Die Herbstlohnrunde startet am 22. September – und könnte heißer nicht sein. Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA und SPÖ-Nationalratsabgeordnete, spricht mit "Heute" (ganzes Interview im Video unten) über Lohnerhöhungen, Teuerung, Arbeitsmarkt und Teilzeit-Debatte sowie die von der Regierung beschlossenen Einschnitte bei den Pensionserhöhungen.
Gewerkschaftschefin Teiber über:
Die Wirtschaft ächzt, die Politik mahnt zu Zurückhaltung – doch Teiber stellt klar: "Dass es schwierig wird, liegt auf der Hand. Aber was aus unserer Sicht keinesfalls geht, sind Zurufe, dass wir Nulllohnrunden abschließen sollen. Die Beschäftigten leiden unter der Teuerung und es wird nach wie vor alles teurer. Insofern braucht es gute, vernünftige Abschlüsse."
Man müsse die Lage differenziert betrachten: "Es geht nicht allen Branchen schlecht. Es gibt auch Branchen, denen geht es gut, die suchen nach wie vor Arbeitskräfte."
„Was aus unserer Sicht keinesfalls geht, sind Zurufe, dass wir Nulllohnrunden abschließen sollen“Barbara TeiberGPA-Vorsitzende (SPÖ)
Ob sie Abschlüsse unter der Inflation für möglich halte? Teiber: "Man muss sich das anschauen. Wir haben auch in der Frühjahrsrunde sehr kreative Abschlüsse gesehen, teilweise gestaffelt – je nachdem, wie es eben der Branche geht."
Die steigende Jugendarbeitslosigkeit bereitet der Gewerkschafterin Sorgen: „Da kann man nicht einfach zuschauen." Ihr Rezept: "Wir sollten sehen, ob perspektivisch mehr Mittel freizumachen sind für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Und wir brauchen genug Deutschkurse für Menschen, die zu uns geflüchtet sind und hier bleiben dürfen. Das Deutschlernen sollte integriert werden in die Berufsorientierung, als Training on the Job. Das kostet etwas – aber es ist wichtig, das Arbeitskräftepotenzial, das wir hier haben, auch zu heben."
Kritisch sieht Teiber die Rufe nach mehr ausländischen Saisonkräften und Erleichterungen rund um die Rot-Weiß-Rot-Karte: "Das ist schwierig, denn wir haben nun einmal eine andere Situation am Arbeitsmarkt als vor einem Jahr. Priorität muss haben, dass die Arbeitslosen hierzulande wieder in Beschäftigung kommen."
Kaum ein Polit-Thema hat den Sommer so erhitzt wie die Debatte um den Teilzeit-Boom in Österreich. Teiber findet deutliche Worte: "Es ist eine Frechheit, Teilzeit-Beschäftigte als Minderleister hinzustellen."
"Was mich an der Diskussion vor allem ärgert, ist, dass wir als Gewerkschaft GPA Vorschläge auf den Tisch gelegt haben: Wenn man beispielsweise mehrere Monate hindurch regelmäßig mehr gearbeitet hat, als im Teilzeit-Arbeitsvertrag steht, sollte ein Rechtsanspruch aufs Aufstocken der Stunden geschaffen werden. Aber genau jene, die bei Teilzeit-Beschäftigten von Lifestyle-Mentalität gesprochen haben, stellen sich gegen solche Vorschläge."
„Es ist eine Frechheit, Teilzeit-Beschäftigte als Minderleister hinzustellen.“Barbara TeiberGPA-Vorsitzende (SPÖ)
Zudem richte sich die Höhe von Arbeitslosengeld und Pension ohnehin nach dem Verdienst. Den gleichen Leistungsumfang wie bei Vollzeit gibt es nur im Gesundheitssystem: "Da frage ich mich: Wenn eine Teilzeitbeschäftigte zwei kaputte Knie hat, soll sie dann nur ein neues bekommen", wundert sich Teiber über "Vorstellungen, die da herumgeistern".
Beim Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sieht Teiber kleine Fortschritte: "Es ist Bewegung drinnen, es geht auch in die richtige Richtung, aber sehr langsam – zu langsam. Wir hoffen sehr, dass die Lohntransparenz-Richtlinie, die quasi von der EU verordnet wurde, in Österreich auch so umgesetzt wird, dass man damit gut arbeiten kann. Dass alles sichtbarer wird."
„Wir sehen, dass Menschen über 50, die den Job verlieren, sich sehr schwertun, wieder einen zu finden.“Barbara TeiberGPA-Vorsitzende (SPÖ)
"Wir sehen, dass Menschen über 50, die den Job verlieren, sich sehr schwertun, wieder einen zu finden – trotz Erfahrung, trotz Dutzender Bewerbungsschreiben."
