Am Donnerstag ist die Begutachtungsfrist für das Kopftuchverbot an Schulen abgelaufen. Eine bemerkenswerte Stellungnahme hat der Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) abgegeben. Er lässt kein gutes Haar am Kopftuch für unter 14-Jährige und bezeichnet es als potenzielle Gefahr für die psychische Entwicklung. Daher wird das geplante Verbot ausdrücklich begrüßt.
"Aus psychologischer Sicht ist die Schule ein zentraler Entwicklungsraum, in dem Kinder und Jugendliche unabhängig von religiösen, kulturellen oder geschlechtsspezifischen Normen ihre Identität, Selbstwirksamkeit und Autonomie entfalten können", heißt es gleich am Beginn der vierseitigen Stellungnahme. Demnach könne "ein gesetzliches Verbot religiös motivierter Verschleierung im Kindesalter – bei sensibler Umsetzung und begleiteter psychologischer Betreuung" – einen Beitrag dazu leisten, Entwicklungsfreiheit und psychische Gesundheit zu fördern sowie geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen zu reflektieren".
Kinder im Volksschul- und frühen Sekundarstufenalter befänden sich in einer entscheidenden Phase der Ich-Entwicklung und sozialen Rollenfindung. "Externe, kollektiv auferlegte Bekleidungsvorschriften – insbesondere solche mit religiös-moralischem Hintergrund – können diese Entwicklung erheblich beeinträchtigen", warnen die Psychologen.
Sie sehen mehrere Herausforderungen: So könne das Kopftuch die individuelle Autonomie unterdrücken, mit einer frühzeitigen Sexualisierung einhergehen und die Entwicklung eines gesunden Körperbewusstseins und Selbstwertgefühls beeinträchtigen. Zudem erhöhe es durch soziale Abgrenzung das Risiko für Mobbing, soziale Isolation oder Loyalitätskonflikte erhöht.
Ein weiterer Kritikpunkt der Experten betrifft die Diskriminierung. Denn der Zwang zum Kopftuch betreffe ausschließlich Mädchen und stelle damit "eine Form geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlung" dar. "Aus psychologischer Perspektive wirkt es verstärkend auf stereotype Geschlechterrollen und auf die Vorstellung, dass Mädchen für das Verhalten anderer (insbesondere männlicher) Personen verantwortlich seien. Dies widerspricht grundlegenden Prinzipien moderner Geschlechterpädagogik und Gleichstellungspolitik." Dagegen fördere ein schulischer Rahmen, der Mädchen unabhängig von Kleidung, Körper oder religiöser Symbolik bewertet, Selbstwirksamkeit, Selbstwert und soziale Integration.
Die Psychologen verweisen auch auf den Aspekt des Kindeswohls. Dieses müsse aus psychologischer Sicht stets oberstes Kriterium sein. So verpflichte die UN-Kinderrechtskonvention Staaten dazu, Kinder in ihrer freien Meinungsbildung und Entwicklung zu unterstützen und sie vor jeder Form von Diskriminierung zu schützen. Auch die österreichische Verfassung garantiere die Gleichstellung von Frauen und Männern und das Kindeswohl. "Das Kindeswohlprinzip kann im schulischen Kontext daher zu Spannungen mit elterlichen, religiös und kulturell motivierten Erziehungsrechten treten."
Der BÖP schlägt ein Bündel an Begleitmaßnahmen zum Verbot vor. Dazu zählen etwa psychologische Schulungen für Lehrkräfte und Schulleitungen durch Schulpsychologen in sensibler Gesprächsführung mit den betroffenen Familien. Notwendig sei "interkulturelle, gendersensible und kindeswohlbezogene Bildungsarbeit, die religiöse Vielfalt zwar respektiert, patriarchale Strukturen aber reflektiert und hinterfragt". Ebenso wichtig: Die Stärkung schulpsychologischer Dienste, um Kinder und Eltern in Übergangsphasen zu unterstützen und Konflikte präventiv zu entschärfen.
Eine gewisse Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes sollte es eine Evaluierung geben, wie es sich tatsächlich auf Wohlbefinden, Integration und Bildungschancen der betroffenen Kinder auswirkt.
„Ein achtjähriges Mädchen ist einfach ein Kind – kein Sexobjekt, das versteckt werden muss.“Claudia PlakolmIntegrations- und Familienministerin, ÖVP
Das Fazit der Experten: "Aus psychologischer Perspektive leistet ein altersbezogenes Verbot religiös motivierter Verschleierung im schulischen Kontext einen wichtigen Beitrag zum Kindeswohl, zur Entwicklung autonomer Identität und zur Stärkung von Gleichberechtigung und Integration."
Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP), die das Gesetz federführend verantwortet, fühlt sich in ihrer Argumentation durch diese Stellungnahme bestätigt: "Ein achtjähriges Mädchen ist einfach ein Kind – kein Sexobjekt, das versteckt werden muss. Ein Kind soll spielen, klettern, schwimmen, träumen und lachen dürfen – nicht verschleiert, nicht kontrolliert, nicht bewertet werden. Das Kopftuch in jungen Jahren kann die psychische Entwicklung beeinträchtigen und Mädchen früh in Rollen drängen, die ihnen die Freiheit nehmen, selbst zu entscheiden, wer sie sein wollen."