Stillen, Depression, Haushalt

"Totgeschwiegen": Warum Wien Mütterpflegerinnen fehlen

Wochenbett neu gedacht. Mütterpflegerin Kim Ismaili erklärt, wobei frischgebackene Mamis nach der Geburt tatsächlich unterstützt werden sollten.
Artiola  Zhabota
20.05.2025, 15:07
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Frischgewordene Mamas werden in allen Abschnitten der Schwangerschaft und der Geburt begleitet, doch wer unterstützt Mütter in der intensivsten Phase, nämlich nach der Geburt? Mütterpflegerinnen können nun eine helfende Hand für Mamis im Wochenbett sein, denn diese kümmern sich um Mama und Kind im vierten Trimester. Wiens erste ausgebildete Mütterpflegerin Kim Ismaili erzählt im "Heute"-Interview, wieso es an der Zeit ist, die Mami, anstatt das Baby, "zu halten".

Was ist eine Mütterpflegerin?

Wenn man an eine Stütze für frischgebackene Mamas denkt, fällt einem in erster Linie die studierte Hebamme ein. Diese sorgt sich aber nur um den Gesundheitszustand von Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt. Neben den Hebammen gibt es auch sogenannte Doulas. Sie stehen dem "Duo" bei allen drei Etappen emotional und körperlich zur Seite und besitzen eine zertifizierte Ausbildung.

Was Mütterpflegerinnen von beiden Berufsgruppen wesentlich unterscheidet, ist, dass sie sich nicht nur um Mama und Kind nach der Geburt kümmern, sondern auch im Haushalt anpacken und andere Familienmitglieder bewusst betreuen.

„Jeder will das Baby halten, aber wer hält die Mutter?“
Kim Ismailizertifizierte Mütterpflegerin aus Wien

Tabuthema "viertes Trimester"

Die Idee, als Mütterpflegerin durchzustarten, kam Ismaili in ihrem ersten Wochenbett. "Es kann nicht sein, dass mir keiner erzählt, was im Wochenbett auf einen zukommt. Das berühmte vierte Trimester wird nirgends erwähnt und oft totgeschwiegen. Sobald das Baby da ist, hat die Mama 'glücklich' zu sein", erläutert die zweifache Mama. In Deutschland hat die Wienerin ihre Ausbildung zur zertifizierten Mütterpflegerin an der Babycoach-Akademie absolviert.

"Jeder will das Baby halten, aber wer hält die Mutter? Denn mit jedem Baby wird eine 'neue' Mama geboren. Dabei ist es egal, ob es das erste oder das vierte ist", erzählt die Wochenbettbegleiterin. Werden die frischen Mamis nicht "gesehen" oder nicht "gehalten", so kann dies psychische Auswirkungen auf ihr gesamtes Leben haben. "Je besser es der Mama geht, desto besser geht es dem Kind", fügt sie hinzu.

Ängste und Sorgen im Wochenbett

Der Prozess rund um die Schwangerschaft, der Geburt und das Wochenbett stellt für viele Frauen eine Herausforderung dar. Aufgrund von Hormonen können sie stark auf externe Einflüsse, wie Stress, Sorgen und Ängste, reagieren. Im schlimmsten Fall können negative Umstände und Belastungen zu einem "Mama"-Burnout oder postpartaler Depression führen. Eine Mütterpflegerin würde hier der neuen Mami unter die Arme greifen und sie vor negativen Einflüssen behüten. Sie steht bereit, die frischgewordenen Mütter zu Arztterminen zu begleiten und hat ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Ängste.

"In erster Linie geht es einer Mama ums Baby. Für viele Frauen ist Stillen ein riesiges Thema. Viele möchten stillen, jedoch ist es für einige mittlerweile zu einem Problem geworden, vor allem wenn Druck herrscht. Auch falsche Erwartungen oder falsche Beratungen können dazu führen, dass sich Mamis unter Druck gesetzt fühlen und dementsprechend Schwierigkeiten haben zu stillen". Die Mütterpflegerin erzählt, dass zu Beginn viele Mamas sich ein Stück selbst verlieren. "Viele haben auch nicht den sofortigen Liebes- oder Bindungsmoment mit ihrem Baby. Bei einigen bannt sich dieser erst nach Wochen an. Mamis trauen sich dann auch nicht darüber zu sprechen, weil man ja 'glücklich' sein sollte. Außerdem haben auch alle Mütter mit dem Schlafmangel zu kämpfen", so Ismaili.

Österreich ist nicht bereit

Der Beruf "Mütterpflegerin" ist in Österreich noch nicht so etabliert, wie in Ländern, wie Deutschland oder den Niederlanden. "Für Österreich wäre es wichtig, dass die heimische Geburtsszene Wind davon bekommt. Alle Gynäkologen, Hebammen oder Spitäler wussten nichts von dem Beruf, was traurig ist, denn Deutschland und Holland sind nicht so weit weg", erzählt Ismaili. Dort übernehmen die Krankenkassen sogar die Kosten und erleichtern neuen Müttern den Zugang zu den Helfern.

"In Österreich handelt es sich hierbei um eine private Leistung und wie wir wissen ist das Geld gerade überall knapp. Es wird lieber der hundertste Body gekauft oder eine Federwiege, die das Baby sanft einschlafen lässt, anstatt dass das Geld in die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mama investiert wird", so die Mütterpflegerin. Sie wünscht sich, dass der Beruf endlich auch in Österreich Fuß fassen kann und Krankenkassen die Kosten übernehmen würden.

{title && {title} } AZ, {title && {title} } Akt. 20.05.2025, 16:57, 20.05.2025, 15:07
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