"Wenn Frau Rosenkranz ihren Job nicht machen will, dann soll sie es offen sagen" – das richtet Sven Hergovich, der Landesparteivorsitzende der SPÖ, der amtierenden Landesrätin für Arbeit, Tier- und Konsumentenschutz, Susanne Rosenkranz (FPÖ), aus.
Erneut sind im September die Arbeitslosenzahlen gestiegen. Wie das AMS kürzlich meldete, sind alleine in Niederösterreich derzeit über 53.000 Menschen arbeitslos. Vor diesem Hintergrund erklärte Rosenkranz kürzlich, dass die Verantwortung für die Arbeitsmarktkrise ausschließlich bei der Bundespolitik liege – Niederösterreich könne schließlich nicht "die ganze Welt retten".
Für SPÖ-Landesparteivorsitzenden Sven Hergovich ist das ein fatales Signal: "Wer so über seinen eigenen Aufgabenbereich redet, hat das falsche Verständnis von Verantwortung für den niederösterreichischen Arbeitsmarkt."
Gerade in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit im Land weiter steige, sei es unverständlich, "wenn die zuständige Landesrätin sich für unzuständig erklärt, die Hände in den Schoß legt und bei der eigenen Verantwortung nur auf andere zeigt".
Hergovich macht mit einem drastischen Vergleichen klar, warum er die Haltung von Rosenkranz für inakzeptabel hält: "Eine Kfz-Mechanikerin kann nicht einfach sagen, dass sie an der weltweiten Zahl der Unfälle nichts ändern könne und sie deshalb keine Autos mehr repariert. Ein Arzt kann nicht erklären, dass es eben Krankheiten gebe und er deshalb keine Kranken mehr behandelt. Ein Lehrer kann nicht meinen, für die Bildung sei man woanders zuständig und deshalb unterrichte er nicht mehr. In einem normalen Beruf zeigt man Ihnen für so ein Verhalten die Tür."
Dann setzt Hergovich nach: "Die Landesrätin nimmt sich das Privileg heraus, dass für sie andere Regeln gelten. Leider ist das häufig im freiheitlichen Politikverständnis: In Opposition sehr laut fordern – und kaum in Verantwortung, wird kleinlaut gesagt, dass man eh nichts machen könne."
Dann überrascht der SPÖ-Landesparteichef, vormals AMS-Chef in NÖ, mit einem Angebot an die FPÖ-Politikerin: "Ich bin jedenfalls jederzeit bereit, sie zu unterstützen – und dafür zu sorgen, dass Arbeitsmarktpolitik in Niederösterreich wieder ernst genommen wird. Damit die Arbeitslosigkeit in NÖ endlich wieder sinkt." Laut Hergovich habe man in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass man mit Landesmaßnahmen die Arbeitslosigkeit drastisch senken könne.
Tatsächlich fiel Hergovich, in seiner Zeit als AMS-Chef, mit einem kontrovers diskutierten Projekt auf: Eine Job-Garantie sicherte in Gramatneusiedl jedem, der länger als neun Monate arbeitslos war, einen geeigneten Arbeitsplatz zu – als AMS-geförderte Stelle bei einem bestehenden Betrieb der Region oder in einem sozialen Unternehmen des AMS. Für Betroffene bestand kein Zwang, das Angebot anzunehmen.
Forscher der Universität Oxford sahen sich die Auswirkungen des Projekts an und stellten fest, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 60 Prozent gesunken war und die Arbeitslosigkeit in Gramatneusiedl um 20 Prozent abgenommen hatte.
Inspiration für das Projekt fand Hergovich in einer Studie aus der Zwischenkriegszeit. Maria Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel hatten sich 1933 mit der Arbeitslosigkeit in Marienthal, einem Ortsteil von Gramatneusiedl beschäftigt. Die Marienthal-Studie gilt heute als Klassiker der Sozialforschung. 2023 wurde Hergovichs Projekt in Warschau ausgezeichnet.
Im selben Jahr wurde der SPÖ-Politiker bei der Landtagswahl zum Vorsitzenden der SPÖ in Niederösterreich gewählt. Die AMS-Agenden übernahm Sandra Kern (ÖVP). Quasi zeitgleich wurde Susanne Rosenkranz (FPÖ) als Landesräten mit Arbeitsmarkt-Agenden betraut.
Die aktuelle Kritik von Hergovich kommt nicht ohne konkrete Vorschläge. Die SPÖ Niederösterreich fordert jetzt in einem 6-Punkte-Plan folgende Maßnahmen:
Investitionen in Qualifizierung und Weiterbildung, der Ausbau von Ausbildungszentren in Bereichen wie Pflege, IT und Industrie 4.0, ein Beschäftigungspaket für die Industrie, faire Energiepreise für Betriebe, die Stärkung des sozialen Wohnbaus als Jobmotor sowie ein Entlastungspaket für Gemeinden, damit diese wieder investieren und Jobs vor Ort sichern können.
Jetzt müsse rasch gehandelt werden, denn, so Hergovich: "Es geht um die Menschen in unserem Land, die dringend Perspektiven brauchen."
"Ungebremste Inflation, teure Energie, Bürokratie-Dschungel, eine erdrückende Steuer- und Abgabenlast, ungezügelte Massenzuwanderung – all das lähmt unsere Wirtschaft und ist Symbol einer Bundespolitik, die den Wirtschaftsstandort Österreich und somit Arbeitsplätze vernichtet", reagiert der Arbeitsmarktsprecher der FPÖ in Niederösterreich, Jürgen Handler, auf die Kritik an Landesrätin Rosenkranz.
Die SPÖ stelle seit sieben Monaten den Vizekanzler, der lieber am Big Apple Notenblätter verteile, statt sich im eigenen Land um die Probleme der Landsleute zu kümmern, so Handler weiter.
"Die roten Pensionisten-Verräter sollen da nicht Kindesweglegung betreiben, sie sind in der Verlierer-Ampel mittendrin und somit Brandstifter und Brandbeschleuniger für den Niedergang des Wirtschaftsstandortes", zeigt sich Handler empört.
Wenn Hergovich anderen Arbeitsverweigerung unterstelle, während er selbst rein gar nichts zustande bringe, sei das ein "Paradebeispiel für politische Nutzlosigkeit", so Handler: "Zudem unterstreicht Hergovich auch seine Ahnungslosigkeit, indem er Maßnahmen erwähnt, die in die Kompetenz des Bundes fallen."
Demgegenüber heißt es in einem Strategiepapier des Bundesministerium: Das AMS sei eine Körperschaft öffentlichen Rechts, welche 1994 aus der unmittelbaren Bundesverwaltung ausgegliedert wurde (Arbeitsmarktservicegesetz, BGBL. Nr. 313/1994).
Ziel dieser Strukturreform sei es gewesen "die Aufgabengebiete auf die Kernaufgaben der Arbeitsmarktpolitik zu reduzieren, den Ressourceneinsatz zu flexibilisieren, durch Dezentralisierung der Entscheidungskompetenzen effizienter zu agieren […]".
Für jedes der neun Bundesländer ist eine Landesorganisation eingerichtet […], die für alle arbeitsmarktpolitischen Angelegenheiten auf Landesebene, die Steuerung und Budgetplanung und -verteilung sowie die Koordinierung und Unterstützung der regionalen Organisationen im jeweiligen Bundesland zuständig" ist. Dem übergeordnet ist nur noch die Landesregierung.