Neue Zölle kommen

Jobs, Wachstum: So trifft Trump-Deal unsere Wirtschaft

Die EU zahlt künftig 15 % Zoll auf US-Exporte. Kostet uns laut Experten 0,1 % Wachstum. Die Folgen sind aber dramatischer – "Heute" hat sich umgehört.
Angela Sellner
28.07.2025, 19:25
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US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen haben am Sonntag im Zollstreit eine Einigung erzielt –"Heute" berichtete. Die Reaktionen auf den "Deal" sind allerdings verhalten. Europa habe sich von Trump ziemlich "über den Tisch ziehen lassen", so der Tenor vieler Experten-Einschätzungen.

Der Zoll-Deal zwischen Trump und der EU

Vereinbart wurde: Trump kassiert von den EU-Staaten künftig Sonderzölle in Höhe von 15 % (statt der zuvor angedrohten 30 %) auf fast alle Importe. Zuletzt – seit dem 9. April – waren es 10 %. Im Automobilbereich waren es bisher 27,5 % – hier sind es künftig auch 15 %, also weniger. Bei Stahl und Aluminium bleibt es vorerst bei 50 % Zoll. Vor Trumps zweitem Amtsantritt lagen die Zölle für EU-Einfuhren bei lediglich nur rund einem Prozent.

Allerdings verzichtet die EU auf Gegenzölle, mit denen sie in den Verhandlungen Druck gemacht hatte. Und sichert dem US-Präsidenten Mega-Investitionen zu. Konkret werde die EU bis zum Ende von Trumps Amtszeit (2028) US-Energie (vor allem Flüssiggas) im Wert von 750 Mrd. Dollar kaufen. Zusätzlich soll es europäische Investitionen in den USA von 600 Mrd. Dollar geben, großteils für Rüstungskäufe.

"Rechtssicherheit geschaffen"

Was bedeutet die Zoll-Einigung für die Wirtschaft der EU und konkret Österreichs? "Heute" hat sich in Politik und Wirtschaft umgehört. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sieht "unsere Kerninteressen gewahrt" und zugleich "wieder Rechtssicherheit für die europäische Wirtschaft und damit auch für Österreich geschaffen". Er sieht aber auch einen "Weckruf für Europa", die EU müsse ihre wirtschaftliche Souveränität ausbauen, Abhängigkeiten reduzieren.

"Die Vereinbarung zwischen den USA und der EU ist und bleibt schmerzhaft sowie eine massive Herausforderung für die Firmen", sagt die österreichische WKO-Wirtschaftsdelegierte in Washington, Irene Lack-Hageneder. Immerhin sei "Schlimmeres verhindert" worden.

Die Fakten zum Handel mit den USA

Fast 4.300 österreichische Unternehmen exportieren Waren in die USA. Das entspricht rund 9 % aller österreichischen Exportfirmen. Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Exportpartner für die österreichische Wirtschaft. Zu den heimischen Exportschlagern in die USA zählten im vergangenen Jahr Maschinen (4,6 Mrd. Euro), pharmazeutische Erzeugnisse (4,5 Mrd. Euro) sowie Kfz (1,6 Mrd. Euro).
Rund 900 österreichische Tochterunternehmen sind in den USA aktiv. Etwa ein Drittel von ihnen produziert vor Ort.

US-Exporte um 13 % eingebrochen

"Schon die Androhung der Zölle sowie die bereits im Frühjahr in Kraft getretenen höheren Sätze haben zu einem deutlichen Rückgang im US-Geschäft geführt", erklärt Lack-Hageneder. In den ersten vier Monaten 2025 sind Österreichs US-Exporte um knapp 13 % im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.

Laut Experten-Einschätzung dürften die 15 % US-Sonderzölle Österreichs Wirtschaftsleistung (BIP) um 0,1 % schmälern. Bei 30 % wären es 0,5 % gewesen. "Das ist nicht nichts, aber auch keine Katastrophe", sagt Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz zu "Heute". Ein größeres Problem sieht er darin, dass die vermeintliche Planungssicherheit mit dem Deal eigentlich nicht einhergehe. Denn: "Wie soll das funktionieren mit den zugesagten EU-Investitionen in den USA? Trump kann dann jederzeit sagen, Europa hätte sich nicht an die Vereinbarungen gehalten und wieder von vorne beginnen mit höheren Zollforderungen", so Lorenz.

