Harald Mahrer im "Heute"-Talk

Wirtschafts-Chef: "Staat treibt Inflation selbst an"

Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer sieht bei unserem "fetten Staat" eine Mitschuld an der hohen Inflation. Gegenüber "Heute" erläutert er, warum.
Angela Sellner
01.10.2025, 18:04
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Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer nimmt im "Heute"-Talk Stellung zur aktuellen Wirtschaftssituation ("sehr ernst") und führt aus, wo er politische Versäumnisse sieht. Die Quintessenz: "Wir haben zu viel Staat." Anders ausgedrückt: "Wir haben keinen fitten, sondern einen fetten Staat."

Eines der größten Probleme für die Bevölkerung wie für die Unternehmen ist die Inflation. Aber daran, dass alle immer teurer wird, trägt der Staat eine Mitschuld, sagt Mahrer.

Das Interview mit WKO-Chef Mahrer (ganzer Talk im Video unten):

"Heute": Herr Präsident, wie sehen Sie Österreichs Wirtschaftslage im Herbst 2025 – wie dramatisch ist es?

Harald Mahrer: Ich bin kein Fan von Wörtern wie "dramatisch". Aber die Situation ist sehr ernst. Das hat sich über die letzten Jahre hinweg aufgebaut.

Wo hakt es am meisten?

Als mittelgroßes, exportorientiertes Land stehen wir im intensiven Wettbewerb mit anderen Nationen rund um den Globus, wenn es darum geht, unsere in der Tat innovativen und hochqualitativen Produkte zu verkaufen. Wir können diese Produkte aber nur verkaufen, wenn wir preislich mithalten können, wenn es ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis gibt. Wettbewerbsmäßig haben wir uns da in den letzten Jahren verschlechtert.

Warum sind wir wettbewerbsmäßig so zurückgefallen?

Die Probleme liegen in drei Bereichen. Bei den Arbeitskosten und Arbeitszusatzkosten, die in den letzten fünf bis zehn Jahren stark gestiegen sind. Außerdem bei den Energiekosten. Und dann sind da natürlich die Bürokratiekosten, die Unternehmen stark belasten.

Was meinen Sie konkret mit Bürokratiekosten?

Wenn Menschen in den Betrieben Sachen machen müssen, die sie Dritten nicht verkaufen können. Zum Beispiel: Ein Bäcker produziert mit seinen Mitarbeitern Semmeln, Brot, Kuchen. Wenn aber ein Mitarbeiter aufgrund bürokratischer Vorschriften nicht bäckt, sondern Listen ausfüllt, ist das unproduktiv – das kann er niemandem verrechnen. Aber die Arbeitszeit fällt trotzdem an und kostet. Das betrifft kleine Gewerbe- und Handelsbetriebe genauso wie große produzierende Unternehmen. Die Auflagen durch den Staat sind immer mehr geworden, die Kosten dafür ins Unermessliche gestiegen.

WKO-Chef Harald Mahrer sieht Österreichs Wirtschaft unter überbordenden Bürokratiekosten wanken.
Sabine Hertel
„Wenn so eine Kettenreaktion einmal in Gang gekommen ist, ist es extrem schwierig, sie wieder zu stoppen.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

Welche Folgen hat das für Standort und Jobs?

Wir müssen uns überlegen, ob wir in Europa und in Österreich eigentlich noch wettbewerbsfähig produzieren. Leider ist die Antwort da und dort schon seit einigen Jahren ein klares Nein. Davor haben wir immer gewarnt, es wird auch Arbeitsplätze kosten. Und wenn so eine Kettenreaktion einmal in Gang gekommen ist, ist es extrem schwierig, sie wieder zu stoppen. Das ist ernst und man kann es nicht schönreden.

Tut die Regierung genug, um Österreichs Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?

Es wird einiges angegriffen, aber da liegen noch große Projekte vor uns in den genannten drei Bereichen. Ganz zu schweigen von der Inflation. Wenn wir sehen, wie alles Schritt für Schritt teurer wird, muss man die Frage nach den Ursachen stellen – und inwieweit die öffentliche Hand selbst zur Inflation beiträgt. Es wird immer von einer Lohn-Preis-Spirale geredet – aber in Wahrheit haben wir einen Staat-Privat-Dominoeeffekt.

Sie sagen, der Staat ist mit schuld am Anstieg der Inflation?

Ja, der Staat treibt die Inflation selbst an. In goldenen Jahren denkt niemand groß an die Zukunft und die öffentliche Hand gibt gern viel aus – aber das heißt, dass sich der Staat in Summe aufbläht, und irgendwann ist er zu groß. Wir haben keinen fitten, sondern einen fetten Staat. Nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länder- und Gemeindeebene. Wir haben eine Staatsquote von 56,3 Prozent bei den Ausgaben, das ist viel zu hoch. Wenn die staatlichen Kosten steigen, hat das natürlich auch Auswirkungen auf die privaten.

Welche staatlichen Kosten meinen Sie?

Das sind zum einen die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst, in der Verwaltung. Logischerweise zählen dazu auch das Gesundheitssystem, die Energiekosten – und sämtliche Folgekosten von Gebühren und Abgaben.

Zum Beispiel?

