Brezel, Croissants, Erdbeeren mit Schlagobers, Vanille-Rum-Creme – was man hier liest, ist nicht etwa das Dessertmenü der Speisekarte, sondern neue Duftnoten für Gourmand-Parfums. Laut Google Trend hat das Suchvolumen in den letzten fünf Jahren um mehr als 400 Prozent zugelegt, ein US-Marktforschungsunternehmen rechnet bis 2033 mit einem weiteren Anstieg. Auf TikTok gehen die lecker duftenden Parfums regelmäßig viral.
Das Szenario erinnert an eine vergangene Ära: In späten Neunzigern und Anfang der 2000er galt bei Düften: "Je zuckriger, desto besser." Modedesigner Thierry Mugler landete mit seinem Duft "Angel" einen riesigen Erfolg. Sängerin Jessica Simpson brachte eine Reihe von Beautyprodukten auf den Markt, die man sogar essen konnte.
Wo es außerdem eine Parallele gibt: Damals wurde die "Size Zero" (= Größe XS) glorifiziert und Promis für jedes unvorteilhaft geschossene Foto an den Pranger gestellt. Heute übernehmen gefährliche Trends wie SkinnyTok die sozialen Medien und Abnehmspritzen wie Ozempic und Wegovy sind in aller Munde. Influencer auf TikTok, aber auch Journalisten, vermuten deshalb einen Zusammenhang: Wenn Süßes nicht mehr gegessen wird, wollen Menschen zumindest danach riechen. "Ist dir schon mal aufgefallen, dass Parfum immer dann süßer wird, wenn wir dünner werden?", fragt Content Creatorin Amy in einem Clip. Sie stellt eine Theorie auf: "Die Parfums schenken einem das Gefühl von echtem Genuss, ohne dass man dabei gegen irgendwelche Regeln verstößt."
"Gourmand-Parfums gaukeln unserem Gehirn eine Belohnung vor, die nie eintrifft. Der Geruch signalisiert: 'Hier kommt gleich Zucker oder Energie', aber der Körper wartet vergeblich", erklärt Samira Zulliger gegenüber "20 Minuten". Zulliger ist Ernährungsberaterin und fokussiert sich auf Ernährungspsychologie. "Das Belohnungssystem wird nur angeregt, aber nicht befriedigt. Auf Dauer kann dieser Trick das Verlangen verstärken, anstatt es zu stillen", so Zulliger.
Die Geschichte gibt der Ernährungsberaterin recht: Der Neurologe Alan Hirsch vermarktete in den frühen 2000ern ein Diätprogramm, bei dem man durch Duftstoffe den Appetit zügeln sollte. Eine Studie hatte das zuvor angeblich nachgewiesen. Nachdem niemand die Studie finden konnte, verklagte die Federal Trade Commission Hirsch und sein Programm auf 26 Millionen Dollar. "Es wird nur die sensorische Sättigung angesprochen, während die energetische Sättigung komplett ausbleibt. Das Hirn wird zwar durch den süßen Duft stimuliert, aber die biochemischen Signale, die ein Sättigungsgefühl auslösen, fehlen", erläutert sie.
"Es stimmt, dass Gourmand-Parfums immer gefragter werden. Seitdem wir vor zehn Jahren geöffnet haben, steigt die Nachfrage kontinuierlich. Und das nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern", so Christof Hoerler, stellvertretendem Geschäftsführer in der Zürcher Luxus-Parfümerie Spitzenhaus, im "20 Minuten"-Interview. "Der Trend ist nicht ausschließlich durch die gestiegene Nachfrage entstanden, sondern auch wegen der heutigen Möglichkeiten. Die Branche kann dank neuer Technologien ganz andere Qualitäten entwickeln – synthetische Vanille- und Gourmandnoten, die edel und hochwertig wirken, nicht billig und überzuckert. Dadurch hat sich das Angebot stark erweitert", meint der Parfüm-Profi.
Dazu kommt: "Vanille ist weltweit einer der beliebtesten Düfte überhaupt." Es gibt eine Theorie, woran das liegt: "Schon in der Muttermilch ist ein Vanillin-ähnliches Molekül enthalten. Einige vermuten darin den Grund, dass Vanille von so vielen geliebt wird", erläutert der Geschäftsführer.
"Ich kann mir zwar vorstellen, dass es als eine Art Substituierung gesehen wird, wenn man Süßes nicht essen will. Eher glaube ich aber, dass heute viele Menschen auf der Suche nach einem Duft sind, der mehr zu ihrer Persönlichkeit passt und spezieller riecht, als die typischen Noten der großen Anbieter", so Hoerler schließlich.