Bei vielen Fragen beißt man bei Jörg Leichtfried, SPÖ-Staatssekretär im Innenministerium, auf Granit: "Darüber darf ich nicht reden." Der 58-Jährige ist zuständig für Staatsschutz und Nachrichtendienst - aber Storys à la James Bond sind ihm nicht herauszukitzeln. Nur so viel: Österreichs Verhältnis zu den internationalen Diensten sei nach der durch die BVT-Affäre bedingten Eiszeit inzwischen wieder voll intakt.
Im großen "Heute"-Talk (ganzes Interview im Video unten) erläutert Leichtfried die Eckpunkte des neuen Waffengesetzes, das die Regierung jetzt auf den Weg gebracht hat. Und er skizziert wachsende Bedrohungen aus dem Internet - zunehmend würden Jugendliche über Social Media radikalisiert: "Unsere Kinderzimmer sind nicht mehr sicher", warnt er. Die Regierung will deshalb eine gesetzliche Altersgrenze für TikTok & Co einführen.
Leichtfried über:
"Unser Zugang ist die Gefahr der Online-Radikalisierung. Weil wir feststellen, dass die immens zunimmt. Junge Menschen – immer jüngere – werden über Social-Media-Plattformen radikalisiert. Und diese Radikalisierung findet nicht nur online statt, sondern hat tatsächliche Auswirkungen: Junge Menschen beginnen, Attentatspläne in Österreich zu schmieden."
Es gehe aber auch um Online-Mobbing oder Gewalt-Videos, vor denen man Kinder und Jugendliche schützen wolle. Leichtfried: "Wenn man weiß, dass die Kinderzimmer in Österreich nicht mehr der Hort der Sicherheit sind, sondern Kinder und Jugendliche dort Dinge zu sehen bekommen, die auch wir uns nicht anschauen wollten, dann ist es Aufgabe des Gesetzgebers zu reagieren."
„Beim Rauchen, beim Alkohol, bei Filmen gibt es Schutzvorschriften. Es ist an der Zeit, das auch für Social Media zu machen.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
"Kinder und Jugendliche zu schützen, ist in unserer Rechtsordnung immanent", betont Leichtfried: "Beim Rauchen, beim Alkohol, bei Filmen gibt es Schutzvorschriften. Es ist an der Zeit, das auch für Social Media zu machen."
Ein Mindestalter von 15 Jahren für Plattformen wie Instagram, TikTok & Co. soll laut dem Staatssekretär helfen, Kinder und Jugendliche besser zu schützen: "Es kristallisiert sich das Alter 15 heraus. Das wäre ein sinnvoller Schnitt", so Leichtfried.
Umsetzbar sei das sowohl europaweit als auch einzelstaatlich: "Das Beste wäre, es würde relativ rasch europaweit geregelt und eingeführt werden." Laut Leichtfried sind mehrere Länder schon an Bord: „Die EU-Kommissionspräsidentin hat sich massiv dafür ausgesprochen. Spanien möchte es, Frankreich möchte es, Griechenland ist schon sehr weit, Deutschland diskutiert ebenfalls. Wir müssen da mit dabei sein."
Aber wie soll das gehen, müssen künftig alle Teenies ihre Ausweise scannen, bevor sie sich bei Social Media einloggen? Leichtfried: "Es gibt mehrere Möglichkeiten. Man kann es beispielsweise über die App-Stores machen. Die EU überlegt, eine eigene App zu entwickeln, sodass es möglich ist, ohne sich persönlich identifizieren zu müssen, Altersgrenzen einzuhalten."
Zunächst gelte es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese Initiative, die ja ursprünglich von den Grünen gekommen sei, zu schaffen, sagt Leichtfried: "Wir müssen uns jetzt erst einmal einig werden in der Koalition, dass wir das wollen - und da sind wir schon sehr weit. Ich bin immer Anhänger von klaren gesetzlichen Regelungen, die definieren, was zu tun ist. Und der nächste Schritt ist dann die Umsetzung."
„Müssen uns vorbereiten, das bei uns umzusetzen, wenn es auf EU-Ebene zu lange dauert.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
Man werde relativ bald einschätzen können, welchen Zeitrahmen die EU habe, so Leichtfried: "Gleichzeitig müssen wir uns vorbereiten, das bei uns umzusetzen, wenn es auf EU-Ebene zu lange dauert."
