Ahmad Mansour ist gebürtiger arabischer Israeli, seit 2004 lebt der Psychologe und Autor in Berlin – neben der israelischen hat er inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Der 49-jährige Extremismus-Experte ist unter ständigem Polizeischutz, weil er sich gegen den politischen Islam engagiert, sich auch in heiklen Fragen kein Blatt vor den Mund nimmt.
"Heute": Herr Mansour, Sie haben am Dienstag im Österreichischen Integrationsfonds ein Seminar abgehalten. Worum ging es?
Ahmad Mansour: Um Sensibilisierungsarbeit gegen Extremismus und Radikalisierung. Also darum zu verstehen, wie Radikalisierung verläuft: wer sich radikalisiert, warum – und vor allem, wie man diese Menschen erreichen kann. Präventiv, bevor sie sich radikalisieren, und auch währenddessen. Dafür muss man wissen, was überhaupt radikale Einstellungen sind, das ist nicht so einfach. Beten ist nicht radikal, religiös sein auch nicht. Aber wenn bestimmte Prozesse, Denkweisen, Verhaltensweisen sichtbar werden, kann man von Alarmsignalen sprechen.
Nehmen Sie da zum Beispiel die Situation in vielen Schulen ins Visier?
Selbstverständlich. Gruppenbildungen an Schulen, bei denen das Lehrpersonal kaum eingreifen kann, sind ein Riesenthema.
ÖIF mit Seminaren zu Radikalisierungsprävention
Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) bietet im Rahmen seines Herbstprogramms 50 kostenlose Weiterbildungen für Menschen, die in ihrem Alltags- und Berufsleben mit integrationsrelevanten Themen zu tun haben – etwa Pädagogen, Lehrkräfte in Deutschkursen, Personal im Gesundheitsbereich oder Vertreter von Behörden, Gemeinden und Unternehmen. Ein Schwerpunkt des Seminarprogramms liegt auf Radikalisierungs- und Gewaltpräventionn.
Sie sprechen von "Alarmzeichen". Woran erkennt man, dass es wirklich in Richtung politischer Islam oder Radikalisierung geht?
Die beste Methode ist, mit den Menschen ins Gespräch zu gehen. Dann erkennt man, ob jemand in Schwarz-Weiß-Bildern denkt, einen angeblichen Kampf gegen den Islam sieht. Ein sichtbares Alarmsignal ist etwa, wenn Menschen ihre Religiosität über den Alltag stellen. Ich war selbst religiös, bin auf eine muslimische Schule gegangen – aber ich kam nie auf die Idee, einen Gebetsraum zu verlangen oder Prüfungen während des Ramadans zu verweigern. Der radikale Islamist will nicht nur für sich etwas ausleben, sondern seine Religiosität sichtbar machen.
„In vielen Wiener Schulen werden Kinder, die im Ramadan nicht fasten, von anderen unter Druck gesetzt.“Ahmad MansourExtremismus-Experte
Missionierungsarbeit, gepaart mit Mobbing, ist ein weiteres Warnsignal – vor allem gegen andere Muslime, die ihre Religion liberal leben wollen. In vielen Wiener Schulen etwa werden Kinder, die im Ramadan nicht fasten, von anderen unter Druck gesetzt.
Diesen Tendenzen gilt es zu entgegnen, indem man mit diesen Menschen arbeitet, versucht sie zu gewinnen. Da wartet man nicht, bis das Weltbild abgeschlossen ist und sie irgendwo auf dem Weg zu einer Terrororganisation sind, sondern man sollte die Schule als pädagogischen und Präventionsort nutzen, um diese Menschen zu erreichen.
Sind es vor allem Burschen, die andere missionieren wollen?
Nein, auch Mädchen. Aufgrund der Geschlechtertrennung verlaufen diese Prozesse oft getrennt, aber Radikalisierung gibt es auf beiden Seiten. Es gibt Influencerinnen auf Instagram und TikTok, die Tausende Mädchen erreichen und ihnen einen radikalen Islam vermitteln. Bei den Burschen ist es sichtbarer und aggressiver, aber es betrifft beide Geschlechter.
Ist es möglich, diese Menschen zu gewinnen?
Die Gesellschaft muss klare Grenzen zeigen. Es wird immer Extremisten geben, aber sie dürfen nicht den Ton angeben. Besonders online, auf TikTok oder Instagram, müssen liberale Muslime lauter werden. Wer hier lebt und antidemokratische Propaganda betreibt, muss Konsequenzen spüren. Wer Islamist wird, verspielt sein Aufenthaltsrecht in unserem Land.
In Österreich soll ein Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 kommen. Ist das ein guter Schritt?
Es ist ein absolut notwendiger Schritt. Wer im Namen von Feminismus oder Religionsfreiheit dagegen ist, verrät kleine Mädchen. Das Kopftuch steht für Unterdrückung und Sexualisierung junger Mädchen – es hat in einer liberalen Gesellschaft nichts verloren.
„Das Kopftuchverbot für Mädchen ist ein notwendiger Schritt.“Ahmad MansourExtremismus-Experte
Das Mobbing, von dem Sie gesprochen haben – trifft das auch Mädchen, die kein Kopftuch tragen?
