Forscher entsetzt

"Das ist ein Wahnsinn" – Alarm in unseren Alpen

Die Gletscher in den österreichischen Alpen schmelzen in rasantem Tempo. Die schützende Schneedecke ist ungewöhnlich früh im Jahr verschwunden.
Roman Palman
26.07.2025, 10:48
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"Wenn man nachweisen kann, dass der Mensch schuld ist, wird es zu spät sein", hatte Nicole Slupetzkys Vater ihr schon vor 40 Jahren beim gemeinsamen Gletschervermessen prophezeit. Mittlerweile musste die Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins selbst gegenüber dem "Kurier" feststellen: "Es ist nachweisbar, und es ist wohl zu spät". Unsere Eisriesen sind dem Untergang geweiht.

Der aktuelle Bericht des Alpenvereins dokumentiert das Ausmaß des Zerfalls unser Gletscher in allen Details. Der durchschnittliche Längenverlust über alle 90 Gletscher betrug alleine in der vergangenen Beobachtungsperiode Oktober 2023 bis September 2024 Jahr 24,1 Meter.

Den größten Längenverlust gab es laut "Gletschermonitor" am Sexegertenferner in den Ötztaler Alpen. Extreme 227,5 Meter zog sich das Eis hier zurück. Das ist einer der höchsten Einzeljahreswerte in der 134-jährigen Geschichte des Gletschermessdienstes. Minus 1.545 Meter sind es seit dem Jahr 1930.

Größter Verlust droht

Und es kommt noch schlimmer: Heuer stehen alle Zeichen auf einen neuen Negativrekord. Der Winter war zu trocken, die schützende Schneeschicht ist bereits jetzt, Mitte Juli, weitreichend abgeschmolzen. Das Gletschereis liegt somit völlig frei, jegliches Grad Celsius über Null nagt an der Substanz.

Andreas Kellerer-Pirklbauer arbeitet am Institut für Geographie und Raumforschung in Graz.
ÖAV/Peter Neuner-Knabl

"So kennen wir das normalerweise aus dem Herbst, wenn die heiße Zeit vorüber ist", erklärt Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Geografie-Institut der Universität Graz: "Geht das Jahr so weiter, könnte es uns am Ende den größten je registrierten Gletschereisverlust bescheren".

Und weiter: "Am Sonnblick, der für den ganzen Zentralalpenraum repräsentativ ist, war das bisherige Jahr 2025 um 2,1 Grad wärmer als noch in der Normalperiode der Jahre 1991 bis 2020 üblich. Der Juni war sogar um 3,9 Grad wärmer. Dabei war auch diese Normalperiode schon stark erwärmt. Das ist ein Wahnsinn", wird der Gletscherforscher und -vermesser durch die "Kleine Zeitung" zitiert.

Pasterze kann jederzeit "sterben"

So trifft es auch Österreichs bekannteste Gletscherzunge, die Pasterze am Großglockner, hart. Unterhalb von 3.000 Metern hat sie keine Altschneebestände mehr, und auch die Verbindung zu seinem Nährgebiet oberhalb des Hufeisenbruchs ist nur noch ein dünnes Band. Es ist schon so dünn, dass die Pasterze jederzeit "sterben" könnte.

Bricht es ab, gibt es für die Pasterze gar keinen Eisnachschub mehr, erklärt der Glaziologe. Die berühmte Gletscherzunge, Ausflugsziel unzähliger Touristen, wäre dann nur noch Toteis. Bedrückender Nachsatz: "Aber schon heute kommt kaum noch etwas nach, dafür ist die Verbindung bereits zu gering."

Wie schlimm es wirklich wird, hängt ganz von den Temperaturen der kommenden Monate ab.

An eine Umkehrung des Trends ist Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels jedoch nicht zu denken. Dass Österreichs Gletscher in spätestens 40 bis 50 Jahren weitestgehend verschwunden sein werden, dürfte sich kaum noch vermeiden lassen.

Die Gletschervermesser können nur noch das Siechtum der Eiswelten dokumentieren. Wehmütig erinnern sie sich an die letzten Vorstöße "ihrer" Gletscher zurück – auch das ist bei den meisten schon 40 Jahre her.

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 26.07.2025, 12:30, 26.07.2025, 10:48
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