Hans Peter Doskozil ist schon in Weihnachtsstimmung: Gemeinsam mit seiner Ehefrau Julia – sie hat auch sein Büro mit stylishen Pölstern und einer Vase mit Schilf verschönert – wurde der Baum aufgeputzt. "Tradition zu Weihnachten muss schon sein", sagt der SP-Landeshauptmann (55) beim "Heute"-Interview vor seiner letzten Regierungssitzung des Jahres.
Am Vorabend war er mit Landesrat Heinrich Dorner im Wirtshaus schnapsen. Wer gewonnen hat? Das sei doch hoffentlich keine Frage, scherzt Doskozil und lacht. Wie gut das Blatt ist, das SP-Vorsitzender Andreas Babler in der Hand hat? Da wird der rote Grande schon ernster ...
"Heute": Herr Landeshauptmann, hat Ihnen FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk gemacht, indem er seinen Abgang aus der Landespolitik angekündigt hat?
Hans Peter Doskozil: Jeder muss sein Lebensziel immer wieder für sich definieren, wenn Norbert Hofer in die Privatwirtschaft wechselt, ist das seine persönliche Entscheidung. Er war so lange in der Politik, dafür muss man auch Danke sagen und für die Zukunft alles Gute wünschen.
"Heute": Ist es nicht so, dass er im Burgenland Ihr härtester politischer Gegner war? Die FPÖ konnte bei der Landtagswahl mit ihm um über 13 Prozentpunkte zulegen.
Doskozil: Ich habe in meiner Laufbahn niemals auf die politischen "Gegner" geschaut. Wir haben bei der Landtagswahl knapp 47 Prozent gemacht, zeigen Sie mir eine Sozialdemokratie in ganz Europa, die das in den letzten Jahren noch geschafft hat.
"Heute": Wie überall in der Politik stand in den letzten Wochen auch das Budget des Burgenlands im Fokus, die Opposition kritisiert die hohen Schulden. Müssen auch Sie in den kommenden Jahren den Gürtel enger schnallen?
Doskozil: Das Budgetloch, das die letzten ÖVP-Regierungen in Kombination mit einer anhaltenden Rezession und Inflation hinterlassen haben, müssen der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Bevölkerung jetzt ausbaden.
"Heute": Herr Landeshauptmann, ich habe bewusst nach dem Burgenland gefragt.
Doskozil: Natürlich trifft das auch das Burgenland. Daher haben wir mit dem Haushaltsstabilisierungsgesetz eine Schuldenbremse eingezogen, die den Darlehensstand bis 2028 auf 600 Millionen Euro begrenzt. Die Spitalsfinanzierung ist ausgenommen, weil wir im Sinne der Bevölkerung massiv in die Gesundheitsversorgung investieren müssen. Wir mobilisieren zudem über den Athena-Fonds und über ein Rückkaufsangebot von Wohnbaudarlehen, das zuerst den betroffenen Häuslbauern zugute kommt, 750 Millionen Euro, die in Gesundheit, Infrastruktur, Hochwasserschutz fließen – und wir tilgen damit auch Schulden.
"Heute": Die öffentliche Hand finanziert im Burgenland sehr vieles – vom Mindestlohn bis hin zu Anrufsammeltaxis. Wie lange ist Ihre Politik noch finanzierbar?
Doskozil: Das fragt die Opposition jedes Jahr, es ist jedes Jahr dasselbe Schauspiel – dabei sollten sie es mittlerweile schon besser wissen. Wir investieren dort, wo es für die Menschen im Land wichtig und richtig ist, und das geht sich aus. Wo es möglich ist, werden wir den Sparstift ansetzen, aber sicher nicht auf dem Rücken der Bevölkerung.
