Harte Spar-Ansage

"Bund muss lernen" – Landes-Chef spricht jetzt Klartext

Der Bund könne sich den Sparkurs von Tirol abschauen, sagt LH Anton Mattle (ÖVP) im "Heute"-Talk. Und: Warum Kanzler Stocker fest im Sattel sitzt.
Nicolas Kubrak
14.12.2025, 06:45
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Brüssel – Wien – Innsbruck. Der Freitag war für Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) ein politischer Marathon.

Direkt aus dem Europäischen Ausschuss der Regionen kommend, besuchte der VP-Chef erstmals die "Heute"-Redaktion in der Wiener City. Zwischen regionalen Themen wie Einheimischentarifen und großen bundespolitischen Fragen – von der Schuldenpolitik über das Kopftuch bis zur Arbeit der Bundesregierung – nahm Mattle im Interview ausführlich Stellung.

Das "Heute"-Interview in voller Länge

"Heute": Herr Mattle, die Skisaison ist bereits im Gange. Hatten Sie schon die Gelegenheit – wie man so schön sagt – "auffe aufn Berg" zu fahren?

Anton Mattle: Ich stamme aus einer Gemeinde, die auf schneesicheren 1.600 Metern liegt. Am letzten Sonntag war ich bereits Skifahren und es hat Spaß gemacht wie eh und je.

Das Mattle-Interview im Video:

Sie kommen ja gerade aus Brüssel zurück, wo Sie sich erneut für Einheimischentarife, z.B. in Skigebieten starkgemacht haben. Wird das Skifahren für die Tiroler Bevölkerung künftig billiger als für deutsche Touristen?

In Europa haben Einheimische vielerorts Ermäßigungen, zum Beispiel für Museen, obwohl es dem EU-Recht eigentlich widerspricht. In Tirol wurden die Einheimischentarife von deutschen Gästen geklagt. Ich glaube, gerade in touristischen Regionen brauchen Einheimische dringend einen Mehrwert. Deswegen kämpfen wir auf EU-Ebene wieder für günstigere Eintritte, die von den Seilbahnern selbst ins Leben gerufen wurden.

Mit 1. Jänner übernehmen den Sitz der LH-Konferenz und es kommen einige Herausforderungen auf Sie zu: Inflation, Gesundheitssystem oder die Verschuldung. Worauf werden Sie besonderes Hauptaugenmerk legen?

Ich möchte die Gedanken und Überlegungen des Landes Tirol mit den anderen Bundesländern teilen. Wir sind das einzige Bundesland, das 2026 und 2027 keine neuen Schulden machen wird. Das war ein Kraftakt, aber was die Tiroler können, das muss auch der Bund können oder lernen. Wir dürfen keine übermäßigen neuen Schulden machen und die nächsten Generationen belasten.

„Wir dürfen keine übermäßigen neuen Schulden machen.“
Anton Mattle (ÖVP)Landeshauptmann von Tirol

Wichtig ist mir zudem die Reformpartnerschaft – hier stecken die Themen Bildung, Entbürokratisierung und das Gesundheitssystem drinnen. Wir dürfen aber nicht glauben, dass die Probleme gelöst werden, wenn wir die Zuständigkeiten von den Ländern zum Bund schieben. Reformen müssen aus Sicht der Bürger gedacht werden.

Anton Mattle ist seit 2022 Landeshauptmann von Tirol.
Sabine Hertel

Was meinen Sie mit "der Bund muss lernen"?

Vor zwei Jahren haben wir in Tirol bereits begonnen, konsequent einen strikten Finanzrahmen einzuhalten. Damit haben wir den Blick in die Zukunft gerichtet und es wäre nicht schlecht, wenn sich der Bund was von uns abschaut.

Unlängst hat Bundeskanzler Christian Stocker betont, dass nach neun Monaten die Zeit des Redens vorbei sei. Wie beurteilen Sie die Performance der Regierung bisher?

Dieses Zitat hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er nach seiner OP wieder genesen und voller Energie ist. Man hat jetzt ein klares Zeichen gesetzt und Pflöcke eingeschlagen. Ich bin sehr froh, dass die Regierung wieder mit einer Stimme spricht und die Richtung nicht aus dem Auge verliert.

Wie fest sitzt der Bundeskanzler im Sattel?

Sehr, sehr fest – in der Partei und in der Koalition. Er ist eine starke Persönlichkeit, die die unterschiedlichsten Interessenslagen der Koalitionspartner zusammenführt und sich schlussendlich um Lösungen bemüht.

Ich frage auch deswegen, weil es Kritik an ihm und der ganzen ÖVP anlässlich der Gehaltserhöhungen in der WKO gab. Wie haben Sie das alles aufgenommen?

