Überfordert, Patienten leiden

Pflegerin: "Dienstübergabe mit Tränen in den Augen"

Eine Pflegerin im St. Pöltner Klinikum spricht über ihre Arbeitsbedingungen – von Dauerpiepsen, Tinnitus, Stress und Tränen bei der Übergabe.
Victoria Carina  Frühwirth
30.10.2025, 05:15
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Monika V. (Name von der Redaktion geändert) arbeitet in der Abteilung 'Innere Medizin 2' im Uniklinikum St. Pölten. Sie war bereits in der Corona-Pandemie in der Pflegearbeit dabei – und schildert, dass sich das Arbeitspensum seit 2021 spürbar verschärft habe.

Die Patienten seien heute oftmals jünger, der Personalmangel sei fester Bestandteil des Arbeitsalltags. "Es ist nicht mehr auszuhalten", sagt sie im "Heute"-Gespräch.

Besonders die Nächte hätten es in sich: Laut Monika V. sind auf ihrer Station zwei Pflegekräfte für 26 Betten zuständig – und das sei auch noch eine Verbesserung im Vergleich zur Zeit bis vor zweieinhalb Jahren. Die längste Zeit sei nur eine einzige Pflegekraft für den Nachtdienst eingeteilt gewesen – und das ebenfalls für 26 pflegebedürftige Patienten.

Kam es damals zu einem Sturz eines Patienten, musste Hilfe von anderen Stationen oder sogar die innerbetriebliche Feuerwehr anrücken, erzählt Monika im "Heute"-Gespräch. Heute überwachen vier Monitore permanent Vitalwerte in den Patienten-Zimmern. Das entlaste Wege der andauernd umher hetzenden Pflegekräfte, sorge aber für Dauerlärm.

Die Krankenhaus-Pflegerin sagt: "Natürlich bekommt man da Tinnitus. Oft sitze ich abends nach meinem 12-Stunden-Dienst zu Hause auf der Couch und höre noch immer dieses Piepen vom Monitor. Oder ich höre daheim diese Glocke, wenn ein Patient nach mir läutet. Da muss ich mich erinnern, 'Monika, hier kann keine Glocke läuten. Du bist zu Hause!'"

Wenig Zeit für Menschlichkeit

Die Frau betont, sie habe die Pflege gewählt, um Menschen beizustehen, um zu helfen – gerade in Krisenmomenten, etwa kurz nach einer Krebsdiagnose oder am Lebensende. Doch im Alltag bleibe dafür kaum Zeit. "Meine Kolleginnen und ich sind nur mehr leere Hüllen, wir haben nicht einmal Zeit, uns gegenseitig zu fragen, wie es einander geht. Wir kämpfen uns nur durch den Tag, mit dem Ziel, bis zur nächsten Dienst-Übergabe alle Patienten versorgt zu wissen und mit stabilen Werten am Leben zu halten. Mehr ist nicht drin an Pflegeleistung, bei dem Arbeitspensum, das wir haben."

„Ihr seht uns täglich arbeiten, mit Tränen in den Augen. Ihr seht, was für leere Hüllen wir sind. Dann tut auch etwas!“
Monika V.Pflegerin im Uniklinikum St. Pölten

Das gehe an die Substanz: Selbst langjährige Kolleginnen hätten bei Dienst-Übergaben immer öfter Tränen in den Augen. Heuer hätten auf ihrer Station bereits acht Pflegekräfte den Job verlassen, erzählt Monika. Einige davon wechselten in Pflegeheime, wo das Arbeitstempo als erträglicher gilt.

Mangelnde Kommunikation bei Stationssperre

Zusätzlich trifft sie die Situation rund um die "Innere Medizin 2": Wie "Heute" berichtete, ist derzeit auf der 2. Med. Abteilung eine Bettenstation gesperrt. Die restlichen zwei Stationen sind regulär in Betrieb. Die Station ist wegen Personalmangels gesperrt, die Patientenbetten und Pflegekräfte wurden zu anderen Abteilungen verlagert. Monika V. arbeitet selbst in dieser Abteilung. Die Kommunikation habe sie als kurzfristig erlebt, einzelne Mitarbeiter seien erst wenige Tage vor der Stationssperre informiert worden.

Ihren Wunsch formuliert sie klar: "Ich will gesehen und gehört werden. Ich will, dass uns wirklich geholfen wird, und dass unsere Bitten um Unterstützung nicht mit Ausreden weggewischt werden. Es geht im weiteren Sinn um unsere Patienten und damit um die gesamte Bevölkerung. Ich will eine Work-Life-Balance haben, ohne Tinnitus und Weinen zu Hause auf der Couch. Ihr seht uns täglich arbeiten, mit Tränen in den Augen. Ihr seht, was für leere Hüllen wir sind. Dann tut auch etwas!"

Statement der Gesundheitsagentur NÖ

"Heute" fragte bei der Landesgesundheitsagentur NÖ (LGA) nach. Zum Abgang von  Pflegekräften erklärt die LGA: "Die Fluktuation auf der 2. Med (Abteilung 'Innere Medizin 2', Anm.) in der Pflege bewegt sich im Klinikum im Rahmen dessen, was österreichweit derzeit im Gesundheitswesen beobachtet wird. Personalwechsel sind bei einem großen Klinikum, wie das UK St. Pölten, nichts Ungewöhnliches. Wichtig ist uns, dass wir Abgänge zum Anlass nehmen und diese reflektieren und einer laufenden Adaptierung unterziehen."

Zum Betreuungsspiegel in der Nacht hält die LGA fest: "Die nächtliche Besetzung mit zwei Pflegepersonen auf einer Station mit 26 Betten entspricht der organisatorischen und rechtlichen Struktur unseres Klinikums. Dennoch wird auf die individuelle Patientenstruktur und den Pflegebedarf im Einzelfall reagiert."

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Die Landesgesundheitsagentur NÖ antwortet zur "Heute"-Anfrage wegen der Stationssperre: "Die befristete Sperre einer Bettenstation der Abteilung 2.Med wurde in Abstimmung und unter Einbindung der Pflegenden, mit den Stationsleitungen und der Abteilungsleitung fixiert."

Hochaktuelle Thematik

Die Schilderungen von Pflegern in St. Pölten zeigen, mit welchen Problemen Krankenhäuser derzeit zu kämpfen haben. Gerade erst wurde der Fall einer 54-jährigen Patientin aus Oberösterreich publik, die nach einem Riss in der Hauptschlagader gestorben ist. Bei ihrem akuten Notfall Mitte Oktober meldete sich kein einziges Krankenhaus bereit, sie als Patientin zu übernehmen – weil diese selbst mit Akutfällen ausgelastet waren. Es hätte dringend eine Operation gebraucht, für den Versuch, das Leben der zweifachen Mutter zu retten.

Neben Spitälern in Oberösterreich war auch in umliegenden Bundesländern wie Salzburg und Niederösterreich angefragt worden. Auch für das Uniklinikum St. Pölten kam eine Anfrage – auch hier konnte die Frau wegen eines anderen Akutfalles nicht aufgenommen werden.

{title && {title} } VF, {title && {title} } Akt. 30.10.2025, 12:08, 30.10.2025, 05:15
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