Die vor dem Sommer beschlossenen Einschränkungen der Zuverdienstmöglichkeiten von Arbeitslosengeldbeziehern ab 2026 sehen Ausnahmen etwa für ältere Langzeitarbeitslose oder Menschen mit Behindertenstatus vor.
Der Nationalrat stimmte am Freitag einhellig für eine Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, durch die diese Ausnahmeregelungen auf Personen erweitert weden soll, die im Auftrag des Arbeitsmarktservices (AMS) eine längere Umschulung oder Weiterbildung absolvieren. Damit sollen etwa Personen, die im Rahmen einer Pflegeausbildung ein Pflegestipendium beziehen, weiterhin nebenher geringfügig arbeiten können.
Um Ausnahmeregelung geht es auch in einer Gesetzesnovelle, die Anpassungen bei den Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter vorsieht. Diese wurde ebenso einstimmig beschlossen.
Eine breite Mehrheit aus den Stimmen der Koalitionsparteien und den Grünen erhielt ein Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte im Tourismus. Der Fonds soll mit 6,5 Mio. Ꞓ dotiert werden, wobei auch Sonderunterstützungen nach Arbeitsunfällen oder Jobverlust aus Fondsmitteln vorgesehen sind.
Die Ausnahme vom Zuverdienstverbot für Arbeitslose soll für Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer gemäß der von ÖVP, SPÖ und NEOS beantragten Novelle dann gelten, wenn die Schulungsmaßnahme mindestens vier Monate dauert und zumindest 25 Wochenstunden umfasst. Dadurch wollen die Koalitionsparteien nicht nur finanziellen Engpässen Betroffener entgegenwirken, sie erhoffen sich davon auch eine höhere Aus- und Weiterbildungsbereitschaft. Zugleich soll damit die Möglichkeit eröffnet werden, bereits während der Bildungsmaßnahme in fachrelevanten Bereichen erwerbstätig zu sein und praktische Erfahrungen zu sammeln, argumentieren sie. Auch die Teilnahme an Arbeitsstiftungen und am Unternehmensgründungsprogramm sind laut Begründung des Antrags als Umschulungsmaßnahme zu werten.
Im Video: "Unglaubliche Tricks" – AMS-Berater packt jetzt aus
Zu wenig weit geht die Novelle den Grünen, die etwa Ausnahmeregelungen für geringfügig Beschäftigte in den Bereichen Kultur, Lehre oder Wissenschaften vermissen, wie sie unter anderem in der Kurzdebatte am Mittwoch nochmals verdeutlichten. Sie wollten den Regierungsparteien mit einer "Trägerrakete" die Möglichkeit geben, die Novelle zu adaptieren. Dieser Antrag fand jedoch ebenso keine Mehrheit wie ein in der Plenarsitzung eingebrachter gesamtändernder Abänderungsantrag der Grünen mit umfangreichen Ausnahmeregelungen, dem auch die FPÖ zustimmte.
Antragsteller Markus Koza (Grüne) begrüßte die Novelle der Bundesregierung, betonte aber auch im Plenum, dass diese "zu wenig" sei. Das Zuverdienstverbot treffe Menschen, die ohnehin schon unter prekären Bedingungen lebten. Außerdem sei es "reichlich absurd" aus 10 % der Arbeitslosen mit Zuverdienst ein "Problem zu konstruieren".
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sprach von einem "klugen Antrag" der Grünen, der jedoch keinen "Anspruch auf Vollständigkeit" habe. Es gebe viele Gruppen, denen man ermöglichen müsse, "einen Fuß in der Arbeitswelt" zu behalten. Die Bundesregierung fahre über diese "mit dem Rasenmäher drüber", so Belakowitsch. Sozialbetrug gelte es aber "wirkungsvoll zu bekämpfen". Peter Wurm (FPÖ) gab zu bedenken, dass 173.000 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft beim AMS gemeldet seien, während etwa alleinerziehende Mütter "durch den Rost fallen".
Sozial- und Arbeitsministerin Korinna Schumann erklärte die Details der Novelle und unterstrich ebenso wie Dominik Oberhofer (NEOS) und ÖVP-Mandatarin Heike Eder deren Intention, Arbeitslose in stabile Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Leistungsbereitschaft sei entscheidend für die Sicherung des Sozialstaats, sagte Eder.
