Eigentlich hätten im Mittwochs-Ministerrat gleich zwei große Brocken kommen sollen – das Kopftuchverbot und der Startschuss für die Sozialhilfe-Reform. Eigentlich.
Denn am Ende kam alles anders: Nach einer hochemotionalen Koordinierungsrunde im Kanzleramt, wo es laut "Heute"-Infos zu hitzigen Wortgefechten gekommen sein soll, ist eine Neuregelung der Sozialhilfe in weite Ferne gerückt. Es folgte ein Abbruch der Verhandlungen, der Doorstep vor dem Ministerrat wurde gestrichen.
Immerhin: Beim Thema Kopftuchverbot konnten ÖVP, SPÖ und NEOS eine Einigung erzielen. Wie bereits vorab von "Heute" berichtet, soll es nicht nur in öffentlichen, sondern auch an islamischen Privatschulen gelten. Zudem soll es empfindliche Strafen geben, wenn das Verbot missachtet wird. Mit Beginn des zweiten Semesters soll das Verbot in Kraft treten.
Im Pressefoyer lieferten ÖVP-Integrationsministerin Claudia Plakolm, NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty und SPÖ-Klubchef Philip Kucher erste Informationen. Ziel des Kopftuchverbots sei es, Mädchen in ihrer Entwicklung und freien Entfaltung zu schützen und ihre uneingeschränkte Teilhabe an einer offenen, freien und gleichberechtigten Gesellschaft zu fördern.
Das neue Kopftuch-Gesetz sieht im Fall eines Verstoßes ein abgestuftes System vor: Zunächst wird die Schulleitung das Gespräch mit der betroffenen Schülerin zu suchen. Darin werden die Hintergründe für den Verstoß erörtert, die Zielsetzung des Verbots dargelegt sowie hinterfragt, ob das Kopftuch durch Druck im familiären oder anderweitig sozialen Umfeld getragen wird.
Im Rahmen des Gesprächs wird zudem ein Schreiben an die Eltern übermittelt, in dem das Verbot sowie die Konsequenzen bei weiteren Verstößen erklärt werden. Darauf aufbauend können weitere Gespräche mit Erziehungsberechtigten, der Schulleitung und geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsdirektion bis hin zu Verwaltungsstrafen erfolgen. Diese können von 150 bis zu 1.000 Euro gehen. Im Extremfall ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen vorgesehen.
Damit das Verbot diesmal auch verfassungskonform ist, hat die Regierung ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das neben der Stärkung von Schülerinnen auch Eltern, Lehrer, Burschen und die Islamische Glaubensgemeinschaft aktiv einbinden soll.
Integrationsministerin Claudia Plakolm kommentierte: "Es geht um den Schutz von Kindern und um gleiche Chancen für alle Mädchen in Österreich. Ein achtjähriges Mädchen gehört nicht unter ein Kopftuch. Ein Kind soll spielen, klettern, träumen, lernen und sich bewegen – nicht sexualisiert und religiös verschleiert werden. Wir wollen, dass Mädchen in unserem Land frei, sichtbar und selbstbewusst aufwachsen können."
Der SPÖ-Klubchef fügte hinzu: "Jeder Schritt Richtung Selbstbestimmung von Frauen musste immer gegen Widerstände erkämpft werden. Gegen konservative, reaktionäre oder kirchliche Widerstände. Ob Kinderkopftuchzwang oder radikale Abtreibungsgegner, ich bin nicht bereit, Fragen der Gleichstellung neu zu diskutieren. Mit niemandem und nie mehr. Österreich ist ein freies Land, in dem alle Kinder alle Chancen haben sollen."
Kucher weiter: "Schulen sollen ein Ort des ungestörten Lernens und Entfaltens sein. Ein Ort, möglichst frei von Zwängen und Pflichten, die kleinen Mädchen – meist von Männern - auferlegt werden. Die einzige Pflicht, die in der Schule gelten sollte, ist die Schulpflicht.“
NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty sagte: "Wir sind davon überzeugt, dass sich Kinder möglichst ohne religiös-kulturelle Rollenzuschreibungen entfalten können sollen. Wenn etwa einer Zwölfjährigen signalisiert wird, ihr Körper sei etwas, das man vor Männern verstecken müsse, dann ist das nichts anderes als Diskriminierung von Mädchen gegenüber Burschen und Förderung von Frühsexualisierung. Die neue Regelung unterstützt das Lehrpersonal durch eine klare Leitlinie und ist gleichzeitig ein großer Schritt im Einsatz für die Freiheit junger Mädchen."