"Ich habe eigentlich als Rechtspfleger gearbeitet. Das ist aber mittlerweile mehr als zehn Jahre her", erzählt Victor C. gegenüber "Heute". Das Leben des 54-Jährigen nahm zahlreiche Wendungen. 2024 befindet sich C. in einem Langzeit-Dienstverhältnis als Maschinenführer in einer Fabrik, schuftet in Schicht- und Nachtarbeit – dann schafft er es gesundheitlich nicht mehr und wird arbeitslos. C. will sich umschulen lassen, doch das AMS schlägt ihm zuerst einen Deutsch-Kurs vor.
"In der Fabrik, das hat mein Körper einfach nicht mehr mitgemacht", sagt C. und atmet dabei lange aus. In seiner Jugend hatte C., der in Wr. Neustadt lebt, eine berufsbildende Schule besucht, den Beruf des Elektrikers erlernt. Es folgte ein Studium der Rechtswissenschaften, das C. auf Bachelor-Niveau beendet. Er wird zunächst Rechtspfleger – in Rumänien.
"Ich bin 2016 nach Österreich gekommen und musste hier ganz neu anfangen", erzählt der 54-Jährige, der am Anfang in der Gebäudereinigung arbeitete: "Dort habe ich meine Deutschkenntnisse verbessert. Gleichzeitig war mein ursprüngliches Studium quasi über Nacht wertlos geworden", erzählt C. Mit über 50 Jahren befand er sich im harten Alltag der Fabriksarbeit und hielt dort weiter durch, bis es schlicht nicht mehr ging – kein Einzelfall.
Das Land Niederösterreich gab im September bekannt, dass zuletzt wieder mehr ältere Menschen ihre Jobs verloren haben, viele aus gesundheitlichen Gründen. Gegenüber dem Vorjahr betrug der Anstieg bei Personen ab 50 Jahren 5,7 Prozent. Insgesamt sind in Niederösterreich derzeit 54.058 Personen am AMS gemeldet.
"Aktuell befinden wir uns in einer Phase des Nullwachstums. Wir rechnen daher für 2026 mit einem weiteren Anstieg von etwa 4 Prozent bei der allgemeinen Arbeitslosigkeit", sagt AMS-NÖ-Chefin Sandra Kern gegenüber "Heute". Fälle, wie der von Victor C., seien häufig: "Für die Betroffenen ist das oft ein langer Kampf um Beschäftigung."
Gerade in der Generation 50 Plus, kämpft ein Drittel der gemeldeten Personen mit gesundheitlichen Problemen: "Ein Trend, der nicht abreißen wird. Im Gegenteil, durch die gestiegene Lebenserwartung und die längere Lebensarbeitszeit, steigt die Zahl der Personen mit diesen Herausforderungen", hieß es kürzlich vom AMS.
Für die Gesellschaft stelle das eine zu lösende Aufgabe dar, sagt Kern dazu, denn: "Während die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt, insbesondere im höheren Alter (eine Folge der Angleichung des Pensionsantrittsalters von Männern und Frauen, Anm.), erhöht sich im Alter für alle das Risiko gesundheitlicher Einschränkungen."
Dann stellt die AMS-Chefin klar: "Die allermeisten Menschen, die gerade ohne Job durchkommen müssen, wollen arbeiten, das zeigt die Erfahrung. Hier müssen alle, auch die Unternehmen, umdenken."
Auch Victor C. wollte nicht lange arbeitslos bleiben: "Ich dachte daran künftig als Elektriker zu arbeiten." Im Beratungsgespräch mit dem AMS erfährt C., dass es zwar die Möglichkeit einer geförderten Facharbeiterausbildung gibt, dafür aber die Sprachqualifikation B1 nachgewiesen werden muss. C. willigt ein – mit dem B1-Zertifikat in der Tasche kommt er erneut zur Beratung. Perspektivenklärung nennt es das AMS.
"Erst da habe ich gemerkt, dass mir das Arbeiten mit Holz noch mehr Freude macht", sagt C. Schließlich wurde es eine verkürzte Lehre zum Tischler. Ob er in seinem Leben noch einmal einen Job am Schreibtisch anstreben wird, weiß C. nicht: "Zumindest mit den Schichten in der Nacht ist es vorbei. Und als Tischler gibt es für mich genug zu tun." Das freut auch AMS-Chefin Kern: "Herr C. ist heute, mit 54 Jahren, eine gefragte Fachkraft."
Das AMS forcierte zuletzt seine Bemühungen, mehr in dieser Richtung zu tun. So etablierte man ein Modell für den gesicherten Einstieg von Fachkräften. Dazu gehören geförderte Arbeitsplätze in Partnerunternehmen, aber auch, wie es vom AMS heißt, die "Hinaufqualifizierung von Arbeitssuchenden". Im Fall von Victor C. hat sich das gelohnt.
"Heuer haben wir dafür bereits 39,6 Mio. Euro in die Hand genommen", sagt Kern: "Das neue Model hilft Menschen mit nachhaltigerer Weiterqualifizierung. Denn, Betroffene haben mehrere Wochen Zeit, um Informationen zu sammeln, Dinge auszuprobieren und sich dann zu entscheiden. In der Praxis zeigt sich, dass das sinnvoll ist."
Bisher hätten in Niederösterreich rund 600 Jobsuchende das neue Angebot genutzt. "Mehr als die Hälfte von ihnen ist bei der Ausbildung geblieben, die sie gewählt haben", sagt die AMS-Chefin. Dabei sei es nicht immer leicht, "die richtige Ausbildung, für die richtige Person und dann den richtigen Betrieb zu finden." Dennoch, zwei Drittel der Teilnehmenden von AMS-Bildungsangeboten fassen im Schnitt drei Monate nach Schulungsende im Erwerbsleben Fuß.
Zurück in Wr. Neustadt: Victor C. ist froh über die Entscheidung, die er getroffen hat: "Es ist sicher kein leichter Job, meine Gesundheit gibt es aber her." Dann lacht er: "Niemand weiß, wohin einen das Leben führt. Ich bin froh, dass ich jetzt etwas sinnvolles mache."