„Die Gesundheitsversorgung ist kein Privileg, die Burgenländer haben Anspruch auf rasche und hochwertige medizinische Versorgung.“Hans Peter DoskozilLandeshauptmann Burgenland (SP)
"Heute": Sie sind aktuell – wie auch Niederösterreich – im Gastpatientenstreit mit Wien. Wäre es nicht zielführender, eine politische Lösung mit der Hauptstadt zu suchen, statt viele Millionen in den Ausbau des Gesundheitssystems im Burgenland zu stecken.
Doskozil: Was ist mit den Steirern, Kärntnern, Salzburgern und so weiter? Es braucht eine gesamtösterreichische Lösung für eine nachhaltige Finanzierung des Spitalswesens, eine Gesundheitsregion Ost ist zu kurz gedacht. Für die Gastpatienten gibt es wasserdichte Regelungen in Form von 15a-Vereinbarungen und Verträgen, die nicht einseitig in Frage gestellt werden können.
"Heute": Das klingt nicht sehr optimistisch ...
Doskozil: Klar ist, dass wir uns auf die eigenen Füße stellen müssen. Die Gesundheitsversorgung ist kein Privileg, die Burgenländerinnen und Burgenländer haben Anspruch auf rasche und hochwertige medizinische Versorgung. Daher investieren wir ganz massiv in das burgenländische Spitalsangebot, um so viele spitzenmedizinische Leistungen im eigenen Bundesland anbieten zu können und nicht mehr von anderen abhängig zu sein.
"Heute": Die Gesellschaft für Herzchirurgie spricht sich etwa gegen das Herzzentrum in Oberwart aus, das Burgenland würde nicht auf die nötigen Fallzahlen kommen. Sie haben unlängst bereits einen Leiter präsentiert. Warum ist Ihnen die eigene Herzchirurgie derart wichtig?
Doskozil: Weil die Burgenländerinnen und Burgenländer derzeit Wartezeiten von bis zu neun Monaten haben. Zeit, die gesundheitliche Risiken birgt, bis hin zu Lebensgefahr. Der Grund für die Unterversorgung: die Vorgaben sehen ein herzchirurgisches Zentrum pro 800.000 Einwohner vor, mit acht Zentren und einem affiliierten werden ca. 7 Millionen Menschen abgedeckt, das ergibt ein Versorgungsdefizit von über 2 Millionen Menschen. Und Wien und Graz tragen alleine die Versorgung von 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Bevölkerung wächst und wird älter, wir brauchen immer mehr Eingriffe, und die werden wir im Burgenland künftig selbst anbieten. Das bin ich unseren Landsleuten schuldig.
„Für die Schließung von burgenländischen Spitälern bin ich nicht zu haben.“
"Heute": Kann man angesichts der aktuellen Problemstellungen mit Ihnen darüber reden, die Gesundheitsagenden an den Bund abzutreten?
Doskozil: Eine Zentralisierung der Gesundheitskompetenz ist der falsche Weg: Man kann nicht zentral entscheiden, was regional wichtig ist, das würde zwangsläufig einen enormen Rückschritt für die Versorgung unserer Bevölkerung bedeuten.
"Heute": Warum sind Sie in Zeiten knapper Budgets so vehement dagegen, überhaupt darüber nachzudenken?
Doskozil: Weil das im Burgenland mittelfristig auf die Schließung von drei Spitälern hinauslaufen würde – ein Plan, den einige in der ÖVP schon vor Jahren gewälzt haben. Dafür bin ich nicht zu haben.
"Heute": Aber wäre das aber nicht sogar eine Entlastung, wenn Sie sich nicht mehr den Kopf bezüglich der Finanzierung zerbrechen müssten?
Doskozil: Die Finanzierung ist im Burgenland gesichert. Jährlich stecken wir seitens des Landes 200 Millionen Euro zusätzlich alleine in den Betrieb der Kliniken. Würden wir zentralisieren, fällt die Querfinanzierung vom Land weg.
"Heute": Was wär die Konsequenz?
Doskozil: Ein Abbau von Leistungen. Die Bevölkerung hat sich eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung verdient, und das garantieren wir im Burgenland. Diese Verantwortung übernehme ich.
