Auch zwei Tage nach dem Amoklauf an einem Grazer BORG mit insgesamt elf Toten sitzt der Schock tief. Artur A., ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums in der Dreierschützengasse, tötete zehn Personen und anschließend sich selbst. An seinem Wohnort fanden Ermittler einen digitalen und einen analogen Abschiedsbrief. Eine konkrete Motivlage ließe sich durch die Zeilen aber nicht ableiten, erklärte Franz Ruf, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit am Mittwoch.
Am Donnerstagvormittag gaben Michael Lohnegger, Leiter des sterischen Landeskriminalamtes und Arnold Rumpold von der Staatsanwaltschaft Graz ein Update zum aktuellen Ermittlungsstand.
Der Staatsanwalt machte den Anfang mit seinen Ausführungen und wiederholte bereits bekannte Details zu Opfern. Es gebe neun getötete Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren sowie eine getötete Lehrperson. Eine strafrechtliche Verfolgung sei nicht möglich, es gehe nun darum, die Hintergründe der Tat zu ermitteln. Die Leichname seien bereits obduziert worden, so Rumpold. Die Staatsanwaltschaft habe mittlerweile auch einen Ballistiker bestellt.
LKA-Chef Lohnegger ging in seinen Ausführungen auf den Täter ein. Dieser sei 21 Jahre alt gewesen und habe im Bezirk Graz-Umgebung mit seiner Mutter gewohnt. Polizeilich ist Artur A. zuvor nie in Erscheinung getreten.
Dann ging er auf den genauen Tatverlauf ein. Um 9.43 Uhr habe der Täter die Schule mit einem Rucksack über den offiziellen Eingang betreten. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich zwischen 350 und 400 Schüler im Gebäude befunden. Danach habe er eine Toilette im dritten Stock aufgesucht und sich Waffengurt und ein Headset angelegt. Danach habe er sich seine Waffe und die Schrotflinte – eine Glock 19 bzw. Mercury-Doppelflinte – gefasst und ab 9.57 Uhr einen ungefähr sieben Minuten andauernden Amoklauf ausgeführt.
Dazu sei er zunächst in den 2. Stock gegangen, dort waren Schüler der 5. Klasse betroffen. Anschließend ging er zurück in den 3. Stock, wo Schüler der 7. Klasse betroffen gewesen waren. Dazu habe er so oft auf das Schloss geschossen, bis er die Tür aufbekommen hat und hat erneut wahllos geschossen. Ein persönliches Naheverhältnis zu seinen Opfern dürfte es nicht gegeben haben. Lediglich die getötete Lehrperson soll er gekannt haben – ob es eine nennenswerte Beziehung zu dieser gab, ist zur Stunde nicht klar.
Um 10.07 Uhr habe er sich dann auf dem WC selbst gerichtet. Zu diesem Zeitpunkt dürfte sich die Polizei unmittelbar vor dem Gebäude befunden haben. Denn die ersten einschreitenden Beamten hätten keinen Schuss vernehmen können.
Im Zuge der Hausdurchsuchung habe man eine nicht funktionstüchtige Rohrbombe gefunden. Ein Video, das er seiner Mutter geschickt habe, gibt den Ermittlern keinen Hinweis auf das Motiv. Für die Experten ist aber klar, dass die Tat "minutiös geplant war". Die Schrotflinte kaufte A. Mitte April, die Faustfeuerwaffe im Mai. Seit März habe er wiederholt Schießübungen auf einem Schießstand durchgeführt.
A. dürfte "extrem zurückgezogen" gelebt haben und eine "sehr introvertierte Person" gewesen sein. Die große Leidenschaft des Täters seien "Online-Ego-Shooter" gewesen. "Aber auch hier gibt es keine Erkenntnisse, dass er jemals Ärger oder Unmut geäußert hat". Warum er seine Ex-Schule für diese Tat auserkoren hat, sei somit immer noch unklar, so Lohnegger. Einige Details müsse man aus ermittlungstaktischen Gründen zurückhalten, A. hätte seine Tat aber noch fortführen können. Wo die Waffen gekauft wurden, sei den Ermittlern ebenfalls klar, doch auch das wurde aus genannten Gründen nicht ausgeführt.