Ja, nicht nur von männlichen Mitschülern, auch von anderen Mädchen, Cousins, Tanten. Dieser Druck ist vorhanden. Es gab Moscheevereine, die Mädchen Geld geschenkt haben, wenn sie Kopftuch tragen. Die Verbreitung des Kopftuchs in den letzten 20, 25 Jahren kommt nicht von ungefähr.
Halten Sie das Verbot für durchsetzbar?
Das Gesetz betrifft nur die Schule, nicht den gesamten Tag. Aber eine liberale Demokratie muss sich durchsetzen können. Es gibt ja auch bei anderen Regeln Sanktionen – zum Beispiel, wenn man in der Schule raucht oder T-Shirts mit radikalen Parolen trägt. Und es wird beim Kopftuchverbot Begleitmaßnahmen geben: Gespräche mit Eltern, klare Vorgaben für Schulen. Nur so funktioniert das.
Österreich plant ein verpflichtendes Integrationsprogramm für Zuwanderer mit Sprach- und Wertekursen sowie Einstieg in den Arbeitsmarkt. Reicht das?
Das ist ein sehr guter Anfang. Sprache, Werte, Arbeit – das sind die Grundpfeiler. Aber Integration muss langfristig gedacht werden: in Schulen, in Gemeinden, mit Eltern. Nur so entsteht echte Zugehörigkeit.
Es soll künftig auch finanzielle Sanktionen geben – also Kürzungen bei Sozialleistungen. Richtig?
Absolut. Arbeit ist die beste Integrationsmaßnahme. Wer denkt, es sei etwas Gutes, Menschen Geld zu geben, damit sie zu Hause bleiben, zementiert Diskriminierung und Armut. Kinder brauchen Eltern, die arbeiten gehen, einen geregelten Alltag haben, etwas schaffen, Vorbild für andere werden.
Viele jugendliche Zuwanderer kommen nach Österreich, gelangen aber nicht gleich in einen Ausbildungs- oder Arbeitsprozess...
Ja, das ist gefährlich. Man darf nicht vergessen: Viele dieser jungen Menschen sind emotional belastet, fühlen sich verloren, mussten ihre Familien und vertraute Umgebung verlassen. Wenn sie keine Erfolgserlebnisse durch eine Ausbildung, durch Lernen bekommen und viel zu viel Zeit haben – dann besteht die Gefahr, dass sie Halt an den falschen Orten suchen. Das ist ein Risiko – nicht nur von Radikalisierung, auch von Desintegration. Deshalb sollten diese jungen Menschen schnell eine Arbeit oder eine Ausbildung beginnen.
„Wir können nur so viele Menschen aufnehmen, wie wir auch bewältigen können. Das Asyl, wie wir es in den letzten zehn Jahren betrieben haben, ist tot.“Ahmad MansourExtremismus-Experte
Also: Sprache, Arbeit, Werte – das ist Ihre Integrationsformel?
Genau. Sprache plus Arbeit minus Kriminalität ist das Fundament. Und dazu Wertevermittlung, damit Menschen unsere Grundrechte als Bereicherung verstehen und nicht bekämpfen.
Müssen Abschiebungen konsequenter umgesetzt werden?
Ja. Der Rechtsstaat muss sich durchsetzen. Wer sich verweigert, muss das Land verlassen. Asylrecht bedeutet nicht nur, Menschen aufzunehmen, sondern auch, sie zurückzuschicken, wenn sie die Kriterien nicht erfüllen. Viele Syrer etwa geben an, vor Assad geflohen zu sein – aber das Regime gibt es in dieser Form nicht mehr. Ich frage mich, warum die Leute dann nicht nach Syrien zurückgeschickt werden, wenn sie hier nichts geschafft haben, wenn sie jahrelang nichts getan haben, wenn sie die Sprache nicht lernen, wenn sie kriminell werden, wenn sie nicht ankommen wollen.
Nehmen wir zu viele Menschen bei uns auf? Braucht Europa einen radikalen Kurswechsel in der Migrationspolitik?
Ich würde es nicht "radikal" nennen, sondern vernünftig. Die Debatte über eine Obergrenze halte ich für richtig. Wir können nur so viele Menschen aufnehmen, wie wir auch bewältigen können. Alles andere ist verantwortungslos. Denn viele, die wir jetzt aufnehmen, lassen wir komplett im Stich. Das ist das Rezept für gescheiterte Integration und für Probleme, die wir in dieser Gesellschaft haben. Also: Menschen aufnehmen, Menschen begleiten – aber Menschen abschieben, wenn es nicht geht. Alles mit Vernunft, und nicht einfach sagen, dass jeder, der zu uns kommt, bleiben soll. Das Asyl, wie wir es in den letzten zehn Jahren betrieben haben, ist tot.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie werden wegen Ihres Engagements gegen den politischen Islam, gegen Extremismus persönlich bedroht bis hin zum Mord, brauchen permanenten Polizeischutz. Warum tun Sie sich das an?
Ich bin seit über 20 Jahren in Deutschland, das ist meine Heimat. Ich mache Gebrauch von meiner Meinungsfreiheit – und wer mich bekämpft, bekämpft die Meinungsfreiheit. Ich mache das für meine Tochter, meine Familie, meine Heimat. Ich bekomme den Schutz. Viele andere tun das nicht.