"Heute": Sie arbeiten nun bereits beinahe ein Jahr mit den Grünen im Burgenland zusammen. Wie groß war die Umstellung, nicht mehr alleine regieren zu können?
Doskozil: Die Zusammenarbeit läuft ausgezeichnet. Das war von Beginn an so, wir können gut miteinander reden, diskutieren, Wege finden – weil wir ein gemeinsames Ziel haben: die Lebensqualität der Bevölkerung abzusichern.
„Wir sind in Sicherheitsfragen ein verlässlicher Partner der Bevölkerung!“
"Heute": Sind die Grünen nicht nur ein Mehrheitsbeschaffer im Landtag. Wo sehen Sie die grüne Handschrift?
Doskozil: Wenn Sie das Regierungsprogramm anschauen, wird die Handschrift deutlich: in fast jedem Kapitel ist zum Beispiel der Nachhaltigkeitsgedanke verankert. Es war mir schon bei den Verhandlungen wichtig, die Grünen als Partner auf Augenhöhe im Boot zu haben, nur so lassen sich auch wichtige Projekte für die Bevölkerung umsetzen. Das funktioniert wirklich gut, wir sind immer ehrlich miteinander und sprechen Themen an, um gemeinsam Lösungen zu finden. Im Gegensatz dazu die Opposition: dauerndes Schlechtreden, keine konstruktiven Inputs, das hilft niemandem und das ist auch nicht burgenländisch. Dass zuletzt wieder einmal eine Strafanzeige – konkret von Norbert Hofer – gegen mich im Sand verlaufen ist, wird hoffentlich auch bei vielen in der Opposition Anlass zum Nachdenken sein, ob sich der politische Stil nicht ändern sollte.
"Heute": Mussten Sie bei Ihrer kantigen Positionierung, etwa im Migrationsbereich, Abstriche machen?
Doskozil: Ist es eine kantige Positionierung, wenn man für Asylzentren an den EU-Außengrenzen ist? Ist es kantig, wenn Asylwerber gemeinnützige Arbeit leisten? Rechtsstaatlichkeit, Fairness und Integration trägt unser "grüner" Partner grundsätzlich mit. Wir können im Burgenland den Beweis antreten, dass rot-grüne Politik für Fortschritte im Gesundheits- und Sozialbereich steht, den Klimawandel ernst nimmt, aber gleichzeitig auch in Sicherheitsfragen ein verlässlicher Partner der Bevölkerung ist!
"Heute": Zum Jahreswechsel besteht eine große Unzufriedenheit mit der Regierung im Bund. 60 Prozent der Bevölkerung meinen, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt. Verstehen Sie den Unmut?
Doskozil: Der EU-Vergleich zeigt, die Inflation in Österreich ist höher als im Europadurchschnitt. Es wurden von den letzten Bundesregierungen viele Fehler gemacht, und eine Partei war immer dabei: die ÖVP. Vor allem während Corona wurde ausgabenseitig weit über das Limit gelebt. Jetzt baden wir das aus. Ich verstehe also den Unmut.
„Die Bundesregierung zögert, es kommt in essentiellen Bereichen zu keinen Einigungen. Das wirkt bis zu einem gewissen Grad hilflos.“
"Heute": Bis auf viele Pressekonferenzen passiert wenig, kritisieren sehr viele "Heute"-Leser. Die Inflation hat sich um 0,0 Prozent verbessert. Geht es Ihnen auch zu langsam?
Doskozil: Die Bundesregierung zögert, es kommt in essentiellen Bereichen zu keinen Einigungen. Das wirkt bis zu einem gewissen Grad hilflos, und das spürt die Bevölkerung. Die Gesundheitsversorgung ist nicht abgesichert, diskutiert wird stattdessen über eine Verschiebung der Kompetenzen. Inflation, Teuerung, Pflegenotstand in manchen Regionen, Zwei-Klassen-Medizin – viele Fragen, auf die es konkreter Antworten bedarf. Das alles bei leeren Staatskassen. Gleichzeitig ist es die teuerste Bundesregierung aller Zeiten. Ressorts, Spiegelressorts, Staatssekretäre, jeweils Personalabteilungen, drei Dienste und zwei Spezialeinheiten – und noch dazu eine völlig unverständliche Entscheidung für eine zusätzliche Abfangjäger-Type. Die Politik muss auch bei sich selbst sparen, es braucht eine Strukturreform.
