Die SPÖ Steiermark führt er bereits seit neun Monaten, am vergangenen Wochenende wurde Max Lercher nun auch offiziell mit 90,56 Prozent der Stimmen zum Landesparteivorsitzenden gewählt.
Im "Heute"-Talk (ganzes Interview im Video unten) spricht der 39-Jährige über notwendige Reformen im Gesundheitssystem, die Aufgaben der Politik im Kampf gegen die Teuerung, seine Haltung in der Asylpolitik. Und er sagt, was er vom "Pensionskompromiss" der Bundesregierung hält.
Max Lercher über:
"Wir haben definitiv bereits eine Zweiklassenmedizin, in der Kassenpatienten viel zu lange auf Arzttermine warten oder teilweise nicht das bekommen, was ihnen zusteht. Die Politik muss handeln, damit das aufhört."
„Wir haben definitiv bereits eine Zeiklassenmedizin. Die Politik muss handeln, damit das aufhört.“Max LercherSPÖ-Chef Steiermark
"Die Menschen zahlen hohe Beiträge, dafür erwarten sie sich zu Recht eine Leistung. In vielen Fällen funktioniert diese Leistung aber nicht mehr ohne Zusatzversicherung. Das gehört verändert."
Die Schuld an den Missständen gibt Lercher nicht zuletzt der Kassenreform unter der seinerzeitigen türkis-blauen Bundesregierung: "Die Kassenreform hat uns eine Patientenmilliarde versprochen. Jetzt zahlen wir hunderte Millionen nach. Die Leistungen sind schlechter geworden, nicht besser. Das war keine Reform, das war eine definitive Verschlechterung."
„Wenn wir das öffentliche System so organisieren, dass es wieder funktioniert, wird es die Zusatzversicherungen nicht mehr brauchen. Das ist das Ziel.“Max LercherSPÖ-Chef Steiermark
"Es muss Vorrang haben, dass die Kassenarztstellen zu 100 Prozent besetzt sind. Es sollten Studenten vorgereiht werden, die sich bereit erklären, im öffentlichen System zu arbeiten. Wenn alles nichts hilft, kann man als letzte Konsequenz über eine Verpflichtung für Absolventen nach Abschluss ihrer Facharztausbildung diskutieren. Zuerst soll es Anreize geben, aber wenn es Engpässe für die Bevölkerung gibt, muss die Politik eingreifen."
"Ich kenne viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die mit ihrer Leidenschaft Ärztinnen und Ärzte auch an Kassenarztstellen bringen, die vielleicht vorher nicht so begehrt waren. Wenn man will, geht etwas. Ich glaube, man kann auch neue Wege gehen. Bei uns in der Steiermark bedeutet das, dass man die Krankenhausstandorte, die das Land betreibt, vielleicht mit niedergelassenen Pilotprojekten neu begreift. Aus Bequemlichkeit alles so zu belasten, wie es einmal war, und zuzusehen ist keine Option."
"Die Leute machen eine Zusatzversicherung nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus Not – weil das öffentliche System nicht so funktioniert, wie sie es erwarten. Wenn wir dieses öffentliche System so organisieren, dass es wieder funktioniert, wird es diese Zusatzversicherungen nicht mehr brauchen. Das ist das Ziel. Die Versicherungen werden es verkraften."
„Ich hätte mir eine Inflationsabgeltung für alle Pensionisten gewünscht.“Max LercherSPÖ-Chef Steiermark
Die Entscheidung der Bundesregierung, nur Pensionen bis 2.500 Euro brutto im kommenden Jahr voll an die Inflation (2,7 Prozent) anzupassen, sieht Lercher kritisch: „Ich hätte mir eine Inflationsabgeltung für alle Pensionisten gewünscht. Das sind alles sehr fleißige Leute gewesen in ihrem Erwerbsleben Erwerbsleben und sie haben entsprechend hohe Beiträge eingezahlt. Die hätten sich das sehr wohl verdient." Bei den allerhöchsten Pensionen hätte man diskutieren können, meint Lercher: "aber nicht bei jenen bis zur Höchstbeitragsgrundlage".
"Der Sozialstaat hätte mehr Möglichkeiten, in Preise einzugreifen – bei Energie, bei Mieten, bei Lebensmitteln. Eine politische Mehrheit dafür gibt es derzeit nicht, aber wir müssen maximal Druck aufbauen, dass der Staat seine Möglichkeiten ausschöpft, um Preise nach unten zu bringen."
Die Politik auf Bundesebene wolle er aber nicht mehr bewerten, sagt Lercher – er konzentriere sich auf die Steiermark: "Auch in den Ländern gibt es die Möglichkeit, dass man bei den Energiepreisen etwas tut – mit den Energieversorgern, die zu 100 Prozent dem Land gehören. Das sehe ich in der Steiermark, wo jetzt die FPÖ mit der ÖVP regiert, aber auch nicht. Wir wollen einen Steiermark-Tarif, aber werden vertröstet, obwohl die Möglichkeit da ist."
„Wer Vollzeit arbeitet, sollte ohne Förderungen und Zusatzversicherung durchkommen.“Max LercherSPÖ-Chef Steiermark
"Ich stehe für einen sozialdemokratischen Leistungsgedanken: dass man, wenn man Vollzeit arbeitet, ohne Förderungen und Zusatzversicherung durchkommt. Wenn ich durch die Steiermark fahre, sagen mir viele: Ich arbeite Vollzeit und trotzdem bleibt mir nicht viel übrig. Ich zahle hohe Steuern, aber bekomme einen Arzttermin erst in einem halben Jahr und keinen Platz in der Kinderbetreuung. Weil die öffentlichen Systeme nicht so funktionieren, wie ich mir das erwarte. Dort möchte ich hinschaue und politisch etwas ändern, um die Lebensrealität der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger zu verbessern."
"Es gibt keine Politik mehr, welche die Migration nicht beachtet. Wir als Sozialdemokratie haben uns in einigen Bereichen weggeduckt, dem will ich mich stellen – mit einem pragmatischen Kurs."
Und er zieht eine rote Linie: "Alle, die unsere demokratische Ordnung und unseren Rechtsstaat ablehnen – für mich ist das ein Rechtsextremer genauso wie jemand, der religiös motiviert ist –, haben mich zum Gegner. Keine Toleranz den Intoleranten!"
Für die Steiermark fordert er verbindliche Sprachstandsfeststellungen ab drei Jahren und wirksame Integrationsmaßnahmen: „Was nicht geht, ist das, was wir gerade erleben: dass Integration zurecht eingefordert wird, aber alle Maßnahmen gekürzt werden, die sie überhaupt erst ermöglichen."