Die Reform der Sozialhilfe ist einer der größten Brocken, den Schwarz-Rot-Pink auf der Agenda hat. Und die Causa drängt aus mehreren Gründen. Allen voran ist der Unmut in der Bevölkerung groß angesichts von Fällen wie 9.000 Euro monatlicher Zuwendung für eine Zuwanderer-Großfamilie in Wien.
Mit dem Start in den Polit-Herbst soll es nun konkret werden mit einem neuen Sozialhilfe-Modell. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hatte in seinem ORF-Sommergespräch vor gut einer Woche angekündigt, dass die Sozialhilfe-Reform "Mitte September" auf den Weg gebracht werde.
Laut "Heute"-Informationen soll der Startschuss eigentlich bereits im Ministerrat am 10. September erfolgen. Was genau dort hinsichtlich der Sozialhilfe auf den Tisch kommt - und ob überhaupt etwas -, darum wird freilich bis zuletzt zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gerungen.
Die Eckpunkte der Reform sind zwar im Regierungsprogramm vereinbart – sie sind aber sehr vage formuliert und bergen eine Fülle von Einzelvorhaben, die jedes für sich im Detail konkretisiert werden müssen.
Kommen soll neben bundesweit einheitlichen Sätzen eine dreijährige Wartefrist bis zum Anspruch auf volle Leistungen. Außerdem eine eigene Kindergrundsicherung. Und alle arbeitsfähigen Sozialhilfe-Bezieher sollen zum AMS, um möglichst bald in Beschäftigung vermittelt zu werden.
Die ÖVP stellt sich eine Deckelung für Mehrkind-Familien vor, womit Bezüge wie die 9.000 Euro nicht mehr möglich wären. Eine solche Deckelung hält wiederum SPÖ-Ministerin Schumann für "verfassungsrechtlich bedenklich".
Angesichts dieses Fleckerlteppichs an Vorhaben sei für den Ministerrat diese Woche allenfalls ein Fahrplan für die Sozialhilfe-Reform möglich, heißt es aus Regierungskreisen gegenüber "Heute". Dringlich sei ein "Timetable" für die Verhandlungen mit den Ländern hinsichtlich der künftigen Leistungssätze.
Denn hier preschen einige Landeschefs bereits vor und wollen Fakten schaffen. So kündigte der steirische FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek an, noch im September eine neue und strengere grün-weiße Sozialhilfe-Regelung zu präsentieren. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stellte gegenüber "Heute" klar, dass "kein Cent mehr als in Niederösterreich" gezahlt werden dürfe. Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig kündigte vor wenigen Tagen umfassende Änderungen bei der Mindestsicherung an.
Konkrete Vorschläge aus dem zuständigen Sozialressort seien weitgehend Mangelware, heißt es. Ministerin Schumann ließ über den Sommer die im Regierungsprogramm enthaltenen Punkte vom Verfassungsdienst auf ihre Umsetzbarkeit hin prüfen. Das ist abgeschlossen. Außerdem sollte eine Studie aufgesetzt werden, wie die Familienleistungen in Österreich gesamt strukturiert sind.
Im Raum steht auch, bestehende Familienleistungen künftig auf die Sozialhilfe anzurechnen. Das ist derzeit nicht Fall – und würde Aufreger-Beispiele wie die 9.000 Euro für eine Familie schlagartig um ein paar tausend Euro reduzieren.
"Die Sozialministerin hätte durchaus mehr liefern können über den Sommer", ärgert sich ein Koalitionsinsider. Die Sozialhilfe falle schließlich in ihr Ressort – und jetzt solle die Koalition mehr oder weniger "leer" in die konkrete Phase der Reform starten.
Auch bei der Kindergrundsicherung, die der SPÖ ein enormes Anliegen ist, vermisse man Konkretes. Ministerin Schumann hatte Mitte Juli im "Heute"-Interview erklärt: "Ein großer Fokus soll auf Sachleistungen liegen – Kindergarten, gesunde Jause, Schulmaterialien beispielsweise."
„Bei der Kindergrundsicherung soll ein großer Fokus auf Sachleistungen liegen – Kindergarten, gesunde Jause, Schulmaterialien beispielsweise.“Korinna SchumannSozialministerin (SPÖ)
Schumann sprach stets von einem "Gesamtpaket". Die Frage sei aber, ob alles gleichzeitig in Angriff genommen werden könne, regen sich bei Schwarzen und Pinken Zweifel. Wolle man bereits 2026 zumindest einige Reformen umsetzen, brauche es Vorbereitungszeit – nicht zuletzt beim AMS, sollte dieses mit der Abwicklung der Leistungen betraut werden.
Die Reform der Sozialhilfe ist ein Mammutprojekt – und dringlich. Die "Tatkraft" der Regierung wird nicht zuletzt daran gemessen werden, dass hier zeitnah etwas passiert. Beim Ministerrat sollte sich zumindest ein "Startschuss" und ein grober Fahrplan ausgehen, war man sich einig.
Vor der Koordinierungssitzung am Dienstagabend war allerdings noch nichts fix, hieß es gegenüber "Heute". Ein Feilschen bis in die Nachtstunden schien wahrscheinlich. Und gut möglich ist, dass man sich noch eine Woche Zeit nimmt und mit dem Auftakt zur Reform erst im Ministerrat am 17. September rausgeht.