Zwist zwischen ÖVP und SPÖ

Kopftuch-Knaller – Verbot sorgt für Koalitions-Krach

Das Kopftuchverbot gerät nach Zweifeln aus SPÖ-Kreisen ins Wanken. "Es ist ein Koalitions-Entwurf", sagt Ministerin Plakolm und kritisiert die Roten.
Nicolas Kubrak
25.10.2025, 06:45
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Wirbel um das geplante Kopftuchverbot an Schulen: Mit dem Ablauf der Begutachtungsfrist am Donnerstag mehren sich die Zweifel am Vorhaben. Besonders die Stellungnahme aus dem SPÖ-geführten Justizministerium stellt die Umsetzung des Verbots infrage.

Gerichtshof könnte Verbot kippen

So wird auf vier Seiten argumentiert, dass man mehrere Mängel am Gesetzesentwurf orte. Einer davon: Es seien "keinerlei gesicherte Zahlen" zu finden, wie viele Mädchen unter 14 Jahren tatsächlich ein Kopftuch tragen.

Argumentiert wird auch mit dem Gleichheitsgrundsatz. Denn da sich das Gesetz auf Mädchen beschränkt, drohe es erneut abgeschmettert zu werden. Stattdessen empfiehlt das Justizministerium "eine geschlechts- und religionsneutrale Formulierung, die nicht ausschließlich auf das islamische Kopftuch abzielt".

SPÖ-Ministerin will "ernsthafte Auseinandersetzung"

Mit der Kritik ist das Justizministerium nicht alleine. Die im Frauenministerium von Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) angesiedelte Gleichbehandlungsanwaltschaft warnt etwa vor einem "Diskriminierungspotenzial", das ein Verbot mit sich bringen würde. "Die Statistiken belegen, dass in Bildungseinrichtungen rassistische Erfahrungen das Leben vieler Schüler:innen prägen. Der vorliegende Entwurf würde dies noch befeuern", so die Leiterin Sandra Konstatzky.

Die Frauenministerin persönlich hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Das unter Türkis-Blau beschlossene Kopftuchverbot sei 2020 "zu Recht" aufgehoben worden. Das aktuelle müsse daher "wesentliche Punkte" adaptieren. "Einiges wurde berücksichtigt, die Stellungnahmen greifen weitere Punkte auf und deshalb muss man sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzen", so Holzleitner.

Plakolm: "Justizministerium war eingebunden"

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP), die das Verbot mit aller Kraft umsetzen will, betont im "Heute"-Gespräch: "Der vorliegende Entwurf des Kinderkopftuchverbotes ist nicht mein Entwurf, sondern ein Entwurf dieser Koalition."

Integrationsminsterin Plakolm: "Das Team von Justizministerin Anna Sporrer war über die Regierungskoordination in die Erstellung des Entwurfes eingebunden."
BKA

Verwunderung gibt es über die Zweifel aus dem Justizministerium: "Das Team von Justizministerin Anna Sporrer war über die Regierungskoordination in die Erstellung des Entwurfes eingebunden. Das Justizministerium bestätigt mit seiner Stellungnahme – absichtlich oder unabsichtlich – einen ganz zentralen Punkt: Dass wir mit dem neuen Entwurf auf die Kritik des VfGH eingehen“, so Plakolm.

"War mit SPÖ und NEOS nicht möglich"

Die Ministerin zeigt sich allerdings offen für Anpassungen: "Den Kritikpunkt, dass der Begriff 'ehrkulturelle Verhaltenspflicht' unklar ist, nehmen wir gerne auf. Der Entwurf ist ein Kompromiss von drei Parteien und das war ein Punkt, der der SPÖ internen Abstimmung geschuldet ist."

„Die ÖVP hätte sich gerne auf valide Zahlen gestützt, das war mit SPÖ und NEOS nicht möglich.“
Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP)

Ein weiterer Punkt sind die fehlenden Zahlen, wie viele Mädchen Kopftuch tragen. Plakolm dazu: "Die ÖVP hätte sich gerne auf valide Zahlen gestützt, das war mit SPÖ und NEOS nicht möglich. Daher haben wir es hochgerechnet und kommen auf 12.000 potenzielle Mädchen mit Kopftuch alleine in Wien. Es reicht aber aus unserer Sicht ohnehin ein Blick in die Klassenzimmer und auf die Straße, um ein Gefühl für die Dimension des Problems zu bekommen“, so die Ministerin.

SPÖ: "Wir stehen zum Kopftuchverbot"

Aus SPÖ-Kreisen dementiert man: "Wir stehen zum Kopftuchverbot und zum Regierungsprogramm." Dort stehe geschrieben, dass es verfassungskonform umzusetzen sei. Es im Verfassungsrang zu beschließen wäre nur sinnbefreit, denn "jedes Gesetz muss grundrechtskonform sein, auch solche, die im Verfassungsrang beschlossen werden", erklärt ein Sprecher zu "Heute". Auch wenn man das Verbot im Verfassungsrang beschließen würde, könne es gekippt werden. Außerdem würden dabei Strafen seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte drohen.

„Wir stehen zum Kopftuchverbot und zum Regierungsprogramm.“
ein SPÖ-Sprecher zu "Heute"

"Deswegen sind wir dafür, alles zu tun, um die Wahrscheinlichkeit, dass es verfassungskonform ist, zu erhöhen. Alle abweichenden Behauptungen sind falsch."

SPÖ-Lercher: "Falsch verstandene Toleranz"

Steiermarks SPÖ-Chef Max Lercher fordert in der Kopftuch-Debatte eine klare Linie. "Der Schutz junger Mädchen muss über falsch verstandener Toleranz stehen. Unser Standpunkt ist klar: Es geht hier um Jugendschutz, um Selbstbestimmung und darum, dass eine freie Entscheidung zum Kopftuch nicht von Kindern getroffen werden kann", sagt er zu "Heute".

SPÖ-Steiermark-Chef Max Lercher will, dass der Schutz junger Mädchen über "falsch verstandener Toleranz" steht.
Denise Auer

Die Schule müsse ein neutraler Ort sein, "der es jungen Mädchen ermöglicht, sich frei zu entfalten – ganz ohne Zwang". Aus dem Grund hat die steirische Sozialdemokratie einem entsprechenden Entschließungsantrag zum Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen zugestimmt.

Landeschefin Johanna Mikl-Leitner: "Ich habe als Frau und Mutter zweier Töchter nicht jahrzehntelang für Gleichberechtigung gekämpft, um mir jetzt das Gegenteil erklären zu lassen."
Helmut Graf

Mikl-Leitner: "Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung"

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) macht sich im "Heute"-Gespräch für das Verbot stark. "Wir leben in einem Land, in dem Buben und Mädchen gleichberechtigt ohne Zwänge aufwachsen sollen. Dabei hat das Kopftuch auf den Köpfen der jungen Mädchen nichts verloren."

Für die mächtige VP-Landeschefin ist das Kopftuch ein "Zeichen der Unterdrückung", betont sie. "Ich habe als Frau und Mutter zweier Töchter nicht jahrzehntelang für Gleichberechtigung gekämpft, um mir jetzt das Gegenteil erklären zu lassen. Mädchen sollen genauso wie Buben lachen, lernen und träumen können - und nicht durch ein Kopftuch bevormundet und unterdrückt werden. Schützen wir die Freiheit unserer Mädchen. Jetzt.“

{title && {title} } nico, {title && {title} } Akt. 27.10.2025, 13:32, 25.10.2025, 06:45
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