Ihr 1. Statement nach Urteil

"Traurig und erschüttert" – Anna-Sophia völlig fertig

Der Freispruch im Fall Anna-Sophia sorgt weiter für Diskussionen. Das Opfer selbst kann das Urteil überhaupt nicht verstehen.
André Wilding
03.10.2025, 12:31
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Der Prozess war heftig diskutiert, das Urteil sorgt seit Tagen für Kopfschütteln: Am Freitag, dem 26. September, wurden zehn Jugendliche am Landesgericht Wien freigesprochen. Sie waren angeklagt, die damals zwölfjährige Anna-Sophia (Anm. Name von der Redaktion geändert) sexuell missbraucht zu haben.

Die Entscheidung des Schöffengerichts stieß bei vielen auf Unverständnis - quer durch die Bevölkerung und Politik. Besonders erschütternd: Laut Anklage soll das Mädchen über Monate hinweg von der Gruppe zu sexuellen Handlungen gedrängt worden sein. Das Gericht sah das aber anders und sprach die Jugendlichen frei.

Das Urteil im Fall Anna-Sophia könnte aber noch kippen: Die Staatsanwaltschaft hat auf Weisung des Justizministeriums Nichtigkeitsbeschwerde nämlich eingelegt. Jetzt prüft der Oberste Gerichtshof, ob es formale Fehler im Verfahren gab.

Anna-Sophia ist "sehr traurig"

Und wie geht es Anna-Sophia eigentlich nach dem Urteil? "Sie ist natürlich sehr traurig und erschüttert, dass man ihr nicht glaubt", sagt Anwalt Sascha Flatz zu "Heute". Sie lese aber "zum Glück" keine Zeitungen. Die junge Wienerin geht bereits wieder zur Schule, ist aber mit ihrer Familie umgezogen.

Flatz fordert in "Heute" auch mehr "Rechte für Opfer", die nach einem Urteil häufig nichts mehr machen könnten. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) teilte gegenüber der APA mit, dass sie die "große Betroffenheit und das öffentliche Interesse an diesem Fall gut nachvollziehen" könne. Zudem kündigte sie auch eine Reform des Sexualstrafrechts an. "Eine Maßnahme, die wir umsetzen wollen, ist die Einführung des Zustimmungsprinzips 'Nur Ja heißt Ja'", so Sporrer.

Im Fall Anna-Sophia (Anm. Name von der Redaktion geändert) gelten die Jugendlichen zwar als freigesprochen - doch der Skandal um die Wiener Jugendbande ist noch lange nicht vorbei. Jetzt gibt es nämlich neue, schockierende Vorwürfe: Eine weitere 12-Jährige soll von den Jugendlichen in ein Stiegenhaus am Antonsplatz gelockt und dort zum Oralsex gezwungen worden sein.

Das Mädchen meldete sich nach der Berichterstattung über Anna-Sophia bei den Ermittlungsbehörden. "Ich kann bestätigen, dass es ein weiteres Verfahren mit teils denselben Beschuldigten gibt", erklärte Staatsanwältin Judith Ziska gegenüber der BILD. Laut Bericht soll gegen sieben der zehn Jugendlichen erneut ermittelt werden.

Anwalt Sascha Flatz fordert mehr Rechte für Opfer.
Sabine Hertel

In Treppenhaus gelockt

Wie der Sender "Puls24" berichtet, sei sie nicht nur sexuell missbraucht, sondern auch gemobbt, getreten und mit Wasser bespuckt worden. Besonders perfide: Ein Bild von ihr mit einem nassen T-Shirt wurde im Netz verbreitet - mit der Behauptung, es sei Sperma. Mit den Worten "Ich habe eine Überraschung für dich" sei das Mädchen in ein Treppenhaus am Antonsplatz gelockt und dann zum Oralsex gezwungen worden sein.

Nach Angaben der BILD soll die 12-Jährige den aus Syrien, Bulgarien, Nordmazedonien und der Türkei stammenden Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren ihr junges Alter nicht nur gesagt, sondern ihnen sogar einen Ausweis mit ihrem Alter gezeigt haben. Es soll aber auch Aussagen von Zeugen geben, wonach sie sich älter gemacht habe, heißt es in dem Bericht weiter.

"Die Täter dürften beim zweiten Opfer offensichtlich ähnlich vorgegangen sein wie bei meiner Mandantin. Das unterstreicht ihre Glaubwürdigkeit", bestätigt Sascha Flatz, der Anwalt von Anna-Sophia.

Wie schon im ersten Verfahren fanden Ermittler des Landeskriminalamts belastende Hinweise auf den Smartphones der Jugendlichen. Offenbar war es üblich, Hotelzimmer anzumieten, um dort mit minderjährigen Mädchen - teilweise zu mehreren - intim zu werden. Für die Teenies gilt die Unschuldsvermutung.

"Dreckiger Abschaum"

Nach den Freisprüchen der Jugendbande wurde ein Foto des vorsitzenden Richters gepostet, mit dem Text: "Das ist das Gesicht des Richters. Ich würde meine Kinder lieber nicht in seine Nähe lassen." Auch "dreckiger Abschaum" war zu lesen, heißt es am Freitag im Ö1-Frühjournal. Sogar Morddrohungen gegen den Richter gab es.

Nun meldete sich das Wiener Oberlandesgericht (OLG) zu Wort und verteidigt die Justiz gegen die massive Kritik im Fall. "In einem Rechtsstaat ist die Richterschaft strikt und ausschließlich an das Gesetz gebunden", betont OLG-Präsidentin Lehmayer. Gerichtliche Entscheidungen dürften nicht von öffentlichem Druck, medialen Erwartungen oder persönlichen Wertvorstellungen beeinflusst werden.

Fest steht: Der Fall Anna-Sophia lässt weiter die Wogen im Land hochgehen und sorgt weiterhin für hitzige Debatten.

{title && {title} } wil, {title && {title} } Akt. 03.10.2025, 12:39, 03.10.2025, 12:31
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