Der Fall einer Wiener Krankenpflegerin sorgt für Diskussionen: Während eines längeren Krankenstandes unternahm sie eine mehrwöchige Reise nach Südafrika – mit ausdrücklicher Genehmigung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Ihr damaliger Arbeitgeber, ein Arzt, kritisiert die Praxis der Krankenkassa scharf und spricht von einem strukturellen Problem.
Der Mediziner – er will anonym bleiben – betont, dass er der Pflegerin persönlich keinen Vorwurf mache. "Sie hat alles korrekt beantragt und genehmigt bekommen", sagt der Mediziner, der sich bei "Heute" meldete. "Wenn ich weiß, dass ich so einfach an Urlaub komme und dafür auch noch Urlaubstage spare, dann würde ich das auch sofort machen! Offenbar ist das ja möglich." Ihm stoße die Entscheidung der ÖGK sauer auf.
Die betreffende Mitarbeiterin hatte für die lange geplante Reise nach Südafrika bereits Urlaub beantragt, als sie noch gesund und arbeitsfähig war. Erst später ging sie über mehrere Monate in Langzeit-Krankenstand, der sich später mit ihrem Urlaub überlappte, so ihr Chef. Mittlerweile ist die Frau gekündigt, erzählt der Arzt: "Wir hatten sie ja angestellt, weil wir die Arbeitskraft gebraucht hätten!"
Durch den Fall seiner Mitarbeiterin kam mitten im Pflegenotstand noch mehr Unruhe im Arbeitsteam auf, berichtet der Arzt. "Meine Kolleginnen haben nicht verstanden, wieso die Mitarbeiterin für ein Jahr im Krankenstand sein darf und dabei auch noch den Urlaub wahrnehmen kann, den sie zuvor gesund gebucht hatte. Und alle anderen Krankenschwestern müssen indes weiterarbeiten und können sich die Arbeit der erkrankten Südafrika-Touristin auch noch aufteilen."
Der Arzt fragt sich, wie streng bei der ÖGK geprüft wird, "wenn eine aufwendige Fernreise im Krankenstand erlaubt wird". Als Mediziner kann er sich nicht vorstellen, dass so starke klimatische Veränderungen und Flugzeugstress wirklich beruhigend für den Organismus sein sollen. Eine Genesung fand bis zur Entlassung der Arbeitskraft nicht statt.
Der Arzt legt "Heute" die schriftliche Bewilligung der ÖGK vor, die den Auslandsaufenthalt während des Krankenstandes 2024 erlaubte. Arbeitgeber wie er hätten jedoch kaum Möglichkeiten, solche Entscheidungen zu hinterfragen, kritisiert er. "Wir müssen monatelange Ausfälle organisatorisch abfedern, dürfen aber aus Datenschutzgründen nichts wissen", kritisiert er den undurchsichtigen Ablauf.
Die ÖGK verweist grundsätzlich auf die gesetzliche Regelung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Demnach ist ein Ortswechsel ins Ausland im Krankenstand bewilligungspflichtig, Voraussetzung für eine Genehmigung ist ein (Fach-)Arztbefund mit medizinischer Begründung, Angaben zur Dauer des Aufenthalts sowie zur genauen Adresse. All das ist im Fall jener Krankenschwester rechtens erfolgt, wie die Unterlagen, welche "Heute" vorliegen, zeigen.
Diese Unterlagen müssen beim Medizinischen Dienst der ÖGK eingereicht werden. Eine Bewilligung komme nur dann infrage, wenn die behandelnde Stelle den Ortswechsel befürwortet, eine positive oder zumindest nicht negative Auswirkung auf den Heilungsverlauf zu erwarten ist und die notwendige medizinische Betreuung am Aufenthaltsort gewährleistet bleibt. Jeder Antrag werde "als medizinisch zu prüfender Einzelfall" behandelt, betont die ÖGK.
Für den Arzt bleibt dennoch ein schaler Beigeschmack. Die lange Abwesenheit der Pflegerin habe schließlich zu einer Kündigung geführt, das Team wurde verkleinert. "Die Entlassung war keine Strafe, sondern eine organisatorische Konsequenz", sagt er. Der Fall zeige die Spannungsfelder zwischen Krankenstand, Datenschutz und Arbeitgeberinteressen – und wirft die Frage auf, wie nachvollziehbar solche Entscheidungen für Betriebe tatsächlich sind.