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben, komme für die Gewerkschaft nicht infrage. "Aber man muss alles dafür tun, dass das faktische Antrittsalter steigt. Dafür müssen wir die Arbeitswelt altersgerecht gestalten – dass man möglichst lang fit und gesund seinen Job ausüben kann. Dass es auch für über 50-Jährige noch innerbetriebliche Weiterbildungen gibt, die Leute geschätzt werden im Unternehmen."
Das erlebe sie leider in der betrieblichen Praxis oft nicht so. "Darum ärgert mich am meisten, wenn ich manchmal auf Podiumsveranstaltungen mit Arbeitgebervertretern diskutiere, die Arbeiten bis 68, 70 fordern – und man weiß, im eigenen Betrieb schaut es ganz anders aus." Teiber erklärt: "Es kommt weiterhin vor, dass ältere Arbeitnehmer zum Gehen gedrängt werden."
"Das sehe ich zwiespältig. Das Arbeitslosengeld ist in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gering. Es ist hart, wenn man vielleicht über 50 ist, wieder einen Vollzeitarbeitsplatz zu bekommen – da finden viele leichter einen geringfügigen Job. Und mit dem plus dem Arbeitslosengeld konnte man irgendwie auskommen. Auf der anderen Seite wurde mit diesem Modell in einigen Branchen Missbrauch betrieben."
Österreich erlebt einen Rekord an Firmeninsolvenzen und Sparpaketen bei Firmen. Das einzig der schlechten Wirtschaftslage zuzuschreiben, lehnt Teiber ab: "Das waren großteils Managementfehler", verweist sie etwa auf Kika Leiner oder KTM.
Besonders ärgert sie der Fall der OMV: "Das Unternehmen hat Rekordgewinne geschrieben, macht immer noch Gewinne, aber etwas geringere und nun wird der Sparstift angesetzt und es sollen einige hundert Leute abgebaut werden. Die Republik ist an der OMV beteiligt, da ist durchaus auch die Politik gefordert, dass so etwas nicht Schule macht. Was sollen sich die Menschen denken, wenn hohe Gewinne ausgezahlt werden und auf der anderen Seite gesagt wird, man muss rationalisieren, auslagern, sparen? Das geht an die Substanz, auch was den Glauben in unsere Gesellschaft und in unser Wirtschaftssystem betrifft."
Wie steht Teiber zu der jüngsten Regierungsvereinbarung, dass 2026 nicht alle Pensionen um die volle Inflationsanpassung von 2,7 Prozent erhöht werden? "Gespalten. Einerseits finde ich es gut, weil der Bundeskanzler nur zwei Prozent für alle in den Raum gestellt hatte. Insofern ist es positiv, dass über 70 Prozent der ASVG-Pensionisten und -Pensionistinnen die volle Inflationsabgeltung bekommen."
„Pensionen sind keine Sozialleistung, die hat man sich erarbeitet, dafür hat man eingezahlt.“Barbara TeiberGPA-Vorsitzende (SPÖ)
"Auf der anderen Seite kämpfen gerade wir als Gewerkschaften für ein gutes, verlässliches, staatliches Pensionssystem. Pensionen sind keine Sozialleistung, die hat man sich erarbeitet, dafür hat man eingezahlt. Darum glaube ich, dass es nur eine Lösung für heuer sein kann, geschuldet der Budgetlage. Aber dass das ab nächstem Jahr wieder anders geregelt werden muss."
Teiber fordert bei den Staatsfinanzen mehr Gerechtigkeit: "Ganz ehrlich, ich würde mir einen höheren Beitrag von den breiten Schultern wünschen. Auch deswegen, weil sich die Situation, was die Finanzen betrifft, noch einmal schlechter darstellt als vor einem Dreivierteljahr, als wir das Regierungsprogramm ausverhandelt haben."
Im Visier hat Teiber "Luxuserbschaften, für die jene, die davon profitieren, nicht wirklich etwas geleistet haben". Diese "mit wirklich hohen Freibeträgen auch zu besteuern, könnte uns helfen, die Budgetlöcher zu stopfen und Maßnahmen, welche die breite Masse treffen, hintanzustellen". Mehr Steuergerechtigkeit würde das Verständnis in der Bevölkerung für die aktuelle Budgetpolitik – "dass es jetzt ein, zwei Jahre nix zum Verteilen gibt" – fördern, ist Teiber überzeugt.