Heeres-Oberst analysiert

"Bitter" – so stören die USA Kiew im Kampf gegen Putin

Die Ukraine intensiviert ihre Angriffe auf militärisch und wirtschaftlich zentrale Ziele in Russland. Bundesheer-Oberst Markus Reisner analysiert.
Michael Rauhofer-Redl
25.08.2025, 17:33
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Seit Ausbruch des brutalen Angriffskrieges der russischen Föderation auf die Ukraine analysiert Bundesheer-Oberst Markus Reisner das Geschehen fachlich und fundiert. Am Montag bezog er via Bundesheer-Medium Stellung zu den jüngsten Ereignissen auf dem Schlachtfeld. Reisner ordnet die jüngsten Angriffe der Ukraine auf militärisch und wirtschaftlich relevante Ziele im russischen Hinterland ein.

Ziel dieser Angriffe sei es, die russischen Streitkräfte tief hinter der Front zu treffen. Ziele seien auf operativer Ebene etwa Gefechtsstände, Logistikknotenpunkte und Truppenbereitstellungen. Auf der strategischen Ebene würde es die Ukraine auf Produktionsstätten der Rüstungsindustrie sowie auf Erdölförderanlagen absehen. "Von diesen Angriffen erwartet sich die Ukraine auf der Zeitachse messbare Ergebnisse. Und wenn man genau hinsieht, sieht man diese auch", so Reisner gegenüber "bundesheer.at". Alleine in den vergangenen Monaten sei si die russische Raffinerieproduktion um die 15 Prozent eingebrochen.

Allerdings gibt Reisner zu bedenken. Auch wenn es aufgrund von Rationierungen für die Zivilbevölkerung zu langen Schlangen vor Tankstellen gebe, sei die Situation für die russische Armee "nicht kritisch" – auch wenn das Ergebnis der ukrainischen Angriffe "nachweislich messbar" sind, so Reisner. Als weiteres Beispiel für kleinere Erfolge der Ukraine nennt der Experte zumindest zwei Drohnenangriffe auf ein wichtiges Logistikzentrum in Tatarstan. "Mindestens sechs Treffer wurden in einem Lagerhaus registriert. Die Ukraine erhofft sich dadurch ein Nachlassen der russischen Drohnenangriffe", so Reisner.

Oberst Markus Reisner leitet seit 1. März 2024 das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Was tun die USA?

Als weiteren Themenkomplex spricht Reisner die Rolle der USA an. Diese wollen die Möglichkeiten weitreichender ukrainischer Angriffe einschränken. Warum? Die Biden-Administration habe im November des Vorjahres – nach intensiver Diskussion – drei gezielte Angriffe auf russisches Territorium zugelassen. Die Russen wiederum setzten im November 2024 erstmals eine russische Mittelstreckenrakete vom Typ "Oreschnik" ein und führten mehrere hybride Angriffe auf Europa durch. Was folgte, waren, so Reisner, Anfang Dezember 2024 Telefonate des amerikanischen mit dem russischen Generalstabschef zum Zwecke der Deeskalation.

Solche Gespräche habe es davor zuletzt im Spätsommer 2022 gegeben. Damals hatte die russische Seite damit geliebäugelt, taktische Atomwaffen einzusetzen. Als Folge des neuerlichen Telefonats im Dezember 2024 wurden die Angriffe auf russischem Territorium noch unter der Präsidentschaft von Joe Biden wieder ausgesetzt, führt Reisner aus. Das sei für die Ukraine bitter, aber "Teil einer sorgfältig überlegten US-Strategie".

USA haben de facto Mitspracherecht

Doch wie wollen die Vereinigten Staaten nun eine weitere Eskalation verhindern? Das könne durch eine Kontrolle des Einsatzes von US-Waffensystemen – oder von Europa gelieferten Waffensystemen, die im Einsatz US-Unterstützung benötigen – erreicht werden, so Reisner. Bei ukrainischen Langstreckenwaffen sei die Einflussnahme nur indirekt möglich.

Der Militär-Experte führt zwei Beispiele aus, bei denen die USA an ihre Grenzen der Einflussnahme gekommen seien. So seien etwa weder der ukrainische Vorstoß in Richtung Kursk 2024 oder die "Operation Spiderweb" 2025 nicht mit den USA koordiniert oder abgesprochen gewesen. Auch im Jahr 2022 hatten die Amerikaner vergebens versucht, die Ukraine daran zu hindern, den russischen Generalstabschef Gerasimov bei einem Frontbesuch zu töten. Es gelang ihnen nicht, die Ukrainer griffen an und Gerasimov überlebte nur knapp.

"Ein wichtiges Zeichen" – aber diese Probleme hat die Ukraine

Auf die Frage, warum weitreichende Waffen für die Ukraine so wichtig sind, antwortet Reisner, dass angesichts des vorherrschenden Abnützungskrieges die Massenproduktion weitreichender ukrainischer Drohnen und Marschflugkörper "ein wichtiges Zeichen" seien. Die Ukraine sei somit in der Lage, der russischen Luftkriegsführung quantitativ etwas entgegenzusetzen. So kämpfe man auf Augenhöhe.

Zuletzt widmet sich Reisner in dem Interview den möglichen Waffenlieferungen der USA. Präsident Donald Trump hat nämlich die Lieferung von sogenannten Extended-Range-Attack-Munitions (ERAM) in Aussicht gestellt. Reisner führt aus, was dieser Waffentyp leisten kann. Dabei handle es sich um mit hoher Sorgfalt entwickelte Hochleistungswaffensysteme mit einer im Vergleich zu ATACMS (Army Tactical Missile System) etwas erhöhten Standardreichweite von bis zu 400 km.

Der Umstand, dass es sich um fertig entwickelte und erprobte Waffensysteme handle, sei wichtig. "Denn um tatsächlich erfolgreich zu sein, benötigen moderne Marschflugkörper eine Reihe von Fähigkeiten. Sie müssen verlässlich funktionieren bzw. resistent gegenüber elektronischen Störmaßnahmen sein, über wirksame redundante Navigationssysteme verfügen und benötigen ein leistungsstarkes Triebwerk. Im Fall der ukrainischen FP-5 'Flamingo' kommt hier z.B. das Jettriebwerk eines L-39-Trainers zum Einsatz. Hinzu kommt der Bedarf an mitgeführten Täuschkörpern gegen anfliegende russische Fliegerabwehrraketen.

Was sich auf den ersten Blick nicht schlecht für die Ukraine anhört, hat aus Sicht Kiews allerdings einen Schönheitshaken. Denn laut Reisner dürfte Trump darauf bestehen, dass der Einsatz der ERAM auf ukrainisches Staatsgebiet beschränkt bleiben soll. Auch die Krim soll "nur punktuell und in enger Abstimmung mit den USA" angegriffen werden dürfen.

Auch hier sei erneut zu erkennen, dass die USA trotz aller Unterstützung für die Ukraine bestrebt sei, eine Eskalation mit Russland zu vermeiden. Ziel sei es wohl, dass Russland "auf der Zeitachse die Kraft ausgeht", so Reisner. Das sei übrigens auch der Grund, warum die Ukraine, "der gerade die Zeit davonläuft", vehement versuche, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

{title && {title} } mrr, {title && {title} } Akt. 25.08.2025, 18:40, 25.08.2025, 17:33
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