Fall Anna-Sophia

Vorsitzender Richter nach Freisprüchen übelst bedroht

Nach den zehn Freisprüchen im Fall Anna-Sophia wird der vorsitzende Richter massiv bedroht und beschimpft. Das Oberlandesgericht wehrt sich nun.
Newsdesk Heute
02.10.2025, 15:15
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Das Urteil des Wiener Landesgerichts im brisanten Missbrauchsfall Anna-Sophia* sorgte am Freitag für Fassungslosigkeit im ganzen Land. Eine Jugendbande soll 2023 über Monate hinweg wiederholt ein damals zwölfjähriges Mädchen in Favoriten sexuell missbraucht zu haben. Alle zehn Angeklagte, heute 16 bis 21 Jahre alt, wurden überraschend freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

"Das Beweisverfahren hat ganz klar zu Freisprüchen geführt", so der vorsitzende Richter. Die Aussagen des Mädchens zu den sexuellen Kontakten mit den Angeklagten vor der Polizei und später im Rahmen einer kontradiktorischen Befragung seien "mit so vielen Widersprüchen" behaftet gewesen, "dass es nicht möglich war, zu einem Schuldspruch zu kommen". Eine Verurteilung sei damit unmöglich gewesen, erläutert er gegenüber der APA.

Teile der Beweisaufnahme geheim

Der Rat rechnete zudem ausführlich mit der medialen Berichterstattung in diesem Fall ab, die er "sehr bedauerlich" nannte und als in Teilen falsch geißelte. Es seien Sachen berichtet bzw. behauptet worden, die sich nicht mit den Ermittlungsergebnissen gedeckt hätten. Das habe sich "zu Ungunsten der Angeklagten und des Opfers" ausgewirkt.

Die Entscheidung des Schöffensenats, bestehend aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern, ist schwer nachzuvollziehen. Vor allem, da das Gericht aufgrund des Opferschutzes keine Details aus maßgeblichen Teilen der Beweisaufnahmen, jene die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, bekanntgeben darf und es somit enormen Raum für Spekulationen gibt.

"Angriffe gegen Richter inakzeptabel"

Die Emotionen schlagen nach dem vermeintlichen "Skandalurteil" jedenfalls hoch und der Volkszorn richtet sich offenbar auch gegen den vorsitzenden Richter. Dieser wird sogar persönlich angefeindet. Das Oberlandesgericht Wien spricht von "Beschimpfungen und Drohungen" gegen den Juristen und dessen Familie.

"Derartige Diffamierungen oder gar persönliche Angriffe gegen den vorsitzenden Richter sind inakzeptabel", stellt OLG-Präsidentin Katharina Lehmayer in einer Medienmitteilung am Donnerstag unmissverständlich klar.

"Gefährdet Vertrauen in Justiz"

Sie nimmt auch Medien in die Pflicht. Es seien "Mutmaßungen, individuelle Spekulationen und persönliche Einschätzungen" in der Berichterstattung und insbesondere in den Sozialen Medien transportiert worden, was die Stimmung noch weiter aufgeheizt habe.

Lehmayer dazu: "Die Justiz misst dem Recht auf freie Meinungsäußerung und kritischem Journalismus größte Bedeutung zu. Falsche Berichterstattung gefährdet jedoch das Vertrauen in die Justiz und damit den Rechtsstaat."

So kam es zum Freispruch

Die Gerichtspräsidentin betonte gleichzeitig, dass die Richter an die Grundsätze der Strafverfahren gebunden seien:

  • Die Staatsanwaltschaft entscheidet im Strafverfahren, welche Vorwürfe gegen welche Tatverdächtigen verfolgt bzw. (bei überwiegender Verurteilungswahrscheinlichkeit) angeklagt werden.
  • Durch den Umfang der Anklage wird das Urteil des Gerichts inhaltlich begrenzt – dieses kann nicht über andere/zusätzliche Sachverhalte erkennen.
  • Im Gegensatz zur Anklage ist der gesetzliche Maßstab für einen Schuldspruch durch das Gericht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (kein vernünftiger Zweifel an der Schuld des oder der Angeklagten).
  • Und: In einem Rechtsstaat sind Richter strikt und ausschließlich an das Gesetz gebunden. "Sie schöpfen ihre Urteile nach sorgfältiger Würdigung ausschließlich auf Basis der in der Hauptverhandlung aufgenommenen Beweise", hält Lehmayer fest.
  • Teile der Beweisaufnahme mussten aus Opferschutzgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die Justiz darf daraus keine Informationen freigeben. "Gerade deshalb können in der öffentlichen Diskussion unrichtige Eindrücke entstehen."
  • Zur Urteilsfindung sagt sie: "Der Schöffensenat hat die Angeklagten nach diesen Grundsätzen für nicht schuldig befunden."

OGH entscheidet

Das Justizministerium hat die Staatsanwaltschaft angewiesen, Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Freisprüche einzulegen. Der Fall Anna-Sophia wandert somit an den Obersten Gerichtshof. Der Ausgang ist ungewiss, fix ist aber etwas anderes: Es wird politische Konsequenzen geben.

Justizministerin Anna Sporrer will nun umgehend das Sexualstrafrecht reformieren und das Zustimmungsprinzip "Nur Ja heißt Ja" gesetzlich verankern.

*Name von der Redaktion geändert.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 02.10.2025, 16:31, 02.10.2025, 15:15
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