Dorian S. war völlig ausgelaugt. Der Salzburger (er möchte anonym bleiben) hatte bereits zehn Jahre Erfahrung als Pfleger und konnte nicht mehr weiter. Corona und die Folgen für die Bewohner des Altenheims, in dem er damals beschäftigt war, machten ihn völlig fertig: "Du hast einfach zuschauen müssen, wie sie sterben, es war eine Katastrophe. Zu Beginn der Pandemie hat es kaum Sauerstoff für die Infizierten gegeben", sagt er im "Heute"-Gespräch.
Die Auswirkungen waren auch für den Mittdreißiger deutlich spürbar: "Mein Körper hat gesagt 'stopp!' Ich wollte einfach nicht mehr." Die Konsequenz: Der erfahrene Pfleger gab seinen Job auf, er wollte seinen Traumberuf ergreifen. "In der Familie haben wir viele Polizisten, das wollte ich auch machen", sagt er jetzt zu "Heute".
Erster Schritt: Dorian S. ging zum AMS und meldete sich arbeitslos, "ich habe ihnen mitgeteilt, dass ich in zwei Monaten meine Aufnahmeprüfung habe, und für diese kurze Zeit eine Unterstützung bräuchte." Das Geld hatte er bitter nötig, er und seine Frau sind gerade umgezogen, er musste den Kredit auf das Haus zurückzahlen.
"Ich habe ein Jahrzehnt gearbeitet und eingezahlt, ich wollte nur eine kurze Überbrückung bis zum Test – ich brauchte die Zeit, um mich vorzubereiten." Die Reaktion vom AMS, so erzählt es Dorian S.: "Die haben gesagt, ich soll das in meiner Freizeit machen und weiter arbeiten – ich bin aus allen Wolken gefallen."
Die AMS-Betreuer vermittelten innerhalb von zwei Tagen eine Zuweisung für ein neues Altenheim, das zeigt, wie groß der Fachkräftemangel ist in der Branche. "Die Dame vom AMS hat mir nur erklärt, ich bräuchte ein ärztliches Attest, um zu beweisen, dass ich nicht mehr in der Pflege arbeiten kann. Ich habe ihr dann erklärt, wenn ich ein Attest vom Arzt hole, brauch ich mich auch nicht mehr bei der Polizei zu bewerben!" Das Ende der Geschichte: "Das war der Dame komplett egal, somit gab ich meinen Wunschberuf auf."
Das AMS reagiert, kann allerdings nicht auf den konkreten Fall eingehen (da Dorian S. anonym bleiben möchte): "Es ist der gesetzliche Auftrag des AMS in jedem Fall, die Arbeitslosigkeit so kurz wie möglich zu halten – besonders wenn es sich um eine Branche handelt, in der dringend Arbeitskräfte gesucht werden. Wenn also passende Stellenangebote gefunden werden, werden diese natürlich der arbeitslosen Person vermittelt. Die AMS-Berater_innen haben den Auftrag, die Möglichkeiten für eine erfolgreiche und nachhaltige Vermittlung auszuschöpfen. Dabei spielen die Kriterien einer aktuellen Berufserfahrung bzw. auch vorhandener abgeschlossener Ausbildungen, die am Arbeitsmarkt verwertbar sind, eine große Rolle. Die Arbeitslos-Meldung beim AMS ist immer auch mit dem Auftrag zur Vermittlung und der Unterstützung bei der Arbeitssuche verknüpft."
Bedeutet das also, das man niemals die Chance auf Jobwechsel hat? Aus der Zentrale des AMS: "Es kann jedoch auch eine parallele Vorgehensweise vereinbart werden, wenn der Wunsch nach Veränderung oder auch Zweifel am Vermittlungserfolg bestehen. Diese alternativen Möglichkeiten, wie etwa Weiterbildung oder Umorientierung müssen arbeitsmarktpolitisch begründet erfolgen. Dabei haben AMS-Berater_innen gegebenenfalls auch mittels Einholung von zusätzlicher Fachexpertíse (z.B. medizinischer Befunde) einzuschätzen, ob ein Abgehen von der vorrangigen Vermittlungsstrategie ausreichend begründet ist. So kann das Ziel der Vermittlung angepasst werden, wenn etwa aus gesundheitlichen Gründen ein Berufswechsel angezeigt ist."
Dorian S. hat mittlerweile aufgegeben. Er arbeitet als Rettungssanitäter: "Es gibt viele, die jahrelang zuhause sitzen, nichts tun und nur das Geld vom AMS kassieren. Ich wollte wirklich arbeiten – aber so kann ich mich niemals beruflich verändern. Um Gottes Willen, ich wollte doch nur die Ausbildung machen."
Bevor wir unser Gespräch beenden, sagt Dorian S. noch: "Ich habe jetzt eh einen Superjob, aber mein Traumberuf bleibt Polizist, jedes Mal, wenn ich einen auf der Straße sehe, denke ich mir, ich hätte das sein können!"