Ich habe hier eine Liste mit dem Preisanstieg im Jahresvergleich: Führerscheingebühr plus 48,8 Prozent, Ausstellung eines Reisepasses plus 47,6 Prozent, Pkw-Anmeldung plus 30,4 Prozent, Strom plus 37,2 Prozent, Jahreskarte für die Bahn plus 7,8 Prozent, allgemeine Mautgebühr plus 7,7 Prozent, laufende Kosten bei Wasser plus 8,1 Prozent. Und so weiter.

Viele Gebühren wurden aber jahrelang nicht angepasst, wird argumentiert...

Man kann ja anpassen, aber muss sich bewusst sein, welche Auswirkungen das auf die Inflation hat, die ja im Vergleich zum Vorjahr bemessen wird. Da hat man dann halt Sprünge. Zu Jahresbeginn ist die Strompreisbremse ausgelaufen, daher gab es beim Strom eine starke Teuerung im Vergleich zum Vorjahr. 2026 zu Jahresende ergibt sich hier also ganz automatisch eine Entspannung. Diese Hüh-Hott-Politik ist vielleicht nicht die klügste.

Was läuft da falsch im Staate Österreich?

Wenn der Staat selbst sich nicht effizient verhält und schaut, dass ihm die Kosten nicht aus dem Ruder laufen – so wie jeder Private darauf schauen sollte, nur das auszugeben, was er hat und sich nicht dauerhaft zu verschulden –, dann ist es logisch, dass er immer an der Einnahmenschraube drehen muss. Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern die Republik Österreich hat de facto ein Ausgabenproblem.

„Ein fetter, ungesunder Staat kostet Wohlstand.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

Was folgt daraus?

Ich habe es bereits gesagt: ein fetter, ungesunder Staat kostet Wohlstand. Wir hängen alle mehr und mehr an diesem Tropf der Droge Staat – wir brauchen eine Entziehungskur, endlich weniger Staat. Andere Länder haben es auch geschafft – schauen wir etwa nach Dänemark, Schweden. Es geht um mehr Freiheit und Eigenverantwortung und weniger staatliche Kontrolle. Ich weiß gar nicht, was da in Österreich gefahren ist und welche Fehlentwicklungen es in den letzten Jahren gegeben hat, dass wir uns so in Richtung eines aufgeblähten Vorschriftenstaats entwickelt haben.

Müssen wir alle mehr und länger arbeiten, um den Wohlstand zu erhalten?

Damit der Kuchen wieder ein bisschen größer wird, müssen alle in Summe ein paar Stunden mehr leisten. Denn was ich nicht erarbeitet habe, kann ich nachher nicht verteilen. Von nix kommt nix, hat meine Oma immer gesagt.

In zehn Jahren werden 250.000 Menschen am Arbeitsmarkt fehlen, warnt Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.
Sabine Hertel
„Die Betriebe werden gezwungen sein, jeden und jede zu nehmen, die sie bekommen können.“
Harald MahrerWirtschaftskammer-Präsident

Quote für ältere Mitarbeiter in Unternehmen oder lieber Anreize?

Wenn man sieht, dass es anreizorientiert am besten funktioniert, dann soll man mit Anreizen arbeiten, nicht mit Zwang. Und: Wir wissen, dass in Österreich in den nächsten zehn Jahren 250.000 Menschen mehr in Pension gehen werden, als Junge am Arbeitsmarkt nachkommen. Die Betriebe werden gezwungen sein, jeden und jede zu nehmen, die sie bekommen können – weil ihnen die Mitarbeiter ja fehlen.

Die Metaller haben mit 1,4 Prozent eine Lohnerhöhung deutlich unter der Inflation vereinbart. Sollte das Schule machen in der Herbstlohnrunde?

Das Ergebnis der Metaller birgt eine gewisse Symbolwirkung. Faktum ist, dass es um gewisse Branchen nicht gut steht. Das kann man nicht negieren, dort herrscht ein enormer Kostendruck. Diesen Kostendruck sollten auch Arbeitnehmervertreter genau in Betracht ziehen, bevor sie herumpoltern. Es sollte aber keine Denkverbote geben. Wenn die Bereitschaft, über bestimmte Probleme zu diskutieren nicht mehr da ist, dann haben wir ein grundsätzliches Problem. Es ist ja Aufgabe der Sozialpartnerschaft, genau dort auszutarieren, wo es vielleicht Regierungen nicht können.

Also für den berühmten sozialen Frieden zu sorgen?

Ja. Den kann es aber nur geben, wenn wir mittel- bis langfristig gute Zukunftsperspektiven für das Land haben. Wenn die Leute sich nur fürchten, ist das schlecht. Daher glaube ich auch, dass es Aufgabe der Sozialpartner ist, aufzuzeigen, dass wir zurzeit zu viel Staat haben. So unangenehm es vielleicht für den einen oder anderen dort ist, das einzugestehen. Aber die Bevölkerung verträgt die Wahrheit – in vielen Fällen sind die Menschen auch der Politik weit voraus, weil sie jeden Tag spüren, dass etwas nicht passt.

{title && {title} } sea, {title && {title} } Akt. 02.10.2025, 18:45, 01.10.2025, 18:04
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