"Nach dem entsetzlichen Amoklauf in Graz war die Erkenntnis da, dass das Waffenrecht in Österreich verschärft werden muss. Das haben wir jetzt getan. Wir haben die Altersgrenzen hinaufgesetzt: 21 Jahre für Langwaffen, 25 Jahre für Faustfeuerwaffen. Das wird rückwirkend ab 1. Juni 2025 gelten. Es kommen strengere Psychotests für jene, die eine Waffe erwerben wollen - zu wiederholen nach fünf Jahren."
Was hinzukomme sei, dass Waffenbesitzer regelmäßig weiter überprüft werden, etwa wie die Waffe gelagert wird. "Das ist dann schon ein sehr engmaschiges Netz", sagt Leichtfried.
Entscheidend sei auch, dass es in Zukunft Datenaustausch geben wird zwischen den Behörden, sodass die Waffenbehörde alle notwendigen Informationen bekommt.
Als wesentlichen Punkt des neuen Gesetzes betont Leichtfried, dass Waffenverbote künftig viel leichter ausgesprochen werden können: "Es gibt gewisse Deliktsgruppen, da gehört häusliche Gewalt dazu, Extremismus, Hochverrat - wo schon bei Eröffnung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Waffenverbote sofort ausgesprochen werden können.“
"Die Jagdprüfung ist sehr umfangreich und aufwendig." Ob da auch psychologische Tests dazugehören? Das glaube er nicht, sagt Leichtfried - aber um an eine Waffe zu kommen, werde wohl kaum jemand sich die Jagdprüfung antun.
„Waffengesetz: Unser Ziel war, möglichst einen guten Mittelweg zwischen Restriktion und Eigenverantwortung zu finden.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
"Manche mögen das Bedürfnis haben. Unser Ziel war, möglichst einen guten Mittelweg zwischen Restriktion und Eigenverantwortung zu finden."
Es gilt als wahrscheinlich, dass die FPÖ gegen das Waffengesetz stimmen wird. Was sagt Leichtfried dazu? ""Es ist scheinbar so, dass die FPÖ sich in jeder Lage gegen alles entscheidet, was zur Abstimmung ins Parlament kommt. Das ist unverantwortlich. Aber man hat ja schon bei den Regierungsverhandlungen gesehen: Wenn es darauf ankommt, Verantwortung übernehmen zu sollen, kneift die FPÖ."
Es gab den Plan, ein Register der Hassprediger zu erstellen, die im Internet Anhänger rekrutieren. Ist das schon auf den Weg gebracht? Leichtfried: "Es wäre gut, wenn es bald auf dem Weg wäre, weil man immer mehr drauf kommt, dass es unsägliche Formen solcher Hasspredigten gibt. Das wird immer schlimmer, auch was es da an Frauenhass gibt. Meines Erachtens ist dagegen massiv vorzugehen."
"Genug ist es nie. Aber alle wissen, dass wir jetzt zwei schwierige Jahre haben. Die letzte Regierung hat ein Budget hinterlassen, das es für die Regierung sehr schwierig macht, muss man offen sagen. Das betrifft auch das BMI. Ich bin aber froh, sagen zu können, dass die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst die einzige Einheit ist, die mehr Personal und mehr Budget hat."
„Menschen, die im Sicherheitsbereich tätig sind, müssen gewisse Grunderfordernisse erfüllen.“Jörg LeichtfriedSPÖ-Staatssekretär im Innenministerium
"Es gibt massive Missstände bei manchen. Das Personal, das eingesetzt wird, ist teilweise nicht geeignet. Da braucht es eine Reaktion des Gesetzgebers. Sicherheit ist ein sehr sensibles Thema. Und Menschen, die im Sicherheitsbereich tätig sind, müssen gewisse Grunderfordernisse erfüllen.“
Leichtfried erarbeitet ein Gesetz, das bald auf den Weg gebracht werde: "Es soll eine Grundausbildung und eine Sicherheitsüberprüfung geben für jene, die in diesem Bereich arbeiten möchten. So wollen wir für die Zukunft Voraussetzungen zu schaffen, dass die Sicherheit im Bereich der Sicherheitsdienstleister erhöht wird."