Die laut Reisepass erst 14-jährige Bakthi hatte ein westlicheres Leben führen wollen. Dafür wurde sie im September 2017 im Innenhof eines Favoritener Gemeindebaus von ihrem eigenen Bruder Hikmatullah S. mit deutlich mehr als zwanzig Messerstichen getötet.
Sie habe "die Ehre der Familie beschmutzt" und "keinerlei Respekt" ihm gegenüber gezeigt, gab der selbst noch junge Mann – sein genaues Alter ist unbekannt – später in seinem Geständnis zu Protokoll. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte im Februar 2019 schließlich das vorangegangene Urteil über den Afghanen: lebenslang!
"Er hat seine Schwester wegen einer angeblichen Aussprache in einen Hinterhof gelockt und sie dort mit einem Jagdmesser niedergemetzelt. Solche patriarchalischen Strukturen haben bei uns keinen Platz", begründeten die drei Richterinnen damals ihre einstimmige Entscheidung. Der "Killer-Bruder" wanderte nach Krems-Stein hinter Gitter.
Dort kursiert jetzt kurz vor Weihnachten ein brisantes Gerücht: Hikmatullah S. soll einen Plan haben, wie er frühzeitig wieder zu einem freien Mann werden könnte!
Er soll über einen renommierten Juristen bei Gericht einen Antrag auf seine Verlegung in seine Heimat Afghanistan gestellt haben. Der Wiener Anwalt Philipp Springer gibt sich gegenüber der "Kronen Zeitung" zugeknöpft, bestätigt jedoch: "Ja, es stimmt. Ich bin gerade dabei, für einen meiner Klienten eine Überstellung in sein Geburtsland anzuregen."
Dort könnte er schnell aus dem Gefängnis entlassen werden. Ehrenmorde an Frauen würden wie Kavaliersdelikte behandelt, erklärt Afghanistan-Expertin Petra Ramsauer. In Afghanistan hätte er vermutlich nur eine "sehr geringe oder vielleicht sogar gar keine" Haftstrafe kassiert.
Die erschütternde Realität: "Ein Mord 'aus Gründen der Familienehre' galt sogar schon vor der Machtergreifung der Taliban als strafmildernd. Jetzt muss man davon ausgehen, dass diesbezüglich kaum noch Unrechtsbewusstsein besteht. In diesem System ist Gewalt gegen Frauen ja geradezu Normalität."
Die Vorgeschichte des Femizids erschüttert. Die Familie war 2013 nach Österreich geflüchtet. Während sich Bakthi hier gut eingelebt und davon träumte, einmal eine Lehre als Verkäuferin zu machen, hatte ihre Familie andere Pläne für sie.
Der westliche Lebensstil war ihnen zuwider, die junge Afghanin wurde zum Tragen eines Kopftuchs gezwungen, Freundschaften zu anderen Jugendlichen wurden ihr untersagt. Und: Wie schon ihre zwei Schwestern sollte sie nach Pakistan zwangsverheiratet werden.
Bakthi wehrte sich dagegen, wodurch es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen kam. Am 30. Juni 2017 zeigte sie ihren Vater und Bruder Hikmatullah wegen Körperverletzungen an. Sie hatte damals Blessuren an den Armen und im Gesicht.
Ihre damaligen Worte lassen auch heute noch erschaudern: "Die beiden misshandeln mich ständig. Meine Mama hilft mir nie, sie lacht, während ich verprügelt werde. Ich will nicht mehr heim, denn dort könnte mir Fürchterliches geschehen", zitiert die "Krone".
Die folgende Woche wohnte sie in einem Kriseninterventionszentrum – und wurde danach wieder ihren Eltern übergeben. Wenige Tage vor der Bluttat flüchtete sie wieder, suchte Schutz beim Jugendamt. Wegen Personalmangels konnte man ihr jedoch nicht dauerhaft einen Helfer zur Seite stellen.
Am 18. September 2017 machte sich Bakhti – alleine – auf den Weg in die Schule. Ihr Bruder lauerte ihr in einer Favoritener U-Bahn-Station auf, verfolgte sie. Was danach geschah, gab er selbst in den Einvernahmen zu Wort.
Er habe es als "seine Pflicht" gesehen, die abtrünnige Schwester wieder nach Hause zu bringen. Die folgende "Aussprache" habe sich von der offenen Straße in den Gemeindebau-Innenhof verlagert. Bakhti sei "völlig uneinsichtig" gewesen: "Dadurch begriff ich, dass sie keinerlei Respekt vor mir hatte. Und ich wurde extrem wütend." Er zückte das eingesteckte Messer und stach so lange zu, bis sie sich nicht mehr rührte.
Bakthi war zum Zeitpunkt ihres Todes laut Reisepass erst 14 Jahre alt. Wie auch ihr "Killer-Bruder" dürfte sie aber älter gewesen sein. Gerichtsmediziner gingen nach der Obduktion von 17 oder 18 Lebensjahren aus.
Hikmatullah selbst wurde vor Gericht als Erwachsener behandelt und auch als solcher verurteilt, obwohl er seinen Dokumenten zufolge erst 18 Jahre alt gewesen wäre. Sein Aussehen und andere Umstände hatten jedoch dafür gesprochen, dass er zum Tatzeitpunkt bereits mindestens 21 war. Die exakte Bestimmung mittels Knochenröntgens war aber wegen fehlender Einwilligung nicht möglich.