Oberst Markus Reisner

Russen "gescheitert", Ukraine trifft "Achillesferse"

Wladimir Putins Sommeroffensive geht zu Ende und ist nach Einschätzung von Oberst Reisner "gescheitert". Derweil verbucht die Ukraine neue Erfolge.
Roman Palman
01.10.2025, 09:45
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Die Kämpfe an der ukrainischen Ostfront haben in den letzten Tagen ihren Höhepunkt erreicht. Oberst Markus Reisner spricht von einem Kulminationspunkt der russischen Sommeroffensive. Der operative Durchbruch sei Wladimir Putins Streitkräften dabei nicht gelungen, trotz signifikanter Geländegewinne und einer Verbesserung der Situation zu ihren Gunsten.

Jetzt im Herbst, ab dem Einsetzen der berüchtigten Schlammperiode – ukrainisch "Besdorischschja", russisch "Rasputiza" – kommt das Gerät im Feld kaum mehr vom Fleck. Das Abfallen der Blätter erschwert die Bewegung zusätzlich, Drohnen finden noch leichter ins Ziel.

"Auch diese Sommeroffensive Russlands ist gescheitert", lautet Reisners knallhartes Fazit Montagnachmittag auf "ntv". Die bittere Nachricht für die Ukrainer: "Sobald aber der Boden gefroren ist, kann und wird es auch wieder eine Winteroffensive geben." Bei den Städten Kupjansk und Siwersk vor allem Pokrowsk, Nowopawliwka und Kostjantyniwka sowie Lyman bleibe die Lage prekär.

Oberst Markus Reisner leitet seit 1. März 2024 das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Währenddessen konnten die Verteidiger die sogenannte "Neue Donbass-Linie" hinter bereits verlorenen Stellungen aufbauen. Das ist allerdings kein vielschichtiges Netzwerk mehr, sondern besteht vor allem aus Kilometer um Kilometer an Stacheldraht. "Der erfüllt aber durchaus seinen Zweck, weil wegen der ständigen Drohnenüberwachung die Angreifer meist in kleinen Stoßtrupps vorrücken", weiß der österreichische Analyst.

40.000 Shahed-Drohnen im Jahr

Von der Gatsch-Situation an der Front unbeeindruckt, werden auch die Luftangriffe weitergehen. Die Generäle von Kriegstreiber Wladimir Putin nehmen vor dem Winter erneut die ukrainische Strom- und Wärmeversorgung ins Visier.

Die Massenproduktion für die Kamikaze-Drohnen ist längst angelaufen. "Nach ukrainischen Geheimdienstinformationen plant Russland, in diesem Jahr insgesamt fast 80.000 Angriffs- und Täuschdrohnen zu produzieren." Rund die Hälfte davon entfallen auf den Typ Geran-2 (Shahed), der mittlerweile auch für Angriffe auf Umspannwerke genutzt wird.

"Ukraine zielt erfolgreich auf Achillesferse"

Doch auch auf ukrainischer Seite wird die Entwicklung von Abfang- und Angriffsdrohnen massiv vorangetrieben – und das wird inzwischen ziemlich schmerzhaft für den Kreml. Immer wieder gehen russische Öl-Raffinerien in Flammen auf.

"Zum ersten Mal seit langer Zeit können wir messbare Ergebnisse der ukrainischen Luftkampagne gegen Russland beobachten", sagt Reisner. Nach Schätzungen unterschiedlichster Experten sei rund ein Viertel der russischen Erdöl-Produktion lahmgelegt. "Die Ukraine zielt erfolgreich auf Russlands Achillesferse: Die Deviseneinnahmen durch Erdölverkäufe ins Ausland sind das Schmiermittel der russischen Kriegsindustrie."

Das Auftreten mutmaßlich russischer Drohnen über Skandinavien, dem Baltikum bis runter nach Rumänien wertet der Kriegsbeobachter als ein Zeichen dafür, dass der ukrainische Druck wirkt. "Die russische Seite versucht, davon abzulenken, durch ihr Einwirken tief in den NATO-Raum. Nebenher binden die Drohnen aber auch Flugabwehr, die die NATO-Staaten dann womöglich nicht der Ukraine zur Verfügung stellen."

Liefern USA "Tomahawk"?

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt Donald Trump um die Lieferung von "Tomahawk"-Marschflugkörpern ersucht. Mit dieser und anderen weiterreichenden westlichen Waffen könnten Ziele tief in russischem Hinterland ins Visier genommen werden. Damit könnten kritische Stellen der russischen Streitkräfte angegriffen werden. "Das würde auch russische Vorbereitungen auf eine neue Frühjahrs- und Sommeroffensive stören."

Zu den Tomahawk gibt es noch keine Entscheidung aus dem Weißen Haus, für bereits gelieferte Waffensysteme hatte es zuletzt aber keine entsprechende Einsatzerlaubnis für Kyjiw gegeben. Hier zeichnet sich aber eine Kehrtwende ab.

"Es könnte sein, dass von US-Seite eine Freigabe von gewissen Angriffen auf russisches Territorium bereits erfolgt ist", folgert der Bundesheer-Oberst aus den mutmaßlichen Einschlägen von ATACMS- bzw. HIMARS-Geschossen in Brjansk und Belgorod samt großflächigen Blackouts. Entsprechendes hatte der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Keith Kellogg, am Sonntag bereits auf "Fox News" durchblicken lassen.

Trump nicht weiter als Biden

Ursächlich ist wohl Wladimir Putin selbst. Weil der Kreml-Kriegstreiber alle Bemühungen der diplomatischen Vermittlung durch US-Präsident Donald Trump weiter torpediert, könnte dem Mann im Oval Office nun der Geduldsfaden gerissen sein.

"Die Trump-Regierung ist offenbar am selben Punkt angelangt, wo schon die Biden-Regierung am Ende ihrer Amtszeit angekommen war: Auch sie gestattete im Zusammenhang mit der ukrainischen Kursk-Offensive zeitweise den Einsatz weitreichender westlicher Waffen tief in russischem Territorium", schließt Reisner.

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 01.10.2025, 11:34, 01.10.2025, 09:45
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