Harald Mahrer im "Heute"-Talk

Wirtschafts-Chef knallhart: Land braucht Entziehungskur

Kammerboss Mahrer sagt "Heute", wie er die Arbeit der Regierung bewertet. Wo er Handlungsbedarf sieht, um Österreich "nach vorne zu katapultieren".
Angela Sellner
04.07.2025, 20:01
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Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer ist für eine weitere Funktionsperiode bestätigt – in keinen einfachen Zeiten. Im großen "Heute"-Interview spricht er Klartext: über die Wirtschaftskrise, Reformbedarf, "Trittbrettfahrertum" – und erklärt, dass wir eine "Entziehungskur von der Droge Staat" brauchen. Der Staat wiederum habe eine "Entschlackungskur" dringend nötig, Stichwort Bürokratieabbau.

"Nach vorne katapultieren"

"Wir sind bei der wirtschaftlichen Entwicklung Schlusslicht in der Europäischen Union – das ist keine angenehme Botschaft", sagt Mahrer. Zwar sei aus seiner Sicht "das Glas zu zwei Dritteln voll und nicht halb leer". Aber dass die Wirtschaft heuer laut aktueller Prognose nicht weiter schrumpft, sondern auf der Stelle tritt, ist für Mahrer viel zu wenig: "Wir müssen uns nach vorne katapultieren", betont er (ganzes Interview im Video unten).

"Nur wenn der Wirtschaftsmotor ordentlich läuft, können wir unser Wohlstandsniveau halten und unser Sozialsystem finanzieren", macht Mahrer klar. Dass heimische Firmen derzeit "wie die Kaisersemmeln krachen", liege ja eben daran, dass der Konjunkturmotor nicht laufe.

Harald Mahrer über:

Die Stimmung in Österreich

Ein Kernproblem sieht der Wirtschaftskammer-Chef in der Stimmung im Land. Die Sparquote sei hoch wie nie, das spiegele die Unsicherheit der Menschen. Das Geld sei da, werde aber nicht ausgegeben – weil es den Leuten an Vertrauen und Optimismus fehle.

Kammer-Boss Mahrer: "Weniger Anspruchsdenken, mehr Eigenverantwortung."
Sabine Hertel
„Man kann nicht bei jedem leichten Lüfterl die Hand aufhalten und nach Unterstützung vom Staat rufen.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

"Weniger Anspruchsdenken"

Mahrer betont: "Die Österreicher sind nicht faul. Sonst wären wir auf den Weltmärkten nicht so erfolgreich." Aber es brauche wieder "mehr Eigenverantwortung, weniger Förderungen und weniger Anspruchsdenken: Man kann nicht bei jedem leichten Lüfterl die Hand aufhalten und nach Unterstützung vom Staat rufen. Das kann der Staat gar nicht leisten."

Das ganze Interview mit Harald Mahrer im Video:

Noten für die Regierung

"Für Stil und Form würde ich eine Eins bis Zwei geben. Es ist ein großer Gewinn, dass die Regierung nicht dauernd streitet. Die ersten 100 Tage waren von Arbeitswilligkeit und Aufeinanderzugehen geprägt, jetzt müssen sie in die Gänge kommen. Einer der drei Koalitionspartner war ja noch nie und einer lang nicht mehr in einer Regierungsfunktion, die mussten erst ihre Stäbe aufbauen, Experten reinbringen und in den Regierungsalltag des Arbeitens hineinkommen. Das müsste jetzt gegeben sein, nun heißt es, die großen Reformthemen anzugehen, sodass die Bevölkerung und die Betriebe es auch spüren."

Reformen

Die von der Regierung definierten vier zentralen Reformbereiche – Bildung, Gesundheit, Energie und Bürokratieabbau – sieht Mahrer als Schlüssel: "Jetzt muss es in die Umsetzung gehen." Konkrete Verbesserungen sollen im Alltag spürbar sein: "Kürzere Wartezeiten beim Arzt, mehr Chancen in der Schule – dass die Kinder, wenn sie in die Volksschule eintreten, nicht in eine Klasse kommen, wo das Deutschniveau dramatisch unterschiedlich ist, sondern vorher Sprachförderung betrieben wurde – und niedrigere Rechnungen bei der Energie." Vor allem aber: "Weg mit der Staatsgläubigkeit. Es ist unrealistisch zu glauben, der Staat nimmt uns jedes Risiko ab."

„In manchen Bereichen gibt es bald genauso viele Kontrolleure wie tatsächlich dort Arbeitende. Das ist absurd.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

"Weg mit der Droge Staat"

"Wir haben zugelassen, dass sich der Staat mit Vorschriften und Kontrollen in fast alles einmischt. In manchen Bereichen gibt es bald genauso viele Kontrolleure wie tatsächlich dort Arbeitende. Das ist absurd. Wir brauchen diesen Ultrakontrollstaat nicht. Wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr zutrauen, selbstverantwortlich und eigenverantwortlich tätig zu sein. Das Motto lautet: Weg mit der Droge Staat. Ärmel hochkrempeln und Hand anlegen – statt Hand aufhalten."

Länger arbeiten

Sollen wir alle bis 70 arbeiten, wie es Industrievertreter fordern? "Ich halte das für eine radikale Forderung", sagt Mahrer – aber: "Ich glaube, es ist gut, eine ehrliche Debatte darüber zu führen, dass es bei einer älter werdenden Bevölkerung und weniger Jungen im Arbeitsmarkt gar nicht anders geht, als dass alle ein bisschen mehr machen." Wichtig seien Anreize: "Wenn ich länger arbeite, muss sich das auch lohnen."

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer: "Es braucht Anreize. Wenn ich länger arbeite, muss sich das auch lohnen."
Sabine Hertel
„Alle sollen ein bisschen mehr machen.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

Trittbrettfahrer

"Entscheidend ist, dass wir mit dem Trittbrettfahrertum aufhören. Es gibt Menschen, die sagen: Ich mache ein bisschen weniger, hätte aber gern vom großen Sozialsystem-Kuchen denselben Beitrag wie jeder, der voll arbeitet. Das ist gefährlich. Ja – es gibt Menschen, die können sich nicht aussuchen, wie viel sie arbeiten, weil sie Betreuungspflichten haben. Aber es gibt auch viele, die könnten, aber nicht wollen. So funktioniert aber unser Generationen- und Sozialvertrag nicht."

Lohnerhöhungen

Für die Lohnverhandlungen heuer mahnt Mahrer Verantwortung ein: "Ein Teil der Industrie steht mit dem Rücken zur Wand. Da braucht es Augenmaß." Hohe Qualität der Produkte unserer heimischen Betriebe allein reiche nicht, wenn sie am internationalen Markt zu teuer sind: "Wenn andere dieselbe Qualität deutlich günstiger anbieten, verkaufen sie – nicht wir."

{title && {title} } sea, {title && {title} } 04.07.2025, 20:01