Dauerbeschallung

Bei dir läuft Musik 24/7? Das könnte dir schaden

Wer bei jeder Gelegenheit die Kopfhörer aufsetzt, tut seinem Gemütszustand nichts Gutes: Der dauerhafte Lärm kann nämlich überfordern.
17.11.2025, 15:31
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Ob im Zug mit True-Crime-Podcast, im Büro mit einer Spotify-Playlist oder abends mit Meditationsgeräuschen: Viele Menschen können nicht mit Stille oder Langeweile umgehen. Es muss immer etwas im Hintergrund laufen. In den sozialen Medien fragen sich vermehrt Leute, ob diese konstante Geräuschkulisse schädlich für Konzentration und Dopaminspiegel ist. Musikpsychologin und Neurowissenschaftlerin Teresa Wenhart erklärt gegenüber "20 Minuten", was wirklich dahinter steckt.

Stimmungsregulierendes Tool

"Generell muss zwischen kurz- und langfristigen Wirkungen des Musikhörens unterschieden werden", stellt Wenhart klar. Manche hören Musik gezielt, um ihre Stimmung zu regulieren: Die einen greifen zu fröhlichen Songs, wenn sie traurig sind. Die anderen suchen Trost in melancholischen Klängen. Klar ist: Musikhören und aktives Musizieren hat zahlreiche positive Effekte auf das Wohlbefinden. Es baut Stress ab, regt die Kreativität an und wirkt sich auf die körperliche Gesundheit aus.

Musik mit Sprache = Sprachlärm?

Laut ihr kann Hintergrundmusik besonders beim Arbeiten die kognitive Leistung beeinträchtigen. "Musik mit Sprache wirkt ähnlich ablenkend wie Sprachlärm", erklärt die Expertin. Das heißt: Sobald gesungen oder gesprochen wird, konkurriert der Input mit unseren eigenen Gedanken oder sprachlichen Aufgaben. Reine Instrumentalmusik schneidet zwar etwas besser ab, ist aber laut Expertin ebenfalls ein kognitiver Reiz.

Je komplexer ein Stück ist oder je mehr wir es mögen, desto schwerer fällt es uns, es auszublenden. "In Studien schnitten sogar Musikerinnen und Musiker schlechter bei Tests ab, wenn sie im Hintergrund Instrumente hörten, die sie selbst spielen", erklärt die Expertin. Eine Geigerin etwa ist stärker abgelenkt von einem Streichquartett als von einer Jazzband.

Hängt von Persönlichkeitstypus ab

Menschen unterscheiden sich stark darin, wie ihr Nervensystem Sinneseindrücke verarbeitet: "Bei neurodivergenten Personen, etwa mit ADHS oder Autismus, aber auch bei vielen hochsensiblen Menschen funktioniert die Wahrnehmung häufig anders als bei neurotypischen Menschen", sagt Wenhart. Einige reagieren stärker auf Reize, andere schwächer, oft hängt das vom konkreten Reiz ab.

Viele Betroffene nutzen deshalb Strategien, um ihre Umgebung besser regulieren zu können. Hier können laut Expertin Sonnenbrillen bei zu viel Licht, oder Kopfhörer als Gehörschutz bei störenden Geräuschen in der Umgebung helfen.

"Manche Studien zeigen, dass introvertierte Personen sensibler auf Hintergrundmusik und Störgeräusche reagieren", erklärt Wenhart. Extrovertierte profitieren hingegen laut Expertin manchmal sogar von einem kleinen Energieschub durch Musik, der ihnen hilft, ihre optimale Leistung zu erreichen. Allerdings gilt das nur kurzfristig und bedingt, denn insgesamt wirke sich Hintergrundlärm eher negativ auf die Leistung aus.

"Auch das ist individuell und abhängig von der Tagesform", erläutert die Neurowissenschaftlerin. Zudem können Biorhythmus, Cortisolspiegel, Zyklusphase oder die Veranlagung des Nervensystems eine Rolle spielen.

In Pausen eher Stille suchen

Wie stark Hintergrundmusik zu Reizüberflutung oder Hörermüdung führt, ist individuell. "Menschen, die beruflich mit dem Gehör arbeiten, sollten in Pausen eher Stille suchen. Wer im Großraumbüro bereits den ganzen Tag mit Sprache in Kontakt kommt, ist abends mit einem Podcast schlecht beraten", sagt die Musikerin. In repetitiven oder handwerklichen Jobs hingegen könne Musik sogar die Leistung steigern.

"Viele Menschen wissen genau, wo ihre Grenzen liegen – erlauben sich aber nur selten, Pausen zu machen", so sie. Kinder würden das oft instinktiv tun: Sie ziehen sich zurück, wenn ihnen alles zu laut wird. Erwachsene hingegen blenden diese Signale aus.

Hörschaden durch zu viel Musik

Ständiges Musikhören kann zu Hörschaden führen, wenn es zu laut oder zu lange erfolgt. Viele Hörschäden zeigen sich erst später und sind irreversibel. Darum empfiehlt die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) Schutzmassnahmen:

Massnahmen in Räumen mit lauter Musik: Ob im Proberaum, im Club oder im Unterrichtszimmer – Ziel ist es, die Akustik zu verbessern, den Lautsprecherpegel zu reduzieren und die Raumgestaltung zur Lärmdämpfung nutzen.

Auswahl von geeignetem Gehörschutz: Für Musikgebrauch sollen Filterpfropfen oder auf Mass gefertigte Otoplastiken verwendet werden. Schaumstoffpfropfen schützen zwar vor hohen Pegeln, verändern aber Klangbild und sind für Musikgenuss weniger ideal. Eine Dämmwirkung von etwa 15 dB genügt oft für Musikgenuss mit Schutz. Gesamtbelastung im Blick behalten: Nicht nur Musik zählt, sondern auch Straßenlärm, Arbeitslärm, Freizeitlärm sollten beachtet werden.

Was tatsächlich hilft: bewusst Momente der Stille und der Langeweile einbauen. "Ein kurzer Spaziergang ohne Kopfhörer oder beim Pendeln die Gedanken schweifen zu lassen, statt Musik oder Podcasts zu hören, kann helfen", so Wenhart schließlich.

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