"Von einem Liter Milch kann ich nicht leben", sagte Irene Eichinger kürzlich gegenüber den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN). Sie betreibt den letzten Nahversorger in Kritzendorf bei Klosterneuburg. Mehr als 35 Jahre lang sicherte ihr Geschäft die direkte Grundversorgung im Ort – jetzt wird die Liegenschaft zum Kauf angeboten. Eine Nachfolge hat sich bisher nicht gefunden.
Nachdem bereits der Spar in Kritzendorf geschlossen wurde, verschwindet mit Irene Eichingers ADEG-Markt der letzte Lebensmittelmarkt. Im diesbezüglichen Verkaufs-Inserat heißt es, dass durch "den wohlverdienten Ruhestand" nun eine "großzügige Geschäftsfläche in zentraler Lage nahe dem Bahnhof Kritzendorf" auf den Markt kommt. Der veranschlagte Preis für 379 Quadratmeter beträgt aktuell 348.000 Euro.
"Ich muss jetzt auf meine Gesundheit schauen", sagte Eichinger gegenüber den NÖN. Nach insgesamt 22 Jahren im Betrieb, muss sie jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Eichinger hat zunächst als Angestellte angefangen, bis sie schließlich den Lebensmittelmarkt übernommen hat – und mehrere Jahre erfolgreich führte.
Wirklich einfach sei das nie gewesen, aber zuletzt war es noch schwerer stemmbar: "Die Leute schätzen die Nahversorgung zu wenig", sagt Eichinger. Gleichzeitig schwingt bei ihr auch Bedauern mit: "Es gibt schon viele Stammkunden, um die es mir leidtut." Wenn ihre Stammkunden zum letzten Mal über die Türschwelle schreiten, ist aber noch völlig offen, denn derzeit liefen Verhandlungen um den Ausstieg aus den Verträgen. Der Zeitpunkt des endgültigen Geschäfts-Schlusses ist daher noch nicht fixiert.
Längst schlägt das Thema auch politisch Wellen: Wolfgang Haas, Gemeinderat der Plattform Unser Klosterneuburg (PUK), wandte sich direkt an "Heute". Er verweist darauf, dass "das Thema Nahversorgung für viele niederösterreichische Gemeinden" wieder von zentraler Bedeutung sei. "Immer mehr Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels sperren zu, was die lokale Bevölkerung zwingt, längere Wege auf sich zu nehmen, um sich mit dem Notwendigsten zu versorgen", kritisiert Haas.
Haas kündigt an, dass seine Fraktion weiter Druck machen wolle: "In vielen Gemeinden in Niederösterreich übernimmt die Politik eine wichtige aktive Rolle zur Sicherung oder Wiederherstellung der Nahversorgung." Dann kündigt Haas an: "Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass sich auch unser Gemeinderat in Klosterneuburg engagiert und sich nicht damit zufriedengibt, dass das – aus dem zu engen Blickwinkel der direkten gesetzlichen Verpflichtungen – keine Angelegenheit im Wirkungsbereich der Gemeinde sei."
"Heute" hat bei Klosterneuburgs Bürgermeister Christoph Kaufmann (ÖVP) nachgefragt, wie sein Blick auf das Geschehen ist: "Wir leben nach wie vor in einer Marktwirtschaft", stellt der Politiker gleich zu Beginn des Gespräches fest und argumentiert: "Es ist nicht unsere Aufgabe als Gemeinde hier einzugreifen, es ist keine kommunale Aufgabe und wir sind auch keine Immobilienmakler."
"Hier nach dem Staat zu rufen", ist für Kaufmann der falsche Ansatz: "Das wird der Markt regeln", ist sich der ÖVP-Politiker sicher und richtet Gemeinderat Haas aus: "Es steht ja jedem frei, den Markt zu retten, vielleicht will Haas ja selbst übernehmen." Die Gemeinde sei jedenfalls nicht in der Lage dazu.
Zurück in Kritzendorf: Tatsächlich ist die Fortführung der ADEG-Filiale noch nicht ganz vom Tisch, denn: Noch wäre eine Übernahme als Lebensmittelhandel möglich – inklusive Tabak-Trafik samt Lotto. "Das kann durchaus lukrativ sein", kommentiert das Kaufmann. Eine Zeit lang sei im Geschäft außerdem eine Partner-Stelle der Post untergebracht gewesen, auch das könne für einen möglichen Nachfolger eine zusätzliche Einnahmequelle sein.
Die Ortsvorsteherin von Kritzendorf, Ingrid Pollauf, bedauerte gegenüber den NÖN das angekündigte Aus – schließlich verliert Kritzendorf seinen letzten Nahversorger: "Das ist sehr schade, aber verständlich, wenn es um die Gesundheit geht."
Erst kürzlich hat "Heute" von Wiens erstem Mitmach-Markt "MILA" berichtet, der auf annähernd derselben Fläche Lebensmittel zu sehr günstigen Preisen anbietet – teils sind sie bis zu 40 Prozent billiger. Das liegt daran, dass der Markt als Genossenschaft geführt wird. Mitglieder, die im Markt helfen, zahlen weniger für die Produkte.
Es kann nur spekuliert werden, ob so ein Modell im 5000-Einwohner-Ort Kritzendorf funktionieren würde. Verkauft werden sollte das Marktlokal mit oder ohne Übernahme durch einen Nachfolger. Fix ist nur, dass Betreiberin Irene Eichinger aufhören wird.