Sie zählen zu den wichtigsten Errungenschaften der modernen Medizin und stehen gleichzeitig vor ihrem größten Problem: Antibiotika verlieren weltweit an Kraft. Während Resistenzen steigen und Infektionen zunehmend schwer behandelbar werden, kommen kaum neue Medikamente auf den Markt. Doch warum dauert die Entwicklung so lange? Und welche Fehler im Alltag sowie im Krankenhaus verschärfen die Lage zusätzlich? "Heute" hat mit Genetiker Christoph Klaus gesprochen: Er erklärt, wo die größten Risiken liegen – und wie man sich schützt.
Ein neuer Wirkstoff, wie das kürzlich entdeckte Prämethylenomycin-C-Lacton, weckt Hoffnung, doch der Weg in die Anwendung ist lang: "Es werden laufend neue Substanzen entwickelt, die anfangs vielversprechend wirken", sagt er. "Viele bestehen aber die klinischen Tests nicht, zum Beispiel wegen starker Nebenwirkungen."
Hinzu kommt ein wirtschaftlicher Faktor, der kaum bekannt ist: "Zulassungsstudien kosten mittlerweile bis zu einer Milliarde Euro. Dieses Risiko können viele Firmen schlicht nicht tragen", so Klaus. Vor allem, weil Antibiotika für die Industrie weniger lukrativ sind. Je schneller sich Bakterien an das Medikament anpassen, desto schneller verliert ein Präparat an Wert.
Trotz der dramatischen Lage gibt es Maßnahmen, die enorm viel bewirken – allen voran das Händedesinfizieren: "Sie ist die effizienteste und kostengünstigste Präventionsmaßnahme im Spital und im Alltag", betont der Genetiker. Alkoholische Desinfektionsmittel wirken gegen Bakterien, Pilze, Viren und sogar gegen resistente Varianten.
Viele unterschätzen den Unterschied zwischen Waschen und Desinfizieren. "Händewaschen und Händedesinfektion haben nicht dieselbe Wirkung. Zu häufiges Waschen kann im Winter sogar zu rissigen, blutenden Händen führen", warnt Klaus. Ein Fläschchen Desinfektionsmittel in der Tasche könne dagegen Großes verhindern.
Auch Patienten tragen unbewusst zur Resistenzbildung bei: "Ein klassischer Fehler ist, das Antibiotikum abzusetzen, sobald man sich besser fühlt", erklärt Klaus. Zu diesem Zeitpunkt seien oft noch Bakterien im Körper, die dann resistenter werden.
Ebenso problematisch: Einnahmezeiten werden schlichtweg ignoriert. "Antibiotika müssen in festen Intervallen eingenommen werden. Unregelmäßige Spiegel im Blut mindern die Wirksamkeit." Besonders gefährlich sei es zudem, die Dosis eigenmächtig zu reduzieren: "Subtherapeutische Dosierungen fördern Resistenzen", warnt er.
Vor Operationen wird häufig ein Fehler begangen, der kaum bekannt ist und heikel werden kann: "Viele rasieren sich am Vortag im Operationsgebiet. Dabei entstehen Mikroläsionen, in denen sich Bakterien vermehren", so Klaus. Diese gelangen dann bei der OP tiefer in die Wunde, schwere Infektionen sind dann oft die Folge.
Der Experte empfiehlt: "Man sollte sich drei Tage vor einer geplanten Operation mit antiseptischen – nicht antibiotischen – Produkten waschen." Besonders bewährt habe sich Octenidin, weil es gut verträglich ist und keine Resistenzbildung verursacht. "So lässt sich das Risiko einer Wundinfektion etwa halbieren."
Nach der OP gilt: Verband trocken halten, Hände vor jedem Verbandswechsel desinfizieren und die Wunde regelmäßig mit Wundspray behandeln. Alarmzeichen seien klare Symptome: "Bei starker Rötung, Schwellung oder Schmerzen sollte man sofort einen Arzt kontaktieren", sagt Klaus schließlich.