Grüne toben

"Killt" ÖVP jetzt EU-Klimaziel mit Gewessler-Manöver?

Ein türkiser Alleingang in Brüssel könnte den Todesstoß für das EU-Klimaziel 2040 bedeuten. Fridays For Future kündigt Proteste in Wien an.
Newsdesk Heute
09.09.2025, 20:54
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Die ÖVP torpediert offenbar die wichtigste Weichenstellung für Europas Klimapolitik. Das machte "Der Standard" am Freitag öffentlich.

Dabei geht es um die anstehende Abstimmung über das EU-Klimaziel 2040. Eine Reduktion der Treibhausgase um 55 Prozent bis 2030 und die CO2-Neutralität bis 2050 sind bereits beschlossene Sache. Am 18. September sollen die zuständigen Umweltminister der Mitgliedsstaaten nun über eine verbindliche Zwischenetappe – minus 90 Prozent Emissionen bis 2040 – entscheiden. Die Union würde bei einem Ja den Empfehlungen aus der Wissenschaft folgen.

Österreichs Pläne sind eigentlich ambitionierter. Die völlige Klimaneutralität soll zehn Jahre schneller, also 2040, erreicht werden. Völlig absurd scheint es nun, dass die auch dafür verantwortliche Volkspartei nun scheinbar im Alleingang gegen einen weniger restriktiven Brüssel-Entwurf arbeitet.

"Innerstaatliche Meinungsbildung nicht abgeschlossen"

Während SPÖ und NEOS weiter am Klimaziel festhalten, legt die ÖVP nun offenbar ihr eignes Gewessler-Manöver hin und blockiert ohne vorherige Abklärung mit den Koalitionspartnern. Dabei hatten sich die Türkisen genau deswegen mit den Grünen überworfen und im jetzigen Ampel-Vertrag auf eine Einigkeitsklausel in strittigen EU-Sachen gepocht.

Der "Standard" zitierte dazu aus Protokollen der rot-weiß-roten EU-Vertretung, wonach eine Verschiebung der Abstimmung erwirkt werden soll. "Die innerstaatliche Meinungsbildung zum EU-Klimagesetz sei noch nicht abgeschlossen", heißt es darin.

"Todesstoß für Klimaziel"

Die ÖVP scheint sich Frankreich und Deutschland anschließen zu wollen. Die beiden EU-Größen haben laut Politico vor, die Entscheidung von der Ministerebene in den Europäischen Rat hochzustufen. Damit würde das Klimaziel 2040 de facto gekillt, denn im Gremium der Staats- und Regierungschefs herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Schon alleine wegen der bekannten Blockadehaltung von Ungarn-Premier Viktor Orbán wäre eine Abstimmung dort zum Scheitern verurteilt.

Abgesehen davon: Eine solche Verzögerung würde die ganze EU schon wieder und vor allem unnötig vor der Welt blamieren, warnen Diplomaten. Denn vor der im November anstehenden Klimakonferenz COP30 in Brasilien sollen die Staaten ihre Klimaziele für 2035 bekanntgeben. Die EU tritt als Block auf und würde ein Ziel für 2035 von jenem für 2040 ableiten. Eine Rats-Abstimmung würde nicht mehr rechtzeitig erfolgen, man stünde mit leeren Händen da.

"Entscheidung des Regierungschefs"

Doch warum tut die Volkspartei das? Öffentlich hatte ÖVP-Umweltminister Norbert Totschnig das 90-Prozent-Ziel im Sommer noch als "ambitioniert und unter den richtigen Rahmenbedingungen machbar" bezeichnet und Österreichs Unterstützung bekundet. Die Partei ÖVP will sich zur Kurswende nicht äußern, verweist auf das von ihr geführte Bundeskanzleramt.

Von dort heißt es schlicht: "Die innerösterreichische Positionsfindung ist noch nicht abgeschlossen, wird aber natürlich der Komplexität des Themas Rechnung tragen". Und "die Befassung des Europäischen Rates ist eine Entscheidung des Regierungschefs. Die Koalitionspartner wurden darüber informiert."

"Niedergang Europas", "Klimageisterfahrt"

Wenig überraschend spricht sich die FPÖ für eine Abstimmung im Europäischen Rat aus. "Das neue EU-Klimagesetz hätte in der vorliegenden Form enorme Auswirkungen auf ganz Europa. Es muss deswegen auf jeden Fall im höchsten Gremium der EU verhandelt werden", heißt es in einer diesbezüglichen Presseaussendung.

Die Blauen malen darin den Teufel an die Wand: "Sollte der Vorschlag der Kommission vom Umweltministerrat so durchgewunken werden, dann würde das die fanatische Klimareligion und damit den Niedergang Europas endgültig einzementieren."

Diametral reagieren naturgemäß die Grünen: "Wir haben keine Zeit zu verlieren – und trotzdem tut diese Bundesregierung alles, um den Beschluss für ein EU-Klimaziel zu verzögern. Gerade kurz vor der Weltklimakonferenz sind die Auswirkungen dieser Rückwärtspolitik fatal. Die EU war bisher Vorreiterin beim Klimaschutz", tobt Klubobfrau Leonore Gewessler.

Ausgerechnet Orban hierbei Vetorecht einzuräumen, ist nach Ansicht von EU-Mandatarin Lena Schilling eine "Klimageisterfahrt": "Wir sehen bei jedem Gipfeltreffen, wie der Putinfreund Viktor Orbán alles blockiert. Wer glaubt, dass man mit Viktor Orbán ein Klimaziel beschließen kann, ist entweder verblendet oder versucht damit vorsätzlich, das EU-Klimaziel zu torpedieren."

Protest gegen ÖVP angekündigt

Fridays For Future sieht die ÖVP-Blockade als "kalkulierten Todesstoß" und kündigt deshalb für diesen Freitag Proteste vor der türkisen Parteizentrale in Wien an. "Schlägt sich Österreich durch den Vorstoß der ÖVP [...] auf die Seite der Klimablockierer der EU, ist das Sabotage des Erhalts unserer Lebensgrundlage", kritisiert Sprecherin Laila Kriechbaum.

Und weiter: "Die ÖVP bricht ihr eigenes Wort. Klimaminister Totschnig hatte zuvor Österreichs Unterstützung für das neue EU-Klimaziel 2040 unterstrichen. Jetzt scheint das vergessen, um sich der Lieblingsbeschäftigung – Klimakillen – hinzugeben."

Die Aktivisten fordern Handeln ein: "Der Beschluss des 2040 Ziels am 18. September ist kein nice to have, sondern europäische Verantwortung und eine Versicherung der Lebensgrundlage. Dafür braucht es keine weitere Verhandlung mehr – Beschließen und ins Tun kommen!"

{title && {title} } red, {title && {title} } 09.09.2025, 20:54
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