„Auch mit dem Deal bleibt die Zollsituation eine Herausforderung für unseren Wirtschaftsstandort.“
Wolfgang HattmannsdorferWirtschaftsminister (ÖVP)

"Zölle sind nie gut für die Wirtschaft", erklärt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). Auch er sagt: "Auch mit dem Deal bleibt die Zollsituation eine Herausforderung für unseren Wirtschaftsstandort." Positiv sei, dass im für Österreich wichtigen Automobilbereich die Zölle von 27,5 auf 15 % reduziert wurden. Diese Branche sichert hierzulande rund 400.000 Arbeitsplätze.

"Unterstützungsmaßnahmen für betroffene Branchen"

"Das ändert nichts an der Tatsache, dass es für Stahl und Aluminium noch keine Einigung gibt. Hier braucht es rasch Klarheit – und wenn diese ausbleibt, gezielte Unterstützungsmaßnahmen für diese Branchen, die ohnehin seit Jahren unter europäischer Überregulierung leiden", so Hattmannsdorfer.

Und die EU müsse "die richtigen Schlüsse aus der aktuellen Situation ziehen": "Die USA waren in den letzten Wochen unberechenbar. Deshalb muss Europa wirtschaftlich resilienter werden, kritische Abhängigkeiten von den USA abbauen und seine Handelsbeziehungen strategisch diversifizieren", macht der Wirtschaftsminister klar. Die EU-Kommission sei gefordert, entsprechende Vorhaben vorzulegen.

„Die Grundsatzeinigung muss, im Lichte neuer Zölle, ein Startpunkt für weitere Verhandlungen über ein Null-Zoll-Ziel und einen neuen Anlauf für ein umfassendes transatlantisches Handelsabkommen sein.“
Christoph NeumayerGeneralsekretär der Industriellenvereinigung

"Nur Verlierer"

Sehr zurückhaltend zeigt sich die Industriellenvereinigung (IV) hinsichtlich der Zoll-Einigung. Ein "größerer Handelskrieg veritablen Ausmaßes" sei zwar abgewendet, insgesamt handele es sich aber um einen "schmerzlichen Kompromiss", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer: "Zölle, gleich welcher Höhe, wirken wie eine Belastung für Betriebe auf beiden Seiten des Atlantiks und kennen nur Verlierer."

Die erzielte Einigung müsse "Startpunkt für weitere Verhandlungen über ein Null-Zoll-Ziel" sein, fordert Neumayer. Auch er appelliert, aus den Erfahrungen dieses Konflikts Lehren zu ziehen und die europäische Handelspolitik noch stärker strategisch und breiter auszurichten. Dazu zählt vor allem der Ausbau von Handelsabkommen – etwa Mercosur, wo die österreichische Regierung ihren Widerstand aufgeben müsse, erklärt Neumayer.

"Erpressung"

Die Grünen sprechen von "Erpressung" und kritisieren, dass die EU gegenüber Trump schlicht "eingeknickt" sei.  "Die EU ist immer noch der größte Wirtschaftsraum der Welt. Das ist leider in diesem Verhandlungsergebnis – sofern man diese Erpressung überhaupt so nennen darf – nicht erkennbar. Auf Druck einzelner Mitgliedsstaaten und der deutschen Autoindustrie stimmt die EU Bedingungen zu, die große Teile der europäischen Industrie schwer treffen", erklärt Jakob Schwarz, Industriesprecher der Grünen.

"Eine wirklich gemeinsame und entschlossene Position der EU und ihrer Mitgliedsstaaten hätte ein stärkeres bzw. ein ausgeglicheneres Ergebnis bringen müssen.", sagt die Grüne Europasprecherin Meri Disoski.

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