Der erste parlamentarische Untersuchungsausschuss der aktuellen Legislaturperiode steht in den Startlöchern. Beantragt hat ihn die FPÖ, Thema sind die Ermittlungen rund um den Tod des früheren Sektionschefs im Justizministerium, Christian Pilnacek vor zwei Jahren.
Formal eingesetzt wurde der U-Ausschuss in der Nationalratssitzung am 22. Oktober. Im "Heute"-Talk (ganzes Interview im Video unten) erklärt ÖVP-Mandatar Andreas Hanger – bekannt als scharfzüngiger U-Ausschuss-Fraktionsführer der Volkspartei –, wie der kommende Ausschuss ablaufen soll, wie er den Untersuchungsgegenstand einschätzt und inwieweit er das Instrument U-Ausschuss generell für reformbedürftig hält.
"Parlamentarische Kontrolle ist wichtig", betont Hanger – und es sei ein Minderheitenrecht, in diesem Falle der FPÖ, einen U-Ausschuss einzusetzen. "Den aktuellen Untersuchungsgegenstand sehen wir allerdings sehr skeptisch."
Grundlage des FPÖ-Begehrens seien "Aussagen der Kurzzeitfreundin von Pilnacek, die von Mordtheorie, Mafia, Zeugenschutzprogrammen und einem zwölf Zentimeter großen Loch im Oberschenkel des Herrn Pilnacek spricht – das ist fast wie ein Thriller", so Hanger. Gegen die Frau laufen mittlerweile Strafverfahren wegen widersprüchlicher Aussagen. "Und auf Basis dieser Erzählungen haben wir jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss", kritisiert Hanger.
Auch ein früherer Politiker, "der ein Buch verkaufen will", spiele eine Rolle. Auf dessen Verschwörungstheorien, so Hanger, "hängt sich auch die FPÖ auf".
"Der Polizei, insbesondere dem Landeskriminalamt Niederösterreich, und der Staatsanwaltschaft macht die FPÖ schwere Vorwürfe, dass die Ermittlungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Und es geht darum, ob Einfluss genommen wurde auf die Ermittlungen", erklärt Hanger: "Die aufgeworfenen Fragen kann man aus meiner Sicht vielfach sehr klar beantworten. Ich möchte dem Ausschuss natürlich nicht vorgreifen, man wird das im Detail diskutieren. Aber ich gehe davon aus, dass es sich um ungerechtfertigte Vorwürfe handelt. Da werden sich vielleicht am Ende des Tages einige entschuldigen müssen."
„Ich bemühe mich um sachliche Zusammenarbeit. Aber wenn falsche Dinge behauptet werden, setze ich mich zur Wehr – vielleicht etwas ruhiger als früher“Andreas HangerVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss
Bis 17. Dezember müssen den Mitgliedern des U-Ausschusses die Akten geliefert werden – die meisten kommen vom Justizministerium. Die Befragungen der Auskunftspersonen sollen im Jänner starten.
Rund um die Weihnachtsfeiertage werde er sich also durch Aktenberge wühlen müssen, meint Hanger. Zur Ausschussvorbereitung sagt er: "Wenn man den Ehrgeiz hat, inhaltlich alles verstehen zu wollen, ist das sehr viel Aufwand. Aber je präziser man vorbereitet ist, desto klarer kann man auch die Ausschussarbeit machen."
„Wie der Herr Pilnacek zu Tode gekommen ist, das ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Unsere Aufgabe ist es, die politische Verantwortung zu klären.“Andreas HangerVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss
Ob von ihm wie in früheren Ausschüssen scharfe Angriffe gegen FP-Fraktionsführer Christian Hafenecker zu erwarten sind? "Ich bemühe mich um sachliche Zusammenarbeit. Aber wenn falsche Dinge behauptet werden, setze ich mich zur Wehr – vielleicht etwas ruhiger als früher", sagt Hanger: "Man muss eine klare Haltung haben. Dann funktioniert das auch – selbst wenn man dadurch nicht Everybody’s Darling ist."
"Die Untersuchungsausschüsse haben sich zu politischen Tribunalen entwickelt", kritisiert Hanger. "Wir sollten das Instrument dahin zurückführen, wo es hingehört: Kontrolle, mit dem Ziel, Verbesserungen abzuleiten."
Die Aufgabe des kommenden Ausschusses sei es, die politische Verantwortung zu bewerten, nicht Kriminalfälle aufzuklären: "Wie der Herr Pilnacek zu Tode gekommen ist, das ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Unsere Aufgabe ist es, die politische Verantwortung zu klären."
Auch die Kosten sieht Hanger kritisch: "Ein Untersuchungsausschuss-Tag kostet rund 50.000 Euro – ohne den Aufwand für die Aktenlieferung. Wenn wir diese Ressourcen verwenden würden, um die wirklichen Zukunftsfragen des Landes zu behandeln, wäre das hundertmal klüger."
Der Ibiza-U-Ausschuss hatte zweieinhalb Millionen Aktenseiten, erinnert Hanger. Und er nimmt sich kein Blatt vor den Mund: "Wenn aus dem neuen Ausschuss keine vernünftigen Ergebnisse kommen, ist es eine Verschwendung von Steuergeld."
„Wenn aus dem neuen Ausschuss keine vernünftigen Ergebnisse kommen, ist es eine Verschwendung von Steuergeld.“Andreas HangerVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss
Der VP-Politiker macht sich für eine "Gesamtreform" des Instruments U-Ausschuss stark: Es brauche "ordentliche Untersuchungsgegenstände, effiziente Verfahren und Schutz der Beteiligten".
Ob es Live-Übertragungen aus dem U-Ausschuss geben wird, ist aktuell einmal mehr in Diskussion. Hanger hat Verständnis für die Forderung, aber auch Bedenken: "Wir müssen eine Balance finden zwischen öffentlicher Transparenz und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen."
Er erklärt: "Als Parlamentarier habe ich Immunität, die Auskunftspersonen haben das nicht. Wenn ich einer Auskunftsperson etwas Falsches vorwerfe, kann sie mich nicht belangen. Das würde dann live im Fernsehen gesendet, für alle zu sehen – aber die Person könnte sich juristisch nicht wehren."