Schnupfen, Husten, Heiserkeit – dann heißt es oft: "Bloß keine Milch!" Viele meinen, dass Milch bei Erkältung die Atemwege verschleimen soll, doch Forschende können diesen Effekt nicht bestätigen – sogar das Gegenteil ist der Fall.
Der Mythos, dass Milchtrinken zu einer vermehrten Verschleimung bei Atemwegsinfekten führt, ist weit verbreitet, wie Hals-Nasen-Ohren-Arzt Michael Deeg gegenüber "Stern" sagt. "Es ist allerdings ein uralter Mythos. Es lässt sich weder durch Experimente noch durch die Inhaltsstoffe der Milch erklären, wie sie zu einer verstärkten Verschleimung führen sollte", so der Arzt. Es sei außerdem unmöglich, dass Milch einen Effekt auf die tieferen Atemwege wie die Bronchien habe.
Woher stammt der Mythos?
"Der Mythos könnte aus dem Mittelalter stammen", sagt Michal Deeg, Arzt, zu "Stern". "Damals gab es die sogenannte Säftetheorie. Jeder Körper enthält demnach Säfte: Blut, Galle und Schleim. Hatte ein Mensch eine Krankheit, dachte man, es läge an einem Ungleichgewicht dieser Säfte." Deeg könne sich vorstellen, dass die Menschen damals gedacht hätten, dass Milch den Schleim einer Erkältung verstärken könnte – und dass damit der Irrglaube entstand – der sich bis heute hält.
Studienergebnisse zeigen, dass die Schleimproduktion in Hals und Rachen nach dem Konsum von Milchprodukten nicht ansteigt - und auch nicht bei einer Erkältung. Eine australische Studie kam aber zu spannenden Ergebnissen: Erkältete Probanden erhielten sowohl Kuhmilch als auch ein Placebo in Form von Sojamilch. Die Untersuchungen zeigten, dass die Milchaufnahme nicht mit einer erhöhten Produktion von Nasensekreten oder Hustensymptomen verbunden war.
Das Besondere: Testpersonen, die an den Milch-Mythos glaubten, beklagten sich dennoch über ein erhöhtes Schluckbedürfnis und verdickten Speichel. Das taten jedoch nicht nur diejenigen, die die Kuhmilch, sondern auch diejenigen, die das Milchgetränk aus Sojabohnen getrunken hatten.
Milch soll sogar einen positiven Effekt haben: "Bei einem stark gereizten Rachen kann es angenehm sein, mit lauwarmer Milch zu gurgeln oder eine warme Milch mit Honig zu trinken", verrät Deeg. Treffe die Milch auf den Speichel, bilde sich eine Emulsion, weil sich die fetthaltige Milch im Wasser nicht auflöse. Das tue der gereizten Schleimhaut gut. "Damit man diesen positiven lokalen Effekt spüren kann, sollte die Milch nicht heiß sein. Am angenehmsten ist es, wenn sie nicht über 40 Grad warm ist", so der HNO-Arzt schließlich.