"Heute": Sie kritisieren die ÖVP immer sehr hart. Kommen wir vielleicht auch zu Ihrer eigenen Partei. Wie würden Sie die Performance der SPÖ in dieser Bundesregierung beschreiben?
Doskozil: Es ist nicht leicht, den Scherbenhaufen vergangener ÖVP-Regierungen aufzuräumen. Ich würde dort und da anders vorgehen als die Bundes-SPÖ, ich konzentriere mich aber auf meine Aufgabe als Landeshauptmann, und da gehe ich den burgenländischen Weg.
"Heute": Herr Landeshauptmann, die SPÖ liegt in Umfragen gerade einmal bei 17 Prozent. Muss man da 2026 nicht zwangsläufig auch über personelle Konsequenzen nachdenken?
Doskozil: Ich werde mit Sicherheit keine Personaldiskussion via Medien anzetteln. Der Modus, wie der Spitzenkandidat festgelegt wird, ist geltende Beschlusslage. Das sollte man auch einhalten. Dass die derzeitigen Umfragedaten niemand zufrieden stellen können, dem die Sozialdemokratie ein Herzensanliegen ist, liegt auf der Hand. Aber da sind in erster Linie all jene gefragt, die diesen Weg befördert haben.
„Tradition muss schon sein aus meiner Sicht. Zum Beispiel die Christmette gehört für uns zum Weihnachtsfest einfach dazu.“
"Heute": Wie feiern Sie heuer Weihnachten?
Doskozil: Den 24.12. verbringe ich tagsüber mit Julia, meinen Kindern und meinen Eltern, den Heiligen Abend sind wir zu zweit. Am 25.12. fahren wir nach Deutschland zu Julias Eltern, das hat bei uns so Tradition.
"Heute": Hat Sie die bereits zehnte Kehlkopf-Operation im November nachdenklich gemacht?
Doskozil: Ich bin nach jeder OP vor allem dankbar, weil es mir rasch wieder gut geht. Mittlerweile ist das alles für mich – so strapaziös es punktuell auch ist – zu einer Routine geworden, mit der ich gut umgehen kann. Ich denke da immer an meinen leider viel zu früh verstorbenen Freund Kurt Kuch: Für ihn wäre meine Erkrankung wie ein Lotto-Sechser gewesen.
"Heute": Sie haben selbst unlängst in einem "Heute"-Interview die Verschiebung unserer Werte durch gesellschaftliche Veränderungen seit 2015 festgestellt. Halten Sie im Burgenland dennoch an "Weihnachten wie damals" fest?
Doskozil: Ja, ein bisschen Tradition muss schon sein aus meiner Sicht. Zum Beispiel die Christmette gehört für uns zum Weihnachtsfest einfach dazu.
"Heute": Wie stark ist die Verwurzelung mit der Kirche in Ihrem Bundesland noch?
Doskozil: Meinem Empfinden nach gibt es die Verwurzelung, vielleicht anders als noch vor 30, 40 Jahren. Umso mehr müssen wir, denke ich, die Kirche, die damit verbundenen christlichen Werte auch offensiv leben, weil das am Ende auch unsere Gesellschaft und den Solidaritätsgedanken stärkt.
"Heute": Soll es Ihrer Meinung nach in den Schulen weiter Religionsunterricht, Kreuz und Weihnachtsmessen geben?
Doskozil: Ja. Das ist ein wesentlicher Teil unserer Tradition, unserer Gesellschaft und unserer Identität.
Herr Landeshauptmann, danke für das Interview.