Kurs-Teilnehmerin erzählt

Jugendliche mit Gucci-Taschen: "Zahlt eh alles AMS"

Nach den Aufreger-Storys rund um AMS-Kurse melden sich bei "Heute" immer mehr Betroffene – nun teilt eine junge Mutter (25) ihre Erfahrungen.
André Wilding
27.08.2025, 15:01
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Nach dem Fall einer Wienerin, die sich mit AMS-Geld einen Jamaika-Aufenthalt gönnte, meldeten sich zahlreiche Leser bei "Heute", um über ihre Erfahrungen mit dem Arbeitsmarktservice zu sprechen – darunter etwa Helga (Anm. Name geändert), die ganz offen sagte: "Mich haben sie vom AMS mit 61 Jahren in einen Englischkurs gesteckt. Die Beraterin hat gesagt, vielleicht fliege ich ja mal nach London in Urlaub."

Besonders sauer stößt ihr dabei auf, dass viele Teilnehmer kaum Deutsch sprechen konnten. "Eine Türkin sagte nur 'Nix verstehen' – obwohl sie seit 30 Jahren in Österreich lebt." Und: Während andere Sozial- und Kulturpässe bekamen, ging Helga leer aus. Grund: geerbter Schmuck im Wert von knapp 14.000 Euro. "Davon zahle ich jetzt Miete und Essen. Wenn alles weg ist, darf ich Mindestsicherung beantragen."

"Deppen der Nation"

In anderen AMS-Kursen ähnliches Bild: "Da war eine Frau, deren Mann hat sie vom Kurs abgeholt und die sind jeden zweiten Tag in ein Wiener Luxus-Hotel am Ring Kaffee trinken gegangen. Die war total arrogant und hochnäsig", erzählt Helga, die sich auch über die Politik in Wien ärgert: "Es wird zwar immer gesagt, dass alle gleich sind, in Wirklichkeit sind aber die Österreicher die Deppen der Nation."

"Heute" fragte beim Arbeitsmarktservice nach, ob dem AMS solche Fälle bekannt sind und was man im Falle von Beschwerden machen könne. "In jedem Bundesland sind AMS-Ombudsstellen eingerichtet, die für Beschwerden oder sonstige Anliegen von Kunden da sind", teilte das AMS in einer Stellungnahme mit. Nach dem Bericht über Helga und ihre Erfahrungen meldeten sich dann weitere Bezieher, die ihre Erlebnisse in Kursen teilen möchte – wie eine junge Mutter aus Niederösterreich.

Extrem schwer, etwas zu finden"

"Ich bin 25 Jahre alt, alleinerziehend mit einem kleinen Sohn und wohne seit mehreren Jahren im Waldviertel. Ab meinen 14 Lebensjahr bis zur Geburt meines Sohnes war ich immer beschäftigt – teils hatte ich sogar zwei oder drei Arbeiten gleichzeitig. Doch seit wir im Waldviertel wohnen, bin ich großteils arbeitslos, da man hier als Alleinerziehende extrem schwer, etwas findet", erzählt Anita (Anm. Name geändert) gegenüber "Heute". In dieser Zeit war die junge Mutter in drei AMS-Kursen und "ich dachte, dass die mir helfen könnten, etwas zu finden."

Doch das stellte sich als äußerst schwierig heraus. "Der erste Kurs war in der Frauenberatung, alle Teilnehmer waren Ausländer, die kaum Deutsch sprachen - um Arbeitssuche ging es hier kaum. Der zweite Kurs war im Wifi - mit Abstand der schlimmste überhaupt! Alle Teilnehmer waren zwischen 16 und 20 Jahre alt, teilweise vorbestrafte Jugendliche, die kaum Deutsch sprechen konnten", erzählt die 25-Jährige weiter. In den Pausen sei in einer Raucherecke dabei sogar mit Drogen gedealt worden.

Im Video: "Unglaubliche Tricks" – AMS-Berater packt jetzt aus

Gucci-Taschen, Marken-Schuhe

"Als ich das einem Trainer mitteilte, meinte er, dass wir später darüber sprechen, doch er sprach nie mehr darüber. Den Teenies ist überhaupt nichts passiert." Die junge Mutter erinnert sich zudem auch an Jugendliche mit Gucci-Taschen und teuren Marken-Schuhen. "Sie haben ganz stolz herumerzählt, dass ihnen das AMS all diesen Luxus ermöglicht." Arbeitslose, die Maler gelernt haben, hätten zudem herumerzählt, dass sie "am Wochenende viel pfuschen und dadurch mehrere tausend Euro verdienen."