Die Möglichkeit, sich zum Arbeitslosengeld etwas dazuzuverdienen, um besser "über die Runden zu kommen", sei an sich gut, ergänzte Andreas Haitzer (SPÖ). Diese Möglichkeit werde in der Realität aber oftmals ausgenutzt. Wenn über das Arbeitslosengeld die "Bequemlichkeit" einiger finanziert werde, sei das ein "unhaltbarer Zustand", der nun zurechtgerückt werde. Trotzdem seien Ausnahmen notwendig, wie sowohl Haitzer als auch Josef Muchitsch (SPÖ) betonten. Der Bundesregierung sei bewusst, dass es auch nach der Novelle noch viele "Begehrlichkeiten" gebe, über die weitere Gespräche geführt würden, erklärte Muchitsch.
Im Video: AMS-Chef Kopf im "Heute"-Talk
Die Beschränkungen bei den Zuverdienstmöglichkeiten seien "wichtig und vernünftig", sagte auch Fiona Fiedler (NEOS). Notwendig sei es aber, Ausbildungen gerade in Berufsfeldern mit starkem Fachkräftemangel attraktiver zu gestalten. So sei es bereits in der Pflegeausbildung wichtig, parallel den Umgang mit Patientinnen und Patienten in der Praxis zu erlernen, was durch die Ausnahmeregelungen nun ermöglicht werde.
Im Jahr 2021 sind die Kündigungsfristen von Arbeitern an jene der Angestellten angeglichen worden. Für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, können per Kollektivvertrag jedoch abweichende Regelungen festgelegt werden. In der Praxis kam es allerdings des Öfteren zu Auslegungsproblemen, welche Branchen unter diese Ausnahmebestimmung fallen und ob für deren Inanspruchnahme neue Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Sozialpartnern notwendig sind.
Eine von der Regierung vorgelegte Gesetzesnovelle soll nun festlegen, dass ausschließlich Branchen von den im ABGB verankerten allgemeinen Kündigungsfristen ausgenommen sein sollen, für die zwischen dem 1. Jänner 2018 und dem 30. Juni 2025 entsprechende kollektivvertragliche Regelungen vereinbart wurden. Ältere kollektivvertragliche Vereinbarungen werden damit automatisch hinfällig. Gleichzeitig entfällt die Vorgabe, dass es sich um Saisonbranchen handeln muss. Neu ist außerdem, dass per Kollektivvertrag festgelegte Kündigungsfristen eine Woche (in der Land- und Forstwirtschaft zwei Wochen) nicht unterschreiten dürfen. Mit einem von den Koalitionsparteien im Sozialausschuss eingebrachten Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage soll in Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie ein besserer Kündigungsschutz für Beschäftigte verankert weden, die sich gegen eine Bezahlung unter dem Kollektivvertrag zur Wehr setzen.
Zudem sollen ab Juli 2026 die jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger für die Einhebung jener Beiträge zuständig sein, die Unternehmen im Bereich des Reinigungs- und Bewachungsgewerbes laut Kollektivvertrag an einen Sozialfonds zu leisten haben. Diese Fonds sollen - ähnlich wie im Bereich der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter - dazu dienen, den Beschäftigten Weiterbildung zu ermöglichen bzw. zu ihrer sozialen Absicherung beizutragen.
Im Plenum ging Arbeitsministerin Schumann auf die Details der Novelle ein und sprach wie Fiona Fiedler (NEOS) von einer "längst überfälligen" Gesetzesinitiative. Auch Norbert Sieber (ÖVP) unterstützte diese "von ganzem Herzen". Michael Seemayer (SPÖ) erinnerte daran, dass es vor der Gleichstellung der Kündigungsfristen möglich gewesen sei, Arbeiterinnen und Arbeiter mit einer Frist von nur einem Tag zu kündigen. Diese Gleichstellung hätten FPÖ und SPÖ 2017 im "koalitionsfreien Raum" auf einem "mühsamen Weg" durchgesetzt, erklärte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Ihre Fraktion habe der Novelle im Ausschuss nicht zugestimmt, aufgrund der "Unart" der Koalitionsparteien, Abänderungsanträge sehr kurzfristig einzubringen. Im Nationalratsplenum stimme man jedoch nun zu, so Belakowitsch.