Mittwochvormittag, der wöchentliche Ministerrat im Bundeskanzleramt. Es war ein Bild, das Bände spricht: Der Hausherr, Christian Stocker, befindet sich im Ausland. Er holt seinen Sommerurlaub auf Zypern nach. Vertreten wird er aber nicht etwa von Vizekanzler Andreas Babler (SP), sondern von der längstdienenden Bundesministerin – Klaudia Tanner.
Babler war kurzerhand nach New York gejettet, um – wie berichtet – Notenblätter zu übergeben. Und das, obwohl Stocker und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) ohnedies in zwei Wochen in der US-Metropole weilen werden.
Der SPÖ-Vorsitzende postete auf Social Media freudig Schnappschüsse aus dem Big Apple. Das Bild, das er mit seiner fünftägigen Reise abgab, irritiert aber nicht nur die spargeplagte Bevölkerung, sondern zusehends auch die eigenen Reihen.
So sorgt eine aktuelle Polit-Umfrage für Erschütterung in der Koalition und Gesprächsbedarf bei den Roten. Die SPÖ ist laut OGM-Erhebung für Servus TV unter ihren historischen Tiefststand vom Wahlabend 2024 gefallen, wird aktuell nur noch auf 19 Prozent hochgeschätzt.
Zum Vergleich: Herbert Kickls FPÖ liegt bei 33 Prozent, die ÖVP bei 22 Prozent, Neos stagnieren bei 10 Prozent. Zweiter Profiteuer neben den Freiheitlichen sind die nun von Leonore Gewessler geleiteten Grünen, die sich auf elf Prozent verbessern können und zusehends rote Stimmen (zurück-)gewinnen.
Die "Ampel-Koalition" schafft zu dritt also gerade noch 51 Prozent – andere Umfragen der Woche sehen jedoch schon den Verlust der Mehrheit. Bedenklich auch: Nach einem halben Jahr im Amt zeigen sich laut OGM 51 Prozent mit der Arbeit der Regierung unzufrieden.
Am Montag ab 10.00 Uhr wartet nun ein hitziges SPÖ-Parteipräsidium im Parlament. Intern sorgt auch die von Sozialministerin Korinna Schumann verhandelte Pensionslösung für Zündstoff. Ein Drittel der Versicherten bekommt 2026 nicht die Inflation abgegolten.
"Dass unsere eigenen Leute alles über 2.500 Euro brutto de facto als Luxuspension hinstellen, ist so weltfremd, dass es fast schon weh tut", sagt ein Sozialdemokrat.
Das Pensionsthema wird in den roten Gremiensitzungen wohl emotional nachbesprochen. Man müsse "den Parteivorsitzenden zur Räson zu bringen", heißt es etwa aus dem Burgenland. Klubobmann Roland Fürst: "Ziel muss es sein, die neuerlichen Pensionskürzungen noch zu verhindern und in Zukunft nicht bei jeder Gelegenheit politisch umzufallen." Ähnliche Töne kommen aus der Steiermark: Aus Max Lerchers Sicht hätten die Pensionisten die volle Inflation abgegolten bekommen müssen. Wer eine gute Pension bekomme, hätte sich "sein Leben lang bemüht" und dürfe nun nicht bestraft werden.
Innerhalb der SPÖ herrscht geteilte Meinung über das Regierungscomeback nach knapp acht Jahren auf der Oppositionsbank, es mehren sich aber die Stimmen, dass die aktuelle Performance auf Basis des Regierungsprogramms nicht ausreichen werde. Und: "Die Arbeit von einigen starken Ministern wird immer wieder von unseren 'Sympathieträgern' konterkariert", ärgert man sich in der roten Welt.
So gibt es etwa große Zustimmung zur Arbeit von Quereinsteiger Markus Marterbauer im Finanzministerium oder den Polit-Profis Peter Hanke (Infrastruktur) und Ulli Königsberger-Ludwig (Gesundheit). Babler kreidet man an, dass er etwa ausgerechnet in der Woche der Pensionskürzungen im Ausland weilte; zudem als Medienminister sowohl Privatsender-Heurigen (trotz anfänglicher Zusage) als auch ORF-Programmpräsentation am Küniglberg spritzte.
Und dann wäre da noch Sozialministerin Schumann. Sie sorgt nicht nur beim SPÖ-Kernthema Pensionen für Unmut, sondern auch durch ihre erratische Amtsführung. Wie ausführlich berichtet, ließ sie diese Woche kurzerhand den Startschuss zur Sozialhilfe-Reform platzen, "weil ihr die mediale Berichterstattung nicht gefallen hat", so ein Insider. Nachsatz: "Außerdem: Wer im Glashaus sitzt ... wir wissen mittlerweile genau, wo ein geleakter Entwurf für den Sozialhilfe-Ministerratsvortrag hinausgespielt wurde, den wir dann im 'Standard' gelesen haben."
Immer wieder spießt es sich in der ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition offenbar bei Schumann-Themen: "Sie hat ein riesengroßes Ressort und bringt kaum etwas in die Koordinierung und in weiterer Folge ins Parlament", ärgert sich ein Regierungsmitglied gegenüber "Heute". "Darüber hinaus misstraut sie offenbar auch ihren eigenen Leuten. Erst kürzlich hat sie in ihrem Kabinett eine eigene Kraft eigens für Gesundheitsagenden eingestellt, obwohl es für Gesundheit eine Staatssekretärin gibt, die sogar eine Parteigenossin Schumanns ist."
Schauplatzwechsel. Die Schwarzen sind sich zwar eine geschlossene, eingeschworene Truppe. Wie geht man aber bei der ÖVP mit der tristen Umfragensituation um? Vordergründig gelassen. Der Kanzler lege auf Umfragen keinen Wert, sagt ein Parteistratege "Heute". "Dr. Stocker tut, was er für richtig hält. Ob sich das langfristig in Umfragen niederschlägt, wird man eventuell erst in Monaten, vielleicht sogar erst noch später, sehen."
Mehr zu den Themen der Woche gibt es in unserem neuen "Heute Backstage"-Podcast (Spezial-Ausgabe siehe oben).
Als Beispiel führt der Schwarze an: "Der Bundeskanzler hat der größten ÖVP-Wählergruppe live im ORF-Sommergespräch ausgerichtet, dass sie die Inflation nicht voll abgegolten bekommen. Und den Beamten, dass wir den Lohnabschluss neu verhandeln. Angesichts dessen wäre es ein Wunder, würde die ÖVP in Umfragen steigen würde. Es ist das Gegenteil der Fall: Der Kanzler legt auf Umfragen keinen Wert."