Und auch der dritte Kurs bei einer Frauenberatung sei nicht wirklich hilfreich gewesen. "Hier war auch nichts mit Jobsuche und Unterstützung. Stattdessen machte man Yoga oder Selbsthilfe-Tests, aber nichts, was mit einer Arbeit zu tun hat", so die Mutter eines Kindes. Eine Trainerin meinte zu ihr gar, sie sei ein "schlechtes Vorbild", weil sie arbeitslos ist und keine Hilfe bekommt. "Das hatte zur Folge, dass ich psychisch dermaßen am Ende war, dass ich depressiv wurde."

Die junge Mutter habe früher auch das FSJ (Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste) gemacht und wollte nun wieder in den Beruf als Pflegerin einsteigen. "Doch man meinte zu mir, dass ich das sowieso nicht schaffe. Und das, obwohl überall dringend Pflegekräfte gesucht werden", schüttelt die 25-Jährige den Kopf. Anschließend sei sie bei einem anderen Verein gewesen, "in der Hoffnung, dass der mir helfen könnte. Doch leider ging die Kinderbetreuung nicht mehr, wodurch ich in den Krankenstand gehen musste."

"Man hat es nicht leicht"

"Ich habe mit den zuständigen Leuten dort gesprochen und gesagt, dass die Kinderbetreuung vorerst nicht möglich sei. Da wurde mir gleich vorgeworfen, wie ich es denn dann mit der Arbeit einmal mache. Nachdem ich ihnen mitgeteilt habe, dass ich, sobald mein Führerschein fertig ist, Zeitungen austragen gehe – da dies die einzige Arbeit ist, was mit Kind kompatibel ist – wurde mir sofort vorgeworfen, ich sei eine Rabenmutter. Es sei verantwortungslos und mir wurde ein schlechtes Gewissen gemacht, womit ich lange gekämpft habe."

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Wurde dir eine Beihilfe gestrichen? Hast du eine AMS-Story zu erzählen? Kannst du dir das Leben kaum mehr leisten? Ist dir gerade etwas besonders Trauriges, Witziges oder Erstaunliches geschehen? Bewegt dich ein anderes Thema? Bist du der Meinung, dass deine Geschichte erzählt werden sollte? Dann melde dich bei uns unter [email protected]. Denn deine Story ist uns wichtig!Mail an uns

Und weiter: "Nun soll ich wieder dorthin und muss außerdem Bewerbungen an Arbeiten schreiben, die mit Kind absolut nicht möglich sind, doch denen ist es egal. Jetzt werde ich auch noch gesperrt, obwohl ich die Arbeiten nie machen könnte. Als Alleinerziehende hat man es oft wirklich nicht leicht."

Leser Jakob (Anm. Name geändert) erzählt gegenüber "Heute" ebenfalls seine Story und möchte von Beginn an festhalten: "Es ist nicht immer das AMS schuld!" Er habe noch nie Schwierigkeiten mit dem Arbeitsmarktservice gehabt. Jakob sieht das Problem auch nicht beim AMS ("Natürlich gibt es Schwachstellen"), sondern in der Politik – die müsse laut Jakob nämlich eingreifen und etwas ändern.

Im Video: Bundeskanzler Stocker im "Heute"-Talk

Sozialsystem für jene, "die Hilfe wirklich brauchen"

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat im "Heute"-Talk bereits klargestellt: "Ich bin auf der Seite jener, die nicht können – und nicht auf der, die nicht wollen. Menschen, die unser System ausnützen, gefährden es für jene, die es benötigen." Seine Haltung ist deutlich: Ein Sozialsystem für jene, "die Hilfe wirklich brauchen" – mit dem klaren Ziel, "Menschen schnell wieder dazu zu bringen, ihr Leben eigenverantwortlich gestalten zu können".

Parallel will die Regierung ab Herbst die Sozialhilfe reformieren: "Wir haben die Thematik im Regierungsprogramm relativ genau abgebildet. Ich stehe dazu, die Koalitionspartner auch. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass die Sozialhilfe vereinheitlicht wird."

{title && {title} } wil, {title && {title} } Akt. 27.08.2025, 15:24, 27.08.2025, 15:01
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