Junge Menschen, vor allem die Generation Z, entscheidet sich immer öfters bewusst das Handy wegzulegen und sich richtigen Hobbys zu widmen: Während einige einen Sport für sich entdecken, versuchen andere sich am Häkeln. Auf Social-Media-Plattformen, wie auf TikTok, zeigen sich Freundesgruppen, wie sie ihre eigenen Teller und Tassen töpfern und anschließend in diversen Mustern bemalen. Das steckt hinter dem Hype.
"Zu beobachten, wie sich ein Stück von einem Tonball zu einem fertigen Objekt entwickelt, ist ein faszinierender und zugleich meditativer Prozess", erklärt Sirin AlMasri. Die Keramikkünstlerin betreibt das ZOLTA Ceramics Studio im 3. Wiener Bezirk. "Das Gefühl, den Ton frei in den Händen zu formen, ohne das exakte Ergebnis zu kennen, kann unglaublich befreiend sein. Social Media hat diese Erfahrung für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht und vermittelt vielen Menschen das Gefühl, dass mit den richtigen Werkzeugen und etwas Anleitung, jeder das eigene kreative Potenzial entfalten kann", so AlMasri. "Letztlich liegt eine besondere Freude darin, etwas Selbstgemachtes im Alltag zu nutzen – etwa den Morgenkaffee aus einer handgefertigten Tasse zu trinken."
"Dieser langsame, manchmal fragile Weg (vom Töpfern zum Bemalen) lehrt uns, ein anderes Tempo zuzulassen. Er bietet eine willkommene Pause von unserer schnelllebigen, digitalen Welt und lädt dazu ein, ganz präsent bei den eigenen Händen, Gedanken und Schöpfungen zu sein", erläutert die Künstlerin.
"Social Media hat die Wahrnehmung von Keramik tiefgreifend verändert und sie zu einer vielschichtigen Disziplin gemacht, die Kunst, Hobby und Lifestyle miteinander verbindet. Unzählige Beiträge zeigen Keramik als zugängliches, therapeutisches Hobby. Videos von Anfängern, die den meditativen Prozess genießen oder eine schlichte Tasse bemalen, nehmen der Disziplin die Scheu und machen sie für alle greifbar", meint AlMasri.
Im Netz zeigen sich User und Influencer gerne im Töpferkurs und nehmen ihre Follower beim Prozess mit: TikTok-Nutzerin Natasha bezeichnet das Bemalen von Keramik "Girl Therapy" und generiert mit ihrem Video mehr als 4 Millionen Klicks und 600.000 Likes.
"Die Rolle von Social Media, Keramik in den Mainstream zu bringen, birgt sowohl große Chancen als auch erhebliche Herausforderungen. Plattformen wie TikTok und Instagram haben die Demokratisierung und Gemeinschaftsbildung in der Keramikszene massiv vorangetrieben – dadurch wird diese Kunstform sichtbarer und zugänglicher als je zuvor. Außerdem ziehen sie eine neue Generation von Schaffenden und Interessierten an", meint sie.
"Auf der anderen Seite bringt die stark konsumgetriebene Dynamik dieser Social-Media-Plattformen auch Druck mit sich. Junge Künstler können schnell frustriert sein, wenn ihre Hingabe nicht durch Reichweite belohnt wird – ohne konstante Selbstvermarktung und Werbung. Hinzu kommt, dass der schnelle Content oft eine makellose, mühelose Welt vorgaukelt, die in der Realität des Handwerks nicht existiert", verrät AlMasri schließlich.