Doppel-Interview im Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz: Deutschlands Digital-Staatssekretär Philipp Amthor (33, CDU) und Österreichs Integrationsministerin Claudia Plakolm (30, ÖVP) gelten aufgrund ihrer konservativen Haltung als älteste Jung-Politiker im deutschsprachigen Raum.
"Wir sind beide unaufhörlich dabei, den Alterswitzen jeden Tag weiter zu entwachsen", sagt Amthor im Gespräch mit "Heute" und "Kronen Zeitung" (in voller Länge als Video unten) mit einem Augenzwinkern. Dies sei "durch die Biologie auch unabwendbar".
Parlamentarischer Staatssekretär zu sein, sei "eine große Aufgabe", so der deutsche Christdemokrat. Ob er – wie Plakolm – den Aufstieg zum Minister hinlegen möchte, will er nicht beantworten: "Wir gucken erst einmal, unsere Aufgaben gut zu erfüllen, bevor es um neue Posten geht."
Das von Claudia Plakolm forcierte Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren begrüßt er: "Ich bin dankbar, dass sich in Österreich ein Weg findet, der – soweit ich das beurteilen kann – die rechtlichen Spielräume ausnützt und auch rechtskonform ist."
In Deutschland gebe es Möglichkeiten "mit Blick auf öffentliche Einrichtungen darüber nachzudenken", Schulen würden jedoch "in die Zuständigkeit der Länder fallen", schildert Amthor.
Der Christdemokrat findet es "richtig und gut", dass Plakolm das Kinder-Kopftuchverbot zu ihrem Thema macht: "Es geht nicht darum, die Religionsfreiheit einzuschränken, sondern um legitime Anliegen, wie das Kindeswohl, die man im Blick haben muss."
Dem pflichtet Plakolm bei: "Die Kinderrechte sind bei uns in Österreich in der Verfassung." Sie verhehlt nicht: "Ich wäre eine große Befürworterin einer Verfassungsmehrheit gewesen - um rechtlich vor einer Anfechtung abgesichert zu sein und um zum Ausdruck zu bringen, dass inhaltlich alle Parteien hinter dem Kindeswohl stehen."
„Als überzeugter Christ hat das Kreuz für mich keine ausschließende, sondern eine einladende Wirkung.“Philipp AmthorStaatssekretär (CDU)
Die Ministerin ist aber "zuversichtlich, dass auch dieses einfache Gesetz halten kann". Zur Kritik von Kardinal Schönborn, der in seiner "Heute"-Kolumne die Frage aufwarf, ob wir mit dem Gesetz "eine Gruppe vom Religionsfrieden ausgrenzen wollen", sagt sie: "Für mich geht es nicht um ein religiöses Symbol, sondern darum, dass kein Mädchen gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen." Dies beginne mit "sanftem Druck auf Social Media", so die Oberösterreicherin.
Sowohl Plakolm als auch Amthor sind "selbstverständlich" dafür, dass in den Klassenzimmern weiterhin Kreuze hängen sollen. Für Philipp Amthor hat das Kreuz "als überzeugter Christ keine ausschließende, sondern eine einladende Wirkung". Er erläutert: "Wir sehen es als prägende Überzeugung, dass das, was Freiheit, Rechtsstaat und Aufklärung – Grundwerte, die unseren Verfassungsstaat ausmachen – nicht vom Himmel gefallen, sondern in einer christlich-humanistischen Tradition gewachsen sind."
Wir sollten uns dafür "nicht schämen", ergänzt Plakolm: "Vom Kreuz soll sich niemand gestört fühlen. Martins- und Nikolausfest sollen weiter gefeiert werden, denn dort werden Werte des Miteinanders vermittelt, die jeder zu Hause und auch in der Schule lernen soll."
Von einer teilweisen Legalisierung von Cannabis will die VP-Ministerin in Österreich nichts wissen: "Ich glaube, wir haben wichtigere Herausforderungen zu stemmen."
Amthor plädiert dafür, "das Gesetz der linken Vorgängerregierung in das Handbuch für schlechte Gesetzgebung einzuordnen". Er meint: "Auf die Idee muss man erst einmal kommen, dass man etwas für den Jugendschutz und gegen Drogenmissbrauch tut, indem man Drogen legalisiert." Plakolm: "Wir werden das definitiv nicht importieren."
