlegt. Das Vergessen der Namen von Verwandten, engen Freunden oder wichtigen Ereignissen sei viel besorgniserregender. "Nehmen wir an, Sie haben am nächsten Tag einen Arzttermin und wurden zweimal darüber informiert, oder Sie besuchen am Wochenende eine Hochzeit, über die Sie gesprochen haben, und können sich nicht daran erinnern. Das ist besorgniserregend."
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Fallen Ihnen Dinge schwer, die Ihnen zuvor problemlos gelungen sind?
Wenn Sie plötzlich feststellen, dass Sie Schwierigkeiten haben, mit Geld umzugehen oder zu kochen, obwohl Sie das jahrzehntelang problemlos geschafft haben, warnt Dr. Rabins, dass dies ein Warnsignal sein könnte. Er sagte: "Ich habe Leute gesehen, die 30 oder 40 Jahre lang immer gekocht und mehr im Haushalt getan haben als ihre Ehepartner, und die beschweren sich dann: 'Ich habe das satt.' Doch bei der Untersuchung zeigen sich erkennbare Beeinträchtigungen, die über die üblichen altersbedingten Veränderungen hinausgehen."
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Haben Sie Schwierigkeiten mit organisatorischen Aufgaben wie der Zubereitung einer Mahlzeit oder der Bewirtung von Gästen?
Es ist nicht unbedingt das Gedächtnis, das als Erstes nachlässt, sagte Dr. Rabins, sondern vielmehr etwas, das Neurologen als "exekutive Funktion" bezeichnen – die Fähigkeit des Gehirns, Aufgaben zu bewältigen. "Nehmen wir zum Beispiel das Kochen einer Mahlzeit", sagte er. "Die Person erinnert sich vielleicht noch an die Zutaten und hat eine Vorstellung von allen Schritten, aber wenn es darum geht, die Zutaten in der richtigen Reihenfolge hinzuzufügen, daran zu denken, den Tisch zu decken, den Herd einzuschalten und die Getränke bereitzustellen, klappt das nicht so gut." Für jemanden, der schon immer ein schlechter Koch oder ein chaotischer Gastgeber war, ist das wahrscheinlich kein Grund zur Sorge. Aber wenn diese Symptome neu oder plötzlich auftreten, lohnt es sich, es abklären zu lassen.
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Welche Medikamente nehmen Sie ein?
Bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente können manchmal zu kognitiven Beeinträchtigungen und Verwirrtheit führen. Meist verschwindet die Verwirrtheit, sobald die Dosis reduziert oder das Medikament ganz abgesetzt wird.
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Sind Sie in der Lage, Aufgaben zu erledigen, die Multitasking erfordern?
In Kliniken, in denen Menschen auf Alzheimer getestet werden, beantworten die Patienten mathematische Fragen. Aber nicht, um ihre Rechenfähigkeiten zu testen, sondern um ihre Fähigkeit zu beurteilen, mehrere Dinge gleichzeitig im Kopf zu behalten. "Man muss sich die letzte Zahl merken, dann sieben davon abziehen, und dann die Berechnung durchführen", sagte er. "Wenn jemand es wirklich nicht kann, ist das ein Indiz dafür, dass etwas vor sich geht, was vom normalen Alterungsprozess abweicht."
6
Wie viel Alkohol trinken Sie?
"Im Alter von 70 und 80 Jahren verstoffwechselt der Körper Alkohol deutlich weniger effizient als Jahrzehnte zuvor", so Dr. Rabins. Dies könne zu Benommenheit führen, die von Betroffenen und ihren Angehörigen fälschlicherweise als Anzeichen von Alzheimer gedeutet werden könnte. Die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf den Körper sind genauso ernst zu nehmen wie eine Droge. Der Körper ist mit zunehmendem Alter viel weniger in der Lage, Alkohol abzubauen, wodurch wir schneller betrunken werden. Zuvor hatte er erklärt: "Manchmal trank man abends drei Bier und hatte nie ein Problem damit." Später im Leben könne es "zu viel für den Körper sein", was bedeute, "es ist eigentlich so, als würde man sechs Biere statt drei trinken". Mehr:Auch wenig Alkohol erhöht Demenzrisiko
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Sind Sie mürrischer oder gelassener als sonst?
Persönlichkeitsveränderungen im späteren Lebensabschnitt können leicht als Schwierigkeiten bei der Anpassung an den Ruhestand oder bei der Akzeptanz der Realität des Alters abgetan werden. Aber auch Veränderungen im Gehirn aufgrund der Krankheit können sich in einer veränderten Persönlichkeit ausdrücken. Leider können selbst positive Persönlichkeitsveränderungen ein Anzeichen für Alzheimer sein.
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Machen Sie sich übermäßig Sorgen um Dinge, die Ihnen früher nie Sorgen bereitet haben?
Wenn man sich übermäßig Sorgen um sein Gedächtnis und seine kognitiven Fähigkeiten macht, kann das ebenso ein Warnzeichen für die Krankheit sein. Manche Menschen beginnen unbewusst, sich von der Welt zurückzuziehen. Sie fahren nicht mehr in den Urlaub und stoppen die Pflege ihrer sozialen Kontakte, weil sie befürchten, nicht damit zurechtzukommen oder sich wegen ihrer Gedächtnisprobleme schämen zu müssen.
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Haben sich Ihre Schlafgewohnheiten verändert?
Frühere Studien haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Schlaf und Alzheimer komplex ist. Sie stellten fest, dass jahrelange Schlafstörungen ein frühes Anzeichen für die Erkrankung sein können. Dies kann sich beispielsweise darin äußern, dass man früh aufsteht, morgens länger schläft oder tagsüber ein Nickerchen machen muss. Oder wenn man sich nach dem Schlaf einfach nicht mehr erholt fühlt.
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Haben Sie keine Freude mehr an Aktivitäten, die Ihnen früher Spaß gemacht haben?
Der Verlust der Freude an Dingen, die man früher gern getan hat, ist ein typisches Merkmal von Depressionen, aber kann auch ein Anzeichen für Alzheimer sein. Er hat schon Patienten erlebt, die beschrieben, wie sie plötzlich die Leidenschaft für Dinge verloren, die ihnen einst Freude bereiteten. "Sie machen sich selbst für Dinge verantwortlich, für die sie eigentlich nicht verantwortlich sind, oder sie fangen an, sich selbst abzuwerten", sagte er.
Die österreichische Demenzstrategie "Gut leben mit Demenz" vernetzt seit 2015 Akteurinnen und Akteure im Bereich Demenz. Die Strategie zielt auf ein demenzfreundliches Wien, das Betroffenen und Angehörigen Lebensqualität und Teilhabe ermöglicht. Sie setzt auf frühzeitige Diagnostik, abgestimmte Versorgung, niederschwellige Beratung sowie Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.