Viele Wirtschaftszweige haben mit den Lohnabschlüssen heuer zur Inflationsdämpfung beigetragen. Die ursprünglichen WKO-Gehaltsabschlüsse und Funktionärsentschädigungen in dieser Höhe hätte niemand verstanden. Alle müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die Inflation auf zwei Prozent sinkt – auch Politiker und Interessenvertreter persönlich.

Sollte die Tirolerin Martha Schultz die WKO dauerhaft führen?

Sie hat mir gesagt, dass sie weiterhin hauptsächlich Unternehmerin bleiben möchte. Sie wird die Zeit aber nützen, um die notwendigen Reformen in der Wirtschaftskammer voranzutreiben. Meine Unterstützung hat sie jedenfalls.

Diese Woche wurde im Parlament u.a. das Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 beschlossen. Die Kritik aus muslimischen Kreisen ist groß, die IGGÖ will das Gesetz verfassungsrechtlich prüfen lassen. Ist das Kopftuchverbot eine richtige Maßnahme?

„Meine Mama hat im Alltag auch ein Kopftuch gertragen. Das war damals aber eine andere Situation.“
Anton Mattle (ÖVP)

Wenn ich mich zurückerinnere, hat meine Mama im Alltag auch ein Kopftuch getragen. Das war damals aber eine andere Situation.

Heute wird das Kopftuch manchmal dazu missbraucht, um Freiheiten einzuschränken. Das Verbot ist genau der richtige Beschluss, man muss jungen Mädchen die Freiheit geben, ihre Haare zeigen zu dürfen.

Vor wenigen Tagen wurde der Stabilitätspakt beschlossen. Sie sprechen von einer tragfähigen Lösung, und trotzdem glaubt nur jeder dritte Österreicher an eine erfolgreiche Budgetsanierung. Sind Sie zu optimistisch oder die Österreicher zu pessimistisch?

Natürlich würde ich lieber darüber diskutieren, wie wir mehr Einnahmen lukrieren können, indem die Wirtschaft anspringt, und nicht, wie wir Schulden verteilen. Der Abschluss ist aber eine maßvolle Regelung für alle Beteiligten.

Genau genommen hat es mir viel zu lange gedauert. Man hat vier Runden gebraucht, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Eines der größten Aufregerthemen im Bund bleibt die Sozialhilfe, eine Reform ist erst für 2027 geplant. In Tirol wird kommendes Jahr bereits nachgeschärft, geht es Ihnen vonseiten des Bundes zu langsam?

Wir haben gesehen, dass bei der Sozialhilfe eine Art 'golden plating' betrieben wird. Wir haben das Mindestsicherungsgesetz entsprechend novelliert, damit subsidiär Schutzberechtigte nicht mehr Mindestsicherung, sondern nur mehr die Grundversorgung beziehen. Insgesamt soll die Mindestsicherung nur eine Übergangslösung und kein Dauerzustand sein.

NÖ-Landeshauptfrau Mikl-Leitner sagte im "Heute"-Interview zuletzt: "Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein." Stimmen Sie dem zu?

Der Unterschied zwischen Erwerbseinkommen und Sozialeinkommen muss auf jeden Fall sehr deutlich sein.

Kommen wir nach Tirol zurück, wo Sie seit 2022 mit der SPÖ zusammenarbeiten. Tirol ist damit eines von zwei Bundesländern, wo die sogenannten Großparteien koalieren. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Von Anfang an sehr gut. Wir haben im Koalitionspapier einen klaren Pfad definiert, mit einem starken Fokus auf die Zukunft – etwa bei der Unabhängigkeit bei der Energie. Wir arbeiten mit der SPÖ auf Augenhöhe zusammen.

Bei der Tiroler Bevölkerung kommt der Eindruck scheinbar nicht ganz so rüber. Laut jüngsten Umfragen würde schwarz-rot nur mehr auf knapp über 40 Prozent kommen. Wie erklären Sie sich den Trend?

Bei den Umfragen gibt es sehr große Schwankungsbreiten. Was mich freut: Ich werde als Landeshauptmann von den Tirolerinnen und Tirolern sehr geschätzt. Meine persönlichen Werte sind gut. Jetzt arbeite ich daran, auch meine Partei mitzunehmen.

Streben Sie nach der Landtagswahl 2027 ebenfalls eine ÖVP-SPÖ-Koalition an oder käme für Sie auch die FPÖ infrage?

Es ist noch zu früh, um über mögliche Koalitionspräferenzen zu reden.

Abschließende Frage: Wie werden Sie heuer Weihnachten und Silvester verbringen?

Sehr traditionell. Am Heiligabend im kleinen Familienkreis, am 25. Dezember dann im Großen. Ich habe Enkel mit einem Jahr und eine Mutter mit 91 Jahren. Am Neujahrstag ist der Rahmen dann etwas größer, da man als Landeshauptmann von verschiedensten Menschen Glückwünsche entgegennehmen darf.

Vielen Dank für das Gespräch.

{title && {title} } nico, {title && {title} } 14.12.2025, 06:45
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