Zu Extremfällen von bis zu 9.000 Euro Mindestsicherung für eine syrische Großfamilie in Wien hat Deutschlands Staatssekretär eine klare Haltung: "Die Frage des Sozialleistungsbezugs ist eine Kernfrage der Gerechtigkeit." Er verwahrt sich dagegen, "dass alle Sozialleistungen schlecht sind": "Wir wollen einen funktionierenden und starken Sozialstaat."
Heißt? "Dass wir Menschen, die unverschuldet in Arbeitslosigkeit geraten oder in einer humanitären Notlage sind, temporär Unterstützung geben." Klar sei für ihn: "Wer arbeiten gehen kann, muss arbeiten. Wer kein Bleiberecht hat, darf hier keine Sozialleistungen beziehen."
„Wer arbeiten geht, soll am Monatsende mehr haben.“Claudia PlakolmFamilienministerin (ÖVP)
Plakolm ergänzt einen Punkt, der ihr besonders wichtig ist: "Wer arbeiten geht, soll am Monatsende auch mehr haben, als jemand, der Sozialleistungen bezieht. Wir brauchen einen größeren Unterschied zwischen Erwerbseinkommen und Sozialhilfe beziehungsweise Grundversorgung."
In Österreich gebe es hier "eine massive Schieflage, die wir angehen müssen": "Wir haben einen großzügigen Sozialstaat. Aber das geht sich auf Dauer nur aus, wenn es genug Steuerzahler gibt, die in der Früh aufstehen, arbeiten gehen und ihre Familie versorgen." Für sie ist klar: "Die Sozialhilfe ist das allerletzte Sicherheitsnetz; eine Unterstützung, die wir als Gemeinschaft zahlen."
Amthor: "Was uns in Deutschland von den rechtspopulistischen Parteien unterscheidet: Wir wollen kein Ende der Zuwanderung, auch nicht des Asylrechts. Aber wir wollen ein Ende des Missbrauchs des Asylrechts." Gebraucht werde "Zuwanderung in einen Arbeitsplatz und nicht Zuwanderung auf das Arbeitsamt, finanziert durch die Solidargemeinschaft. Das ist meine Grundüberzeugung."
Ob die konservativen Werte ihrer Parteien in den Koalitionen mit Sozialdemokraten verwässert würden, will "Heute" wissen. Amthor möchte sich "Themen wie Patriotismus, Nation und ein klares Eintreten für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit nicht wegnehmen lassen von denen, die es vielleicht lauter und unflätiger rufen". Er meint: "Es liegt an uns, diese Themen selbstbewusst und mit Überzeugung nach vorne zu stellen." Der deutsche Politiker ortet "zusehends eine Debatten-Schieflage". Möglicher Grund: "Angesichts des Zulaufs an den Rändern nimmt man manchmal eine zu gebückte Haltung der eigenen Überzeugung ein."
Die teils massiven Auffassungsunterschiede nimmt er sportlich: "Dass es Unterschiede zwischen Sozial- und Christdemokraten gibt, ist doch bitte die Normalität. Ich würde hoffen, dass Sie genauso kritisch nachgefragt hätten, wenn es keine Unterschiede gäbe. Das würde mich noch mehr beunruhigen ..."
Einig stellen sie klar: "Wir sind beide nicht in die Politik gegangen, um Politik für sozialdemokratische Inhalte zu machen." Es sei in einer Demokratie jedoch "gut, dass es unterschiedliche Meinungen gibt und man auf einen Nenner kommen muss", befindet Plakolm. Die Ministerin betont: "Dafür muss man Allianzen schmieden."
„Wir müssen eine Politik machen, die für die breite Mehrheit in unseren Ländern anschlussfähig ist.“
Amthors Überzeugung: "Wir können nicht nur Politik für Minderheiten in unseren Ländern machen und uns mit Debatten wie Klimaschutz, Cannabis-Legalisierung, Anzahl der Geschlechter selbst verwirklichen und uns gegenseitig in einen Rausch gendern. Kann jeder gerne machen – im Privatleben."
Schutz von Minderheiten sei ein wichtiges Anliegen, so Amthor, "aber wir machen es den politischen Rändern leicht, wenn man die linke Gleichung mitmacht". Linke Gleichung? "Viele Parteien versuchen sich Mehrheiten durch die Summation von Minderheiten zusammenzusuchen und denken sich: Wenn ich viele Minderheiten zusammen habe, mache ich irgendwann Politik für die Mehrheit. So läuft das nicht." Sein Credo? "Wir müssen eine Politik machen, die für die breite Mehrheit in unseren Ländern anschlussfähig ist."