Es ist eines der Prestigeprojekte der Regierung: die "Industriestrategie", an der Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) derzeit arbeitet. Präsentiert werden soll sie im kommenden Jahr.
Die wirtschaftsliberale Agenda Austria hat zahlreiche Vorschläge, die der Standort Österreich über die Industrie hinaus gut gebrauchen könnte. "Damit die österreichische Wirtschaft wieder wachsen kann, ist Veränderung nötig. Das Stichwort lautet: schöpferische Zerstörung", sagt Agenda-Ökonom Jan Kluge.
Die Experten haben vier "Handlungsfelder" definiert: Als erstes müsse der Staat seine Finanzen und seine Verwaltung in den Griff bekommen. Dann müsse er dringende Reformen bei den Produktionsfaktoren Arbeit und Energie umsetzen.
Im Finanzbereich müsse zum Beispiel bei den Pensionen dringend etwas getan werden, fordert Kluge. Konkret schlägt der Experte vor, dass das Antrittsalter ab sofort jedes Jahr um zwei Monate angehoben wird. "Ein Jahr länger im Erwerbsleben entlastet das Pensionssystem jährlich um rund drei Milliarden Euro."
Außerdem brauche es einen "Kahlschlag" bei den Förderungen. Würde man bei den direkten Förderungen wieder das Vorkrisenniveau 2019 erreichen, hätte der Staat bereits knapp fünf Milliarden Euro gespart. Die Agenda fordert zudem eine "Ausgabenbremse" nach Vorbild der Schweiz oder Schwedens.
Ebenfalls spannend: eine "Flat Tax" von 16 Prozent bei der Einkommensteuer bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Das würde die Steuerzahler jährlich um 14 Milliarden Euro entlasten, rechnet Kluge vor.
Stichwort Verwaltung: Das "Entbürokratisierungspaket" der Regierung enthalte nur wenige konkrete Punkte, kritisiert der Experte: "Man ist schon stolz, dass Dokumentationen im Schifffahrtswesen künftig nicht mehr 'mit Tinte oder Kugelschreiber' anzufertigen sind", ätzt er. Notwendig sei neben der Abschaffung bestimmter Gesetze auch ein Personalabbau in der Verwaltung: "Das muss Hand in Hand gehen", so der Ökonom.
Auch beim Thema Arbeit hat der Think Tank Forderungen, die nicht nur auf Applaus stoßen dürften. So will man etwa die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern abschaffen und das Arbeitslosengeld reformieren. Dieses müsse am Anfang zwar höher sein, dann mit der Zeit aber absinken. "Das wäre ein guter Anfang." Ebenso auf der Wunschliste: eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln und die Abschaffung der geringfügigen Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose. Und: Der öffentliche Dienst müsse stärker auf Digitalisierung setzen.
Als viertes brauche es auch Maßnahmen gegen die teure Energie. Immerhin sei der österreichische Industriestrompreis regelmäßig mehr als doppelt so hoch wie jener in den USA oder China und liege selbst im Europavergleich weit vorne. Die Politik müsse etwa die Steuern, Abgaben und Netzentgelte überdenken, die bereits einen überwiegenden Teil der Strompreise ausmachen würden, sagt Kluge. Auch hier tritt die Agenda Austria wenig überraschend für eine weitgehende Privatisierung der Energieversorger ein. "Erst Wettbewerb belebt das Geschäft." Mit den Erlösen könne man zudem die öffentlichen Haushalte sanieren.
Fortschritte in all diesen Bereichen seien ein "mühsamer Weg", gesteht Kluge zu. "Wenn sich aber nichts ändert, ändert sich alles", warnt er. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung die eine oder andere dieser Maßnahme beherzigt. Dem Standort